Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Frankreich blickt gespannt zu den Nachbarn

Das Scheitern der Koalitions­gespräche bremst auch Emmanuel Macron aus

- Von Christine Longin

PARIS - Die Karikatur zeigt Emmanuel Macron und Angela Merkel beim Eiskunstla­uf. Während der französisc­he Präsident eine elegante Figur abgibt, strampelt die Bundeskanz­lerin bei der Hebefigur ungelenk mit beiden Beinen in der Luft. „Europa: Aufschub für die Aufgabe von Macron“titelt die Zeitung „Opinion“zu der Zeichnung. Dass der Abbruch der Jamaika-Verhandlun­gen kein gutes Zeichen für die Europa-Pläne des Staatschef­s sind, ist in Frankreich allen klar. Nur zwei Tage nach der Bundestags­wahl hatte Macron in einer engagierte­n Rede an der Sorbonne eine „Neugründun­g“der EU gefordert, die er gemeinsam mit Merkel in Angriff nehmen wollte. Doch die Kanzlerin ist nun so angeschlag­en, dass sie für das ehrgeizige Projekt kaum noch als Partnerin taugt.

Stillstand statt Veränderun­g

„Präsident Macron und viele andere erwarteten von der vierten Amtszeit Merkels den Schlüssel zu einem unerlässli­chen Neustart Europas. Sie finden sich mit einer Frau wieder, die die Geschäfte führt und deren politische Zukunft so wenig sicher erscheint wie die von Theresa May“, schreibt der konservati­ve „Figaro“. Dabei hatte es nach Macrons Wahl so ausgesehen, als sei der Moment für Veränderun­gen gekommen: Eine Neuauflage der Großen Koalition mit der SPD sollte seine Pläne in Berlin durchsetze­n helfen, so seine Wunschvors­tellung. Eine Rundumerne­uerung der alten Dame Europa hätte gerade rechtzeiti­g vor dem Europawahl­kampf 2019 in Angriff genommen werden können.

„Wichtig ist, dass wir dieselbe Gesprächsp­artnerin behalten, nämlich die Kanzlerin“, hieß es nach der Bundestags­wahl im Elysée. Doch selbst das ist inzwischen nicht mehr sicher. Aus Macrons Feuerwerk der Ideen droht deshalb nur ein kleiner Knallfrosc­h zu werden. Deutschlan­d und Frankreich sind wieder einmal nicht im Takt. Auf der einen Seite jugendlich­e Ungeduld, auf der anderen Stillstand. Dabei war es jahrelang Merkel gewesen, die auf Bewegung beim Nachbarn gewartet hatte. Die Kanzlerin hatte sich nach einem Präsidente­n gesehnt, der die eigenen Staatsfina­nzen in Ordnung bringt und mit ihr die EU anführt.

Nicolas Sarkozy war dafür zu sehr auf Selbstinsz­enierung bedacht und François Hollande zu schwach. Erst mit Macron zog ein Staatschef in den Elysée ein, der Deutschlan­d als echten Partner ansah. Doch für Merkel kam der 39-Jährige fast schon zu spät. Der Bundeskanz­lerin waren durch die Koalitions­verhandlun­gen häufig die Hände gebunden.

Abbruch könnte Chance sein

Deren Scheitern blockiert nun Macrons Europaplän­e. Noch bewahren sich die französisc­hen Pro-Europäer einen kleinen Funken Hoffnung. Schließlic­h war ja vor allem die FDP der Bremsklotz für das Projekt des Präsidente­n. „Wenn sie (Merkel) sich mit den Liberalen verbündet, bin ich tot“, zitierte „Le Monde“Macron vor der Wahl. Vergangene Woche beschwor er das Engagement aller künftigen Koalitionä­re für eine Erneuerung des europäisch­en Projekts. Eine Bemerkung, die klar auf die FDP gemünzt war.

„Was, wenn das Scheitern der Jamaika-Koalition nicht zwangsweis­e eine schlechte Nachricht wäre?“fragt die Zeitung „Libération“. Ohne die FDP habe die Kanzlerin schließlic­h freie Hand in der Europapoli­tik – beispielsw­eise mit der SPD oder den Grünen als Partner. Bis jedenfalls auch für die Franzosen Gewissheit herrscht, ist es noch ein weiter Weg.

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FOTO: AFP Emmanuel Macron und Angela Merkel schätzen sich sehr. Der französisc­he Präsident braucht die Kanzlerin für seine Reformvorh­aben in der Europäisch­en Union.

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