Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Kleznova begeistert auf dem Gottesberg
Trio spielt beim Benefizkonzert eine Mischung aus Klezmer, Jazz und Weltmusik
BAD WURZACH - Mit ihrer Mischung aus Klezmer, Jazz und Weltmusik hat das Trio Kleznova begeistert, das in der Bad Wurzacher Wallfahrtskirche auf dem Gottesberg ein Benefizkonzert unter der Schirmherrschaft von Superior Pater Eugen Kloos zugunsten der Sozialarbeit der gemeinnützigen Nothilfe gab.
Dietmar Pinkawa, der Vorsitzende des Vereins Nothilfe, sagte in seiner Begrüßung, dass in Deutschland mehr als sieben Millionen Menschen Arbeitslosengeld II beziehen, 2,5 Millionen Haushalte überschuldet, mehr als eine Million langzeit arbeitslos und etwa 300 000 Menschen ohne Obdach sind. Diese Menschen und der ihnen helfende Verein Nothilfe brauchten Geld.
Der Caritasverband fordere nicht umsonst, den Regelsatz des ALG II stark zu erhöhen. Der Verein Nothilfe helfe diesen Menschen, wenn sie zum Beispiel Opfer eines Unfalles würden. Mit dem Erlös dieses Konzertes, das gleichzeitig unterhalten wolle und dem guten Zweck diene, solle für Oasis, das sozialpädagogische Kulturhaus des Nothilfe-Vereins, eine Heimat gefunden werden.
Lebendige Interpretation
Das Trio Kleznova bilden Günter Schwanghart (Klarinette), Enes Ludwig (Gitarre) und Alwin Zwibel (Kontrabass). Es interpretiert die jüdische Klezmer-Musik auf eine eigene, lebendige und moderne Weise, wofür sich auch der Begriff „Modern Klezmer“etabliert hat.
Günter Schwanghart, der Ottobeurer Klarinettist, Kopf und musikalischer Antreiber des Trios, wurde durch mehrere musikalische Aufenthalte und Konzerte in Israel beeinflusst. Dort traf er mit Giora Feldman auch jenen Mann, der entscheidend dazu beitrug, dass Klezmer zur weltweit anerkannten Musikrichtung wurde. Enes Ludwig aus Memmingen war im Allgäu zunächst mehr als Gitarrist im Bereich Rock, Jazz und Blues bekannt.
Aufgewachsen in Belgrad kam er früh mit der Musik des Balkans in Berührung, die viele Gemeinsamkeiten mit der jüdischen Klezmer-Musik aufweist. Alwin Zwibel aus Trunkelsberg wiederum ist ein vielseitiger und gefragter Kontrabassist, der schon etliche Größen des Jazz begleitet hat., unter anderem auch im Gypsy-Jazz in der Musiktradition der Sinti und Roma, bei dem es viel Berührungspunkte zur Klezmer-Musik gibt.
Schwanghart, bei dem die rund 70 Besucher des Konzerts spürten, dass er diese Musik nicht nur spielt, sondern lebt, beschränkte seine Ansagen nicht nur auf die gespielten Musikstücke. Er gab den Zuhörern auch einen Einblick in die Geschichte. „Wenn ihnen die Melodien bekannt vorkommen, liegt es daran, dass viele Juden im Mittelalter aus Mitteleuropa flüchteten oder vertrieben wurden und sich dann in der Ukraine, Russland oder Polen ansiedelten. Sie haben ihre Lieder mitgenommen und mit den dortigen Volksliedern vermischt.“Er lud das Publikum ein, dazu zu tanzen, so wie er es am Sabbat auf seinen Israel-Reisen in der Synagoge erlebt hatte.
Mal melancholisch, mal fröhlich
Klezmer-Musik klingt mal melancholisch, mal rasant und fröhlich. Geprägt ist sie von vielen TempiWechsel, bei denen die Instrumente Zwiesprache halten. Das Zusammenwirken der drei Instrumente ergibt diesen unverkennbaren, facettenreichen Klang, wobei die Klarinette ein wenig die Oberhand behält.
Faszinierend war bei einem Stück, das mit unheimlich zarten Tönen begann, nach dem bekannten musikalischen Wechselspiel zwischen Melancholie und Lebensfreude, dann wieder in der Stille endete, wie die Melodie danach im Kopf weiterlebte. Schwanghart nannte das Phänomen „Klang der ungespielten Töne“.
Eine ganz besondere Geschichte erzählte der Klarinettist über ein Wiegenlied. Der Elfjährige, der es schrieb und damit einen Musikwettbewerb im litauischen Ghetto gewann, habe nach dem Krieg sein Leben lang von den Tantiemen leben können, war später viele Jahre Präsident der Musikhochschulen in Israel. Mit der begeisternden Eigenkomposition von Günter Schwanghart „Lied der Quelle“, inspiriert von einem Besuch in der Stadt Israels beendete Kleznova den Programmteil des Konzerts.
Als Zugabe spielten die drei Musiker den berühmten Friedensgruß „Shalom Aleichem“, der in Israel am Freitagnachmittag als Einstimmung auf den Sabbat überall gesungen und gespielt wird, wie Schwanghart bei seinen Besuchen dort erfahren hat.