Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Ravensburg kämpft gegen Insektensterben
Was Privatleute und Kommunen gegen den Artenrückgang tun können
RAVENSBURG - Eine Studie über den massiven Rückgang der Fluginsekten hat die Welt im Oktober erschüttert. Demnach ging die Biomasse an Insekten innerhalb von 27 Jahren um 75 Prozent zurück. Als Gründe für das „ökologische Armageddon“, wie sich ein britischer Forscher ausdrückte, werden die zunehmende Vernichtung von Lebensraum, der Pestizideinsatz in Landwirtschaft und Gärten und der Klimawandel vermutet. Aber was können Kommunen und Privatleute dagegen tun?
Willi Mayer, Vorsitzender des Nabu Ravensburg, hält pauschale Schuldzuweisungen an die Landwirtschaft für falsch. „Wir kennen mindestens fünf Landwirte, die Blühstreifen entlang ihrer Felder anlegen“– größtenteils Biobauern, aber nicht nur. Jeder einzelne Gartenbesitzer könne etwas tun, um Fluginsekten Nahrung zu bieten und so Teil eines „Mosaiks“zu werden, das Minibiotope miteinander vernetze. Selbst kleinste Lebensräume seien wichtig, damit Insekten auf ihrem Flug einen Haltepunkt haben.
Es sei ratsam, dass man im Garten einige wilde Bereiche lässt, wo höchstens ein bis zwei Mal im Jahr gemäht wird. Im Winter sollte man die Flächen ruhen lassen, weil dortLarven überwintern, die sonst zerhäckselt werden. „Wir sind überzeugt, dass das Problem nur dadurch gelöst wird, dass alle Grundstückseigentümer ihre Flächen daraufhin überprüfen, ob es noch Lebensraum für Insekten und Vögel gibt.“
Bei der Auswahl der Blühpflanzen sollten die Gartenbesitzer auf einheimische Arten setzen. Wenn man nicht weiß, welche das sind: Gute Gärtnereien und Pflanzenschulen und eigentlich auch Geschäfte sollten insektenfreundliche Pflanzen auszeichnen. „Man muss von jedem Fachverkäufer erwarten können, dass er unterscheiden kann zwischen exotischen und einheimischen Pflanzen“, sagt Mayer. Geeignet sind zum Beispiel Margeriten, Thymian, Heidenelken, Salbei, Storchenschnabel, Schmetterlingsflieder, Königskerzen und Herbstanemonen.
Leider würden manche Gartenbesitzer neuerdings allerdings stärker auf Steine als auf Pflanzen setzen, weil das gerade schick sei und wenig Arbeit mache. Total kontraproduktiv seien auch Mähroboter, weil die alles absäbeln, was ihnen in den Weg kommt, eben auch Blumen und blühende Gräser. Privatleute sollten zudem auf Pestizide verzichten. „Wir haben das Thema jahrelang vernachlässigt, jetzt kriegen wir die Rechnung präsentiert.“
Auch Kommunen machen dem Nabu zufolge häufig Fehler, wenn es um die Grünlandpflege geht. So würden die Randstreifen an Straßen zu häufig gemäht, blühende Pflanzen so vernichtet. Die Maht werde dann gerne als Mulch liegengelassen. „Dadurch verändert sich die Pflanzenwelt kolossal“, sagt Mayer
Gut gemeint ist auch nicht immer gut gepflanzt. Wilde Blumeninseln direkt an Landstraßen sehen zwar schön aus, aber Insekten, die dort Nektar tanken, werden anschließend oft von Autos zermatscht. Solche Wiesen sollten deshalb lieber etwas abseits angelegt werden.
Nach Auskunft des städtischen Pressesprechers Alfred Oswald ergreift Ravensburg schon seit etwa 20 Jahren Maßnahmen gegen den Artenrückgang, insbesondere bei Insekten. „Dabei wurde immer erfolgreich mit den örtlichen Naturschutzgruppen des Bund und des Nabu zusammengearbeitet.“Neben Schmetterlingswiesen und Insektenhotels habe die Stadt unter anderem seit 2004 die Pflanzung von Streuobstbäumen regionaler, alter Sorten gefördert.
Weitere Informationen über einheimische, insektenfreundliche Pflanzen gibt es zum Beispiel im Internet unter: