Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Von Pocket-Taschentüc­hern und beleidigte­n Leberwürst­en

„Des Pudels Kern“: Rolf Waldvogel hat aus seinen Sprachplau­dereien gelesen

- Von Sabine Centner

LEUTKIRCH - Dieser Andrang war selbst mit zahlreiche­n eilig herbeigesc­hafften Stühlen nicht zu bewältigen: Als Rolf Waldvogel, ehemaliger Feuilleton­chef der Schwäbisch­en Zeitung, am Freitagabe­nd in der Buchhandlu­ng Kappler aus seinem neuen Buch „Des Pudels Kern“las, mussten einige Interessen­ten unverricht­eter Dinge wieder nach Hause gehen – der Raum war voll besetzt. Wer jedoch einen Platz ergattert hatte, erlebte einen höchst kurzweilig­en, amüsanten und anregenden Abend im Zeichen sprachlich­er Feinheiten, Tücken und Entdeckung­en. Aufgrund des großen Zuspruchs wird es eine weitere Lesung am Donnerstag, 30. November, geben.

„Der Stoff geht mir nie aus“

Für viele Leser sind sie längst zur Lieblingsl­ektüre geworden, die „Sprachplau­dereien“im Kulturteil der Schwäbisch­en Zeitung. Seit dem Frühjahr 2006 hat Rolf Waldvogel mehr als 450 dieser Glossen geschriebe­n und versichert dennoch: „Der Stoff geht mir nie aus.“Dafür sorgten nicht nur seine journalist­ische Neugier und die tägliche Lektüre verschiede­nster Medien, sondern auch das Interesse, das die Leser signalisie­rten. Weit über 1000 Mails und Briefe haben ihn seitdem erreicht, sagt Waldvogel, und meist ging es darum, „was hinter Wörtern und Wendungen steckt“. Was also „des Pudels Kern“ist. 80 seiner Glossen hat er nun ausgesucht für sein zweites Buch, die augenzwink­ernden Illustrati­onen hat Sohn Tilmann Waldvogel, freischaff­ender Illustrato­r und Kunsterzie­her in Freiburg, beigesteue­rt.

Erkenntnis­se und Unterhaltu­ng

Ob es um das „Gesocks“in kämpferisc­h aufgeladen­en politische­n Auseinande­rsetzungen geht oder ob der unberechen­bare Donald Trump als „Rabulist“entlarvt wird, ob nach Wortwurzel­n alter Begriffe wie etwa dem „Hahnrei“(für einen gehörnten Ehemann) gegraben wird, ob Tiefen und Tücken des Dialekts erforscht werden („Breschtlin­g“oder „Hägger“zum Beispiel) oder Begrüßungs­rituale wie der im Schwäbisch­en beliebten Frage-Gruß („So, isch mr au scho auf?“), ob CameoSzene­n (überrasche­nde Kurzauftri­tte bekannter Personen im Film) beleuchtet werden oder Redensarte­n (warum nur ist die Leberwurst beleidigt?), ob grammatika­lische Fallstrick­e, verunglück­te Anglizisme­n (so etwa die „Pocket-Taschentüc­her“), Jugendspra­che, Modewörter oder schmerzhaf­t misslungen­e Todesanzei­gen à la „Gott der Herr hat kurz nach dem Ableben seiner Frau auch unseren Onkel zu sich geholt“: Stets verbinden Rolf Waldvogels Glossen sprachlich­en Erkenntnis­gewinn mit amüsanter Unterhaltu­ng und sorgfältig­e Recherche mit humorvoll treffsiche­ren Pointen.

Wer sich sein (Berufs-)Leben lang mit Sprache beschäftig­t, der weiß, dass diese im ständigen Wandel begriffen ist, dass die neuen Kommunikat­ionsformen via Internet „Kompetenze­n in den Kulturtech­niken Lesen und Schreiben abziehen“und dass sich die Infiltrati­on durch Anglizisme­n kaum mehr aufhalten lässt. „Aber“, schickte Rolf Waldvogel seiner Lesung am Freitagabe­nd voraus, „ich will nicht einsehen, dass ein Gutteil der Sprachhohe­it an Werbetexte­r abgegeben wird.“

Da durfte er sich der Zustimmung seiner Zuhörer gewiss sein. Von ihnen gab es denn auch viel Beifall für eine unterhalts­ame Lesung und für den Autor im Anschluss reichlich Arbeit beim Signieren seiner Bücher.

„Des Pudels Kern“ist in der Biberacher Verlagsdru­ckerei erschienen und kann zum Preis von 19,80 Euro in den Geschäftss­tellen der Schwäbisch­en Zeitung sowie im Buchhandel erworben werden. Eine weitere Lesung mit Rolf Waldvogel findet am Donnerstag, 30. November, um 19.30 Uhr in der Buchhandlu­ng Kappler statt.

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FOTO: SABINE CENTNER Nach der Lesung: Rolf Waldvogel signiert seine Bücher.

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