Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Erzieherinnen dringend gesucht
Kindertagesstätten brauchen Nachwuchs, doch Bewerbungen gibt es kaum noch
KEMPTEN - Die Zahlen sind alarmierend: Wird in einer Kemptener Kindertagesstätte (Kita) eine Stelle frei, bewerben sich oft nur noch eine Handvoll Erzieherinnen auf den Job. Einige von ihnen sind auch noch fachfremd und dürfen gar nicht eingestellt werden. Dieses Dilemma beschrieb die Leiterin des Amtes für Kindertagesstätten, Marion Haugg, kürzlich im Jugendhilfeausschuss. „Wir haben mit einem massiven Fachkräftemangel zu kämpfen“, sagte Haugg.
In Kempten wachsen die Kitas, so wie etwa Christi Himmelfahrt. Dort wurde das Angebot um eine Krippengruppe erweitert. Woanders entstehen – wie in Hirschdorf – neue Einrichtungen. Dort wird ein Gebäude, das bis 2015 durch die freie Spielstube Kempten als Kita betrieben wurde, neu für eine Kindergartenund eine Krippengruppe hergerichtet. Laut Haugg ist die Eröffnung im Frühjahr 2018 geplant. Träger sind die Johanniter.
Wo mehr Kinder betreut werden, muss auch entsprechend Personal gefunden werden. „Wir haben leider viel mehr Gruppen geschaffen, als Personal gefunden“, sagt Marion Haugg von der Stadt. Dass die Lage ernst ist, bestätigt auch Roland Heinle, Personalleiter bei der Diakonie Kempten: „Unsere Stellen bekommen wir gerade so besetzt.“Die Diakonie ist mit etwa 800 Betreuungsplätzen in sechs Einrichtungen der größte Träger in Kempten. Laut Heinle ist momentan eine Kinderpfleger-Stelle in der Kita Mikado noch offen. Auch die Arbeiterwohlfahrt sucht für ihre Kindertagesstätte in Sankt Mang eine Kinderpflegerin in Teilzeit.
Für die Situation finden die Verantwortlichen verschiedene Erklärungen. Für Amtsleiterin Marion Haugg ist vor allem die lange Ausbildung von insgesamt fünf Jahren ein Problem. Denn Voraussetzung für die dreijährige Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin ist der abgeschlossene Besuch eines zweijährigen sozialpädagogischen Seminars. Währenddessen müssen die Schülerinnen Praktika in verschiedenen sozialpädagogischen Einrichtungen absolvieren. Auch, dass die Auszubildenden kein Geld bekommen, sieht sie problematisch.
Jenny Strof (25) ist Erzieherin in der katholischen Kindertagesstätte Christi Himmelfahrt. Sie übt ihren Beruf trotz alledem gerne aus. Besonders erfüllt sie, zu sehen, „wie gerne die Kinder hierher kommen“. Auch die Abwechslung von pädagogischer Arbeit, Vorschularbeit und etwa der Kontakt zu Schulen und Logopäden mache den Job so vielfältig.
Abiturienten in die Ausbildung
Strof hat die lange Ausbildungszeit auf sich genommen. Doch dazu sind nicht mehr viele junge Menschen bereit. Momentan läuft bayernweit ein Modellversuch namens „Optiprax“, mit dem unter anderem Quereinsteiger und Abiturienten angelockt werden sollen. Anders als in der klassischen Ausbildung bekommen die Teilnehmer eine monatliche Vergütung. Dr. Claudia Spindler von der Fachakademie für Sozialpädagogik in Kempten würde es begrüßen, die dreijährigen Kurse des Modellprojekts auch hier anbieten zu können. Sie beobachtet, dass besonders Abiturientinnen verstärkt an einer Erzieher-Ausbildung Interesse haben: „Nach dem Abitur aber noch eine so lange Ausbildung dranzuhängen, machen nur wenige.“
Besonders schwierig wird es für die Kindertagesstätten, wenn Erzieherinnen plötzlich wegen einer Schwangerschaft ausfallen. Denn ist die Erzieherin nicht ausreichend immun gegen Infektionen, muss sie die Tätigkeit von einem Tag auf den anderen abbrechen. Darüber entscheidet eine Blutuntersuchung. „Das ist für uns natürlich ein großes Problem“, sagt etwa Inge Tremmel von der Kita Bavaria. Denn Vertretungen, die spontan einspringen können, gibt es ihr zufolge für ihre Kindertagesstätten nicht.
Für die Leiterin gibt es nur einen Weg: „Der Beruf muss wieder attraktiver werden.“Dafür brauche es vor allem Entlastung für die Mitarbeiter. Denn immer mehr bürokratische Aufgaben erschwerten den Fokus auf das Wesentliche: die Kinder.