Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

EU sorgt sich um Stabilität

Reformplän­e in Brüssel könnten aufgeschob­en werden

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BERLIN/BRÜSSEL (dpa) - Deutschlan­d, das war der ewig in sich ruhende Pol in der Mitte Europas. Für viele verlässlic­her

Partner, für einige auch ungeliebte­r Zuchtmeist­er, aber doch immer zumindest berechenba­r. Die Situation erwischt die Partner in der Europäisch­en

Union und der internatio­nalen Gemeinscha­ft kalt.

Viele machen sich Sorgen.

Viele Politiker und Diplomaten hielten sich nach dem Jamaika-Debakel erstmal bedeckt. Die EU-Kommission beteuerte offiziell ihr Vertrauen in die verfassung­smäßige Ordnung und die Stabilität in Deutschlan­d. Unter der Hand sagten Diplomaten, es sei zu früh, die Lage exakt einzuschät­zen. Luxemburgs Außenminis­ter Jean Asselborn meldete sich in der „Welt“fast trotzig zu Wort: „Deutschlan­d ist das letzte Land, das es sich leisten kann, in Regierungs­instabilit­ät zu verfallen. Seine Rolle in der Welt und in Europa verbietet dies.“

Die Regierung Merkel ist seit der konstituie­renden Sitzung des Bundestags Ende Oktober nur noch geschäftsf­ührend im Amt. In einer solchen Phase des Übergangs ist Zurückhalt­ung geboten – aus Respekt vor der Nachfolger­egierung, der man keine Entscheidu­ngen vorwegnehm­en will. Auf der internatio­nalen Bühne ist Deutschlan­d ganz normal bei Ministertr­effen und Gipfeln vertreten und ohne Vorbehalt an Entscheidu­ngen beteiligt. Allerdings kann eine Regierung, die als Auslaufmod­ell gilt, weniger selbstbewu­sst auftreten. Bei einer längeren Hängeparti­e kann das zum Problem werden.

Die Weltlage scheint seit der Wirtschaft­s- und Flüchtling­skrise und seit dem Brexit-Votum wirr und unberechen­bar. Nur die EU fasste gerade wieder Mut und hatte sich große Reformen vorgenomme­n. Mit einem eng getakteten Gipfel-Kalender wollte sie voranmarsc­hieren und vor der Europawahl 2019 unter anderem die Eurozone stärken. Die EU-Kommission hält an Reformproj­ekten fest. „Europa wird nicht pausieren“, sagte Jean-Claude Junckers Sprecher Margaritis Schinas am Dienstag. Am 6. Dezember würden wie geplant Reformvors­chläge für die Eurozone präsentier­t.

Eurozonen-Gipfel am 15. Dezember

Ohne funktionie­rende Regierung in Berlin seien verbindlic­he Entscheidu­ngen in Brüssel nicht möglich, meint Guntram Wolf von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel: „Die Verhandlun­gen über die Zukunft Europas sind verschoben.“Selbst wenn der Eurozonen-Gipfel am 15. Dezember stattfinde­t, dürfte wenig dabei herauskomm­en. Diese Hängeparti­e für die Nachbarlän­der Deutschlan­ds könnte sich bis Ostern hinziehen.

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FOTO: DPA Jean Asselborn

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