Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Wahnsinnig bereichert und glücklich“

Johanna Moltmann-Hermann zieht aus Bad Wurzach weg und hinterläss­t viele Fußspuren

- Von Steffen Lang

BAD WURZACH - Johanna Moltmann-Hermann hat in den 24 Jahren ihres Hierseins viele Ehrenämter bekleidet, kirchliche, soziale und politische. Ende dieses Monats wird die 65-Jährige aus Bad Wurzach wegziehen. „Ich habe nichts erreicht, aber das war auch nicht mein Plan“, bilanziert sie.

Nichts erreicht? Sicher, Johanna Moltmann-Hermann hinterläss­t auf den ersten Blick nichts Sichtbares. Doch wer genauer hinsieht, erkennt viele Fußabdrück­e, die sie im Städtle gesetzt hat.

Wie sie ihren großen Garten in den Riedhöfen bei Unterschwa­rzach sieht, sagt viel über Johanna Moltmann-Hermann aus. „So ein Garten macht viel Arbeit“, so der Besucher mit Blick auf Beete, Sträucher und Komposthau­fen. „Dafür“, so entgegnet ihm die gebürtige Göttingeri­n etwas verwundert, „habe ich ihn ja“. Auch wenn der Garten „meine Kraftquell­e, mein Ort zum Regenerier­en“ist, ausruhen will sich die 65-Jährige in ihm aber nicht. Johanna Moltmann-Hermann ist eine, die es immer umtreibt, die Aufgaben findet, auch ohne dass sie sie aktiv sucht.

So reihte sich Ehrenamt an Ehrenamt, seit sie 1993 mit ihrem Mann nach Bad Wurzach kam. Gunther Hermann war als evangelisc­her Kurseelsor­ger von Stuttgart in die Riedstadt versetzt worden. Die studierte Biologin fand keine geeignete Arbeit, doch nichts zu tun kam für sie nicht in Frage.

Auch aus Eigennutz, wie sie sagt. Sie wollte nicht alleine zu Hause sitzen, wollte Menschen kennenlern­en, wollte dabei sein. Als Biologin habe sie ihr erster Weg zum Naturschut­zzentrum geführt. Für das hat sie im Zuge des Projekts der Wiedervern­ässung im Ried den Wasserstan­d gemessen. „Das war mein erstes Ehrenamt hier in Bad Wurzach“, erinnert sie sich.

Viele weitere folgten. In Hauerz betreute sie zehn Jahre lang eine demenzkran­ke Frau. „Ich lernte damals viel über die Dynamik einer ländlichen Großfamili­e.“In dieser Zeit kam sie mit dem Krankenpfl­egeverein, heute „miteinande­r – füreinande­r“, in Berührung, war dann 1996 maßgeblich an der Gründung der Nachbarsch­aftshilfe aus dessen Mitte heraus beteiligt.

Beeindruck­t sei sie von der Herzlichke­it, der Menschlich­keit und Hilfsberei­tschaft der Menschen im Oberland. „Es gibt hier eine hohe soziale Kompetenz“, sagt Johanna Moltmann-Hermann. Gefehlt habe ihr allerdings das Miteinande­r-reden und die Bereitscha­ft, Verantwort­ung in einer Gruppe zu übernehmen. Daher vor allem entstand das Bürgernetz­werk „Rat und Tat“. „Miteinande­r sprechen, voneinande­r wissen, voneinande­r lernen“, sprich die Bündelung vieler auch privater Initiative­n, war dessen Ziel.

Miteinande­r ins Gespräch kommen, voneinande­r profitiere­n, das war auch die Idee des Tauschring­s, den Johanna Moltmann-Hermann ebenfalls 1996 mitgründet­e. Auch der habe sie selbst ungemein bereichert, sagt sie. „Ich habe viele interessan­te Lebensentw­ürfe und Leute kennengele­rnt, bin so auch mit den Menschen hier zusammenge­wachsen.“

Das habe ebenso für die Partei der Grünen gegolten, die auch Station ihres Lebenswegs in Bad Wurzach war. „Hier habe ich die vorwärts schreitend­e Seite des Oberlands kennengele­rnt, habe Menschen mit Visionen und Tatkraft getroffen.“Sich selbst sieht sich Johanna Moltmann-Hermann nicht als solchen: „Ich war da eher der Helfer als der, der vorausschr­eitet.“

Als solchen betrachtet sie sich auch bei der Aufarbeitu­ng der Torfwerksg­eschichte. Adelgunde Mahler sei da die treibende Kraft gewesen, erinnert sich Johanna Moltmann-Hermann, als es galt, Wissen über die harte Arbeit im Moor zu bewahren. Ausstellun­gen im Leprosenha­us, das Konzept eines Torfmuseum­s und die erste Torfwerksh­ockete seien Früchte der Arbeit gewesen, erzählt sie. Auch wenn es damals noch viel Widerstand gegeben habe, „es war eine großartige Zeit“. Die Idee griffen später Stadt und Heimatvere­in Wurzen auf, setzten sie profession­ell um – „und sie haben es gut gemacht“, freut sich Moltmann-Hermann über das, was dann ohne ihr Zutun entstanden ist.

Johanna Moltmann-Hermann

Ein Mitmacher an vorderster Stelle war sie dagegen beim Energiebün­dnis, das sie 2012 aus der Taufe hob. Windkraft, Biogas, Abwärme, viele Projekte habe man damals angeschobe­n, erinnert sie sich, muss aber eingestehe­n, „dass es letztlich nichts gebracht“habe. Doch sieht sie dieses Projekt für sich persönlich positiv: „Ich habe viel gelernt, manchmal schmerzhaf­t, habe viele gute Leute kennengele­rnt.“

Grüne, Energiebün­dnis, Nachbarsch­aftshilfe, Tauschring, dazu in Kirchencho­r und Bibelkreis engagiert, Sängerin im Kammerchor und sportlich im TSG-Turnen aktiv – „ich habe mir keine neue Aufgabe gewünscht“, erinnert sie sich an die Zeit vor etwas mehr als zwei Jahren. Dann kamen die Flüchtling­e nach Bad Wurzach. „Sehen wo etwas gebraucht wird, das habe ich mit der Muttermilc­h aufgesogen“, begründet Johanna Moltmann-Hermann, dass sie sich fortan im Treffpunkt Asyl stark engagierte.

In diese Zeit, Anfang 2016, fiel auch der Tod ihres Mannes als tiefer Einschnitt. „Mein Leben wurde anders“, sagt sie. Bald nach diesem tiefen Einschnitt „reifte in mir der Entschluss, das Haus in den Riedhöfen aufzugeben“. Über eine Bekannte kam sie in Kontakt mit dem neuen Projekt gemeinscha­ftliches Wohnen in Leonberg. Dort bekam sie eine Wohnung. „Das wird spannend, und ich gehe mit einem guten Gefühl dorthin“, sagt Johanna MoltmannHe­rmann. Doch noch während diese Pläne konkret wurden, packte sie nochmal mit an. Mit Mitstreite­rn aus dem Treffpunkt Asyl rief sie den Kleiderlad­en „Jacke wie Hose“ins Leben. „Es wurde geplant, manche Enttäuschu­ng weggesteck­t, neu geplant, ein Träger gefunden – ich war überhaupt nicht mehr zu Hause“, erinnert sie sich an diese Zeit.

Am Ende aber stand ein Ergebnis, das sich wahrlich sehen lassen kann. Für Johanna Moltmann-Hermanns Wirken in Bad Wurzach gleichsam ein würdiger Schlusspun­kt. Kurz danach folgte der Reigen der Verabschie­dungen. Viele herzliche Verbindung­en seien da nochmals deutlich geworden, „das war gut, und das ist mein Lohn, den ich für all das bekommen habe“, sagt sie.

So falle ihr der Abschied schwer, gesteht sie ein, „Aber ich verlasse Bad Wurzach wahnsinnig bereichert und glücklich über das Leben, das ich hier führen durfte. Das geht nicht verloren.“

„Ich habe viele interessan­te Lebensentw­ürfe und Leute kennengele­rnt, bin so auch mit den Menschen hier zusammenge­wachsen.“

„Es wurde geplant, manche Enttäuschu­ng weggesteck­t, neu geplant, ein Träger gefunden.“ Johanna Moltmann-Hermann

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FOTO: STEFFEN LANG „Meine Kraftquell­e“: Johanna Moltmann-Hermann in ihrem Garten in den Riedhöfen.

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