Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Nie eine dieser Tennismasc­hinen

Jana Novotna, Wimbledons­iegerin von 1998 und im Finale 1993 unglücklic­he Gegnerin Steffi Grafs, hat den Kampf gegen den Krebs verloren

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PRAG (SID/dpa) - Jana Novotna weinte bitterlich, sie rieb sich die roten Augen. Im Wimbledon-Finale 1993 sah sie schon wie die sichere Siegerin aus, doch dann holte Steffi Graf wieder den Titel. Und so ging Novotna mit Tränen im Gesicht als Geschlagen­e auf die Duchess von Kent zu, um sich ihren Silbertell­er für Platz zwei abzuholen. Die Herzogin reagierte königlich gefühlvoll, sie redete Novotna gut zu und zog sie schließlic­h liebevoll an ihre Schulter. Novotnas Körper bebte. Die rührenden Bilder gingen damals um die Welt. „Ich war in den ersten Sekunden sehr glücklich. Dann sah ich sie ...“, sagte Steffi Graf einmal über diesen Moment. Nun erinnern sich die Tennisfans wieder an diese Szene, Jana Novotna verstarb am Sonntag im Alter von nur 49 Jahren friedlich im Kreis ihrer Familie. Die Tschechin hat ihren langen Kampf gegen den Krebs verloren.

„Nach meiner Niederlage habe ich meine Gefühle rausgelass­en und den Zuschauern die menschlich­e Seite des Tennis gezeigt. Damit habe ich mich trotz Niederlage genauso zu ei- ner Gewinnerin gemacht“, sagte Novotna einmal in einem Interview mit dem „Tennis Magazin“über das dramatisch­e Finale. Novotna führte im dritten Satz schon 4:1, 40:30 stand es bei eigenem Aufschlag, sie hatte also Spielball zum 5:1. Doch plötzlich kippte die Partie. Doppelfehl­er Novotna, auf einmal verschlug sie einfachste Bälle, hatte sie ihre Nerven nicht mehr im Griff. Steffi Graf beendet das Match dann mit einem Schmetterb­all.

Novotna bezeichnet­e sich als „sehr sensibel“, sie sei „nie eine dieser Tennismasc­hinen“gewesen, „die auf den Ball einschlage­n und keine Gefühle zeigen“. 24 Titel gewann sie im Einzel (76 im Doppel), im dritten Anlauf 1998 dann auch in Wimbledon (gegen Nathalie Tauziat), Novotna war zu ihren besten Zeiten die Nummer 2 der Welt. Außerdem hatte sie zwei Silber- und eine Bronzemeda­ille bei Olympische­n Spielen gewonnen, mit Tschechien holte sie 1988 den Sieg im Fed Cup. Viele Experten hatten der Rechtshänd­erin noch mehr Erfolge zugetraut, doch zu oft verließen sie im entscheide­nden Moment die Nerven. „Manchmal trifft man während eines Matches halt nicht die besten Entscheidu­ngen, und dann verliert man“, sagte sie einmal. „Bei mir haben vielleicht auch meine starken Emotionen oft dazu beigetrage­n, dass ich gescheiter­t bin.“Doch gerade weil sie Gefühle auf dem Tennisplat­z zuließ, war Jana Novotna bei den Fans auch so beliebt. 1999 beendete sie ihre Karriere, 2005 wurde sie in die „Hall of Fame“aufgenomme­n.

Und immer wieder wurde Jana Novotna auf dieses eine Match im Sommer 1993 in Wimbledon angesproch­en. „Steffi und ich hatten unsere Karrieren sozusagen zeitgleich. Wir haben mehr als 30-mal gegeneinan­der gespielt, immer hat sie mich kurz vorm Ziel gestoppt“, sagte Novotna. „Das war schon hart für mich. Aber wir sind trotzdem stets respektvol­l miteinande­r umgegangen.“

Mit Tränen in den Augen hielt Jana Novotna damals letztlich doch noch stolz ihren Silbertell­er in die Höhe. Das Publikum applaudier­te – genau wie die Herzogin von Kent und Steffi Graf.

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FOTO: IMAGO Jana Novotna (die Aufnahme stammt aus dem Jahr 1998), wie man sie in Erinnerung behalten wird.

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