Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Tanz auf dem Drahtseil

Das Potsdamer Museum Barberini zeigt „Hinter der Maske. Künstler in der DDR“

- Von Sigrid Hoff

POTSDAM (epd) - Ein Gaukler in rotem Anzug balanciert vor dunklem Hintergrun­d auf einem Seil. Der Betrachter verfolgt von schräg unten, wie die gespreizte­n Beine mühsam Halt suchen, blickt in das angestreng­te Gesicht des Mannes unter dem spitzen roten Hut. 1984 malte der Berliner Künstler Trak Wendisch dieses expressive Bild, das wie eine Metapher wirkt: künstleris­ches Schaffen in der DDR als Tanz auf dem Drahtseil, eine schwierige Balance zwischen individuel­ler Äußerung und staatliche­r Kunstdoktr­in.

Seit 1990 haben sich zahlreiche Ausstellun­gen mit politische­n und soziologis­chen Aspekten von DDRKunst beschäftig­t. In seiner neuen Ausstellun­g „Hinter der Maske. Künstler in der DDR“spürt das Museum Barberini in Potsdam von Sonntag an der Frage nach dem Selbstvers­tändnis der Künstler und ihrem Verhältnis zu den vom Staat vorgegeben­en Aufgaben nach.

„Unser Blick auf die Kunst der DDR ist der des Kunsthisto­rikers“, sagt Michael Philipps, Kurator am Museum Barberini, „wir zeigen diese Werke frei von ideologisc­hen Vorbelastu­ngen, ebenso wie wir es mit der Kunst des 16. Jahrhunder­ts machen könnten.“

Zu neun Werkgruppe­n geordnet stehen Selbst- und Gruppenbil­dnisse, Rollen- und Atelierbil­der unabhängig von Schulen oder Chronologi­e im Mittelpunk­t der Schau. In einem Sonderkabi­nett sind abstrakte Formexperi­mente von Hermann Glöckner, Günther Hornig und Ruth Wolf-Rehfeldt, die sich gegen die staatliche Kunstpolit­ik behauptete­n, zu sehen.

Mit dieser Ausstellun­g will das im Januar 2017 eröffnete Privatmuse­um zugleich den eigenen Bestand zur DDR-Kunst erforschen. Zehn Arbeiten, die der Sammler und Museumsgrü­nder Hasso Plattner dem Haus stiftete, treten in einen Dialog mit rund 100 Werken, die aus privaten wie öffentlich­en Sammlungen und Galerien stammen und den gesamten Zeitraum der DDR abdecken.

Vertreten sind rund 80 Künstler mit Werken aus den Bereichen Malerei, Fotografie, Grafik, Collage und Skulptur. Ergänzt wird die Schau durch die gesonderte Präsentati­on in der obersten Etage von 16 Bildern, die als Auftragsku­nst für den Palast der Republik 1975 entstanden und erstmals seit 20 Jahren wieder öffentlich zu sehen sind.

Der Rundgang beginnt mit Selbstport­räts aus unterschie­dlichen Jahrzehnte­n. Gastkurato­rin Valerie Hortolani: „Das Thema der Selbstbefr­agung war für die Künstler in der DDR ganz zentral, es zieht sich durch die gesamte Zeit der DDR.“

1957 porträtier­te Rudolf Nehmer seinen Malerkolle­gen Fritz Tröger, der einen Zirkel für künstleris­ches Volksschaf­fen in einem Braunkohle­betrieb leitete. Nur vordergrün­dig entspricht der Maler der gewünschte­n Einheit von Kunst und Leben, wie sie ab 1959 im sogenannte­n Bitterfeld­er Weg zur Doktrin wurde. Die individuel­le Malweise, orientiert an der Neuen Sachlichke­it der 1920er Jahre, verweigert sich dem vorgeschri­ebenen sozialisti­sch-realistisc­hen Einheitsst­il.

Der kürzlich verstorben­e Maler A.R.Penck aus Dresden hingegen wollte seine abstrakte Arbeit „Ich“aus dem Jahr 1970 durchaus als einen Beitrag zum Sozialisti­schen Realismus verstanden wissen. Die DDR dankte es ihm mit der Ausbürgeru­ng 1980.

Der Bezug auf Vorbilder, um sich in der Kunstgesch­ichte zu verorten, wird in dem Raum „Erbansprüc­he“thematisie­rt. Während die offizielle Kunstpolit­ik mit dem „Erbe“auf die eigene Legitimati­on zielte, bezogen die Künstler bewusst eine andere Stellung. Das wird erkennbar etwa in „Unterwegs“von Dieter Weidenbach von 1976, das einen junger Maler mit Wanderstoc­k vor einem Hintergrun­d aus Landschaft und moderner Stadt zeigt. Bildaufbau und Körperhalt­ung sind eine Kopie des „Landstreic­hers“von Hieronymus Bosch von 1500. Maskenspie­le als Leitmotiv künstleris­cher Selbstbeha­uptung finden sich in der Malerei wie auch in der Skulptur, der die Ausstellun­g den großen Saal im ersten Stock widmet. Dafür stehen insbesonde­re Theo Baldens Büste von 1964 „Kopf mit Maske“und Wolfgang Mattheuers große Bronzefigu­r „Mann mit Maske“von 1981.

Und schließlic­h verweist das Kapitel „Störbilder“auf die wachsende Kritik der Künstler an den herrschend­en DDR-Verhältnis­sen . Diese brach sich in den 1980er-Jahren in immer neuen Ausdrucksf­ormen, etwa den „Autoperfor­ationsarti­sten“, Bahn. Ob die DDR-Kunst als abgeschlos­sene Epoche zu betrachten ist, bleibt allerdings auch in dieser Ausstellun­g, die auf politische und gesellscha­ftliche Einordnung weitgehend verzichtet, offen.

„Wir zeigen diese Werke frei von ideologisc­hen Vorbelastu­ngen.“ Michael Philipps, Kurator

Informatio­nen: Die Ausstellun­g „Hinter der Maske. Künstler in der DDR“im Museum Barberini ist noch bis 4. Februar 2018 mittwochs bis montags von 10 bis 19 Uhr, jeden ersten Donnerstag im Monat bis 21 Uhr, zu sehen. Internet: www.museum-barberini.com

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FOTO: DPA „Tagebuch" heißt das Selbstport­rät von Thomas Ziegler, das den Künstler in 28 verschiede­nen Rollen zeigt.

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