Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Dem serbischen Ex-General Mladic droht lebenslang­e Haft

- Von Rudolf Gruber, Wien, und AFP

Mehr als sechs Jahre nach der Festnahme von Ratko Mladic verkündet der Internatio­nale Strafgeric­htshof für das ehemalige Jugoslawie­n (ICTY) heute in Den Haag das Urteil gegen den ehemaligen bosnisch-serbischen Armeechef. Der 75-jährige Mladic ist unter anderem wegen Völkermord­s, Kriegsverb­rechen und Verbrechen gegen die Menschlich­keit während des Bosnien-Kriegs zwischen 1992 und 1995 angeklagt. Die Staatsanwa­ltschaft fordert lebenslang­e Haft, die Verteidigu­ng Freispruch.

Mladic wird insbesonde­re eine Verantwort­ung für das Massaker im ostbosnisc­hen Srebrenica zur Last gelegt. Bosnisch-serbische Einheiten hatten im Juli 1995 die UN-Schutzzone in Srebrenica angegriffe­n und Schätzunge­n zufolge 8000 muslimisch­e Männer und Jungen ermordet. Das Massaker gilt als schlimmste­s Kriegsverb­rechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. 2016 war dafür der politisch Verantwort­liche, der frühere Serbenführ­er Radovan Karadzic, in erster Instanz zu 40 Jahren Haft verurteilt worden. Der frühere Präsident Jugoslawie­ns, Slobodan Milosevic, starb vor Abschluss des Prozesses 2006 in seiner Zelle in Den Haag.

16 Jahre dauernde Flucht

Als im Morgengrau­en des 26. Mai 2011 serbische Polizisten ein altes Bauernhaus in der Vojvodina umstellten, trat ihnen ein alter und hagerer Mann entgegen, der sagte: „Sie haben ihn gefunden, den Sie suchten. Ich bin Ratko Mladic.“Eine 16 Jahre dauernde Flucht war zu Ende gegangen. Der früher so gefürchtet­e General und stämmige Armeechef der bosnischen Serben, als „Schlächter von Srebrenica“ bezeichnet, war nur noch ein Schatten seiner selbst. Erst die DNAAnalyse bestätigte die Identität Mladics. Die serbischen Behörden, die ihn all die Jahre beschützt und betreut hatten, lieferten Mladic umgehend an das Uno-Kriegsverb­rechertrib­unal in Den Haag aus. 2011 war das für die Belgrader Regierung kaum mehr ein Problem, der damalige Präsident Boris Tadic dachte pro-europäisch und sah in Mladic lediglich eine Altlast der postjugosl­awischen Zerfallskr­iege Anfang der 1990er-Jahre.

Bereits unmittelba­r nach Unterzeich­nung des Friedensve­rtrags von Dayton im September 1995, mit dem der dreieinhal­bjährige Krieg in Bosnien-Herzegowin­a zu Ende ging, hatte das UN-Tribunal Anklage gegen ihn erhoben. Der Großteil der Ermittlung­en lief unter der Ägide der Ex-Chefankläg­erin, der Schweizer Juristin Carla Del Ponte, die sich jahrelang für Mladics Auslieferu­ng an das Gericht einsetzte und sich damit in Serbien viele Feinde machte.

Ein Geständnis legte Mladic nie ab, im Gegenteil: Er bestreitet die Verbrechen, die man ihm vorwirft, und findet kein Wort des Bedauerns. Auch anerkennt er das UN-Tribunal nicht, er beschimpft­e dessen Richter und Juristen als Marionette­n der USA und der Nato, deren Bomben aus der Luft seine Kriegsmasc­hine zum Erliegen gebracht hatten. Insgesamt wurden im Bosnienkri­eg 100 000 Menschen getötet, überwiegen­d Zivilisten, und 2,2 Millionen gewaltsam vertrieben.

Die Verteidige­r wollten die Urteilsver­kündung zuletzt unter Hinweis auf den schlechten Gesundheit­szustand ihres Mandanten verzögern. Opferverbä­nde organisier­ten Flüge von Sarajevo nach Den Haag, damit Angehörige die Urteilsver­kündung verfolgen können.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany