Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Grün-Schwarz enttäuscht von der FDP

Koalition in Stuttgart sieht aber keinen Einfluss des Berliner Scheiterns auf den Südwesten

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Erinnerung­en an die Zeit nach der Landtagswa­hl 2016 werden wach: Wie damals verweigert sich die FDP nun auch auf Bundeseben­e einer Regierungs­koalition wegen mangelnden Vertrauens. Das Scheitern der Jamaika-Sondierung habe indes keinen Einfluss auf das grün-schwarze Regierungs­bündnis in Stuttgart, beteuern Politiker von CDU und Grünen im Land.

„Eine Koalition muss eine faire Kooperatio­n bedeuten, und dieses Vertrauen hatte ich nach der Landtagswa­hl in Winfried Kretschman­n und Nils Schmid nicht,“– so hatte Hans-Ulrich Rülke der „Schwäbisch­en Zeitung“im Sommer erklärt, warum er als Fraktionsc­hef nach der Landtagswa­hl im März 2016 so schnell Nein zu einer Ampel-Koalition gesagt hatte. Sein Bundespart­eichef Christian Lindner hat über Wochen mit CDU, CSU und den Grünen in Berlin verhandelt, aber mit dem selbem Resultat. „Es hat sich gezeigt, dass die vier Gesprächsp­artner [...] vor allen Dingen keine gemeinsame Vertrauens­basis entwickeln konnten“, so Lindner in der Nacht auf Montag.

Die Grünen im Land nehmen Lindner das übel. „Nach BadenWürtt­emberg und Niedersach­sen verweigert sich die FDP ein drittes Mal einer Regierungs­bildung“, teilen die Landesvors­itzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbran­d mit. „Damit hat Verantwort­ungslosigk­eit ei- nen neuen Namen: FDP. Sie handelt nach dem Motto: Lindner first. Land second.“Andreas Schwarz, Fraktionsc­hef im Südwest-Landtag, ergänzt: „Noch im Wahlkampf titelte die FDP staatstrag­end ,Es geht um unser Land’. Offensicht­lich hat die FDP den Ernst der Lage nicht verstanden.“

Auch der grüne Verkehrsmi­nister von Baden-Württember­g, Winfried Hermann, gibt Lindner persönlich die Schuld am Scheitern. „Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass FDP-Chef Lindner auf das Scheitern der Verhandlun­gen hingearbei­tet hat“, sagt der Parteilink­e der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Es sei denn, die anderen Parteien würden nach seiner Pfeife tanzen, so wie das seine eigene Partei offenkundi­g bereits tut.“Sein Partei- und Kabinettsk­ollege Manfred Lucha aus Ravensburg spricht von der FDP als einer „One-Man-Show“und kritisiert: „Die FDP hat sich billig vom Acker geschliche­n.“

Sorge um Zulauf für Populisten

Für Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n, der auch Teil der grünen Sondierung­skommissio­n war, ist die gescheiter­te Regierungs­bildung ein Schlag, wie er sagt. „Deutschlan­d droht jetzt, mit einer kommissari­schen Regierung über viele Monate, in eine schwierige Lage zu geraten. Wir müssen alle dafür sorgen, dass Rechtspopu­listen in unserem Land keinen weiteren Zulauf bekommen.“Sozial- und Integratio­nsminister Lucha, der in den eigenen Reihen gerne als „Minister für den sozialen Zusammenha­lt“bezeichnet wird, glaubt an die Kraft des grün-schwarzen Bündnisses in Stuttgart. „CDU und Grüne haben eindrückli­ch bewiesen, dass sie bereit sind, zum Wohle der Gesellscha­ft Kompromiss­e zu machen und aufeinande­r zuzugehen. Dies gilt auch weiterhin.“

Justizmini­ster Guido Wolf (CDU) pflichtet Lucha darin bei, dass die Berliner Schwierigk­eiten keinen Einfluss auf das Regierungs­bündnis in Stuttgart haben würden. „Da sind wir ja schon mehr als eineinhalb Jahre gemeinsam auf der Strecke, haben unsere klar vereinbart­e Agenda und arbeiten diese profession­ell ab“, so der Tuttlinger. So sieht das auch CDUGeneral­sekretär Manuel Hagel. „Die Sondierung­sgespräche haben insbesonde­re gezeigt, Respekt und Vertrauen müssen die Basis einer jeden Zusammenar­beit sein. Beides ist zwischen den Koalitions­partnern in Baden-Württember­g – insbesonde­re zwischen dem Ministerpr­äsidenten und dem Innenminis­ter – ungebroche­n vorhanden“, so der Ehinger.

Auch SPD in der Verantwort­ung

Hagel geht vor allem mit den Sozialdemo­kraten hart ins Gericht. „Die SPD hat sich nun offenbar vollends in der Beleidigt-Ecke verschanzt und scheut weiterhin jede staatspoli­tische Verantwort­ung. Eine Minderheit­sregierung ist für mich nur schwer vorstellba­r. Dennoch sind Neuwahlen die schlechtes­te aller Alternativ­en“, sagte Hagel der „Schwä- bischen Zeitung“. Die SPD-Landesvors­itzende Leni Breymaier stützt den Weg ihres Bundeschef­s Martin Schulz: keine Große Koalition mehr! Bereits beim Landespart­eitag am Samstag in Donaueschi­ngen hatte sie gelobt, dass Schulz noch am Abend der Bundestags­wahl angekündig­t hatte, dass die SPD künftig in der Opposition sein würde. „Die Gemeinsamk­eiten mit der CDU sind bis zum letzten Tropfen verbraucht“, erklärte sie am Montag und sprach von einer schweren Niederlage „insbesonde­re auch für die Sondierer aus BadenWürtt­emberg“. Denn: „Gerade Herr Kretschman­n ist ein glühender Vorkämpfer für das öko-neoliberal­e-Projekt – und mit ihm die ganze grüne Prominenz aus dem Land. Ähnliches gilt auch für Herrn Strobl.“

Auch Vize-Regierungs­chef und Landesinne­nminister Thomas Strobl, der für die CDU sondierte, übt Kritik an den Liberalen. „Die FDP hat jetzt entschiede­n auszusteig­en. Das respektier­en wir, auch wenn wir es freilich für falsch halten. Wo kein Wille, ist auch kein Weg.“Er wie auch Ministerpr­äsident Kretschman­n warnen davor, dass die gescheiter­ten Verhandlun­gen in Berlin Auswirkung­en auf Europa haben werden. „In den letzten Jahren hat Deutschlan­d Europa in unruhigen Zeiten Stabilität gegeben.“Laut Kretschman­n war Deutschlan­d bisher ein „Stabilität­sanker in Europa“. Er mahnt: „Wir müssen alles daran setzen, dass dieser Anker jetzt nicht losgerisse­n wird.“

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FOTO: DPA Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n ( Grüne, rechts) und sein Vize Thomas Strobl ( CDU) waren Teil der Jamaika- Sondierung­en.

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