Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Kaufpreise gehen immer schneller hoch
Anstieg im zweistelligen Prozentbereich – Mietmarkt in Isny und Wangen „leergefegt“
LEUTKIRCH/ISNY/WANGEN - Von einem „unfassbaren Druck auf die Wohnungsmärkte“spricht der Isnyer Immobilienmakler Sebastian Igel angesichts der jüngsten Zahlen einer Statistik, die sein Büro seit 2015 zur Kauf- und Mietpreisentwicklung bei bestehendem Wohnraum erstellt. Unter der Lupe liegt das „Kerngebiet“der Geschäftstätigkeit von Igel und seinem Partner Patrick Kaufmann: das Westallgäu mit Leutkirch, Isny, Wangen und dem bayerischen Lindenberg.
Anfang November habe der Immobilienverband IVD vermeldet, dass in den deutschen Großstädten erste Anzeichen für ein Nachlassen der Preisdynamik zu erkennen sind. „Für die vier großen Westallgäuer Gemeinden stellen wir jedoch das Gegenteil fest“, sagt Igel: „Die durchschnittlichen Kaufpreise für angebotene Wohnungen im Bestand sind noch einmal schneller und zum zweiten Mal in Folge jeweils zweistellig angestiegen.“
Lindenberg ist dabei Spitzenreiter mit einem Halbjahresplus von 14,9 Prozent, es folgen Wangen (12,5), Leutkirch (11,4) und Isny mit immer noch zweistelligen 10,8 Prozent. Wohnungen im Bestand würden in Wangen durchschnittlich für „jetzt beinahe 2500 Euro pro Quadratmeter“angeboten, in Lindenberg für rund 2200 Euro, in Isny liege der Quadratmeterpreis bei etwa 1940 Euro und in Leutkirch bei rund 1860 Euro. Igels warnendes Fazit: „Ein Zulegen bei den Kaufpreisen um über zehn Prozent ist nicht gesund. Wir können nicht ewig um zehn Prozent wachsen, wenn die Steigerung bei den Einkommen um die zwei, drei Prozent liegt.“
Erstaunlicher Sprung bei den Mietpreisen
„Auch die Mietpreise für Wohnungen im Bestand legen weiterhin deutlich zu“, haben Igel und Kaufmann ermittelt. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum steche Isny mit einem „erstaunlichen Sprung“beim Mietpreiszuwachs von sechs Prozent heraus – Wohnungen kosteten durchschnittlich 6,90 Euro pro Quadratmeter. In Leutkirch und Lindenberg stiegen die Mieten um je 3,6 Prozent, Wangen verzeichne ein Plus von 3,4 Prozent.
In Zahlen bedeute das im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2016: Die durchschnittlichen Mietpreise in Wangen stiegen auf rund 7,90 Euro pro Quadratmeter, in Lindenberg auf 7,50 Euro und in Leutkirch auf 6,60 Euro. Die Ursachen sind laut Sebastian Igel vielfältig. Eine bundesweit „normale Entwicklung“sei, dass „der Pro-Kopf-Verbrauch an Wohnraum seit dem Zweiten Weltkrieg kontinuierlich ansteigt“. Das liege vor allem an steigenden Einkommen und der Zunahme der Single-Haushalte. Im untersuchten Gebiet befeuere aktuell die wirtschaftlich positive Entwicklung der Unternehmen die Nachfrage, hinzu kämen „Einmaleffekte wie eine Ansiedlung von Center Parcs oder eine Flüchtlingswelle wie 2015“.
Landschaft reizt „Spät-Einsiedler“, weiterer Zuzug erwartet
Hinzu kämen die landschaftlichen Reize, die „Spät-Einsiedler“, wie Igel sie nennt, dazu bewögen, hier Wohnraum zu kaufen oder zu mieten: Auswärtige mit Zweitwohnungen für die Ferien, Kurgäste der Reha-Kliniken, die sich nach einem Aufenthalt in der Gegend umsähen, aber auch Absolventen der Isnyer NTA, die nach dem Studium hier blieben oder später zurückkämen. Das Statistische Landesamt prognostiziere weiteren Zuzug.
Bei Mietwohnungen gebe es zwar immer wieder Wechsel, aber, sagt Igel, „die Hauptmärkte in den vier Städten sind unterversorgt – in Isny ist der Mietmarkt leergefegt und in Wangen ist es noch schlimmer“. Dabei sei Wohnraum durchaus vorhanden: „Im Stadtbereich gibt es sehr viele Wohnungen, die leerstehen, die man renovieren müsste“; und als „Klassiker“bezeichnet Igel leerstehende Einliegerwohnungen, weil viele Eigentümer schlechte Erfahrungen mit Mietern gemacht hätten.
Er regt eine „Aktivierungspauschale“an – Zuschüsse der Kommunen für Instandsetzungen. Oder, dass Initiativen wie jene der Caritas in Ravensburg und Weingarten (SZ vom 28. November, Oberschwabenseite), die zwischen Eigentümern und Suchenden vermitteln will, auch andernorts Schule machen. In München etwa gibt es einen Verein, der einen Tausch vermittelt zwischen älteren, meist alleinstehenden Menschen mit zu großen Wohnungen und Familien, die mehr Raum benötigen. „Oberstes Ziel müsste sein, bestehenden Wohnraum zu reaktivieren“, appelliert Igel auch an den Gesetzgeber, so würden weniger Flächen versiegelt und weniger Baustoffe benötigt.
Denn gebaut wird in der Region kräftig. Allein in Isny entstehen nach Auskunft von Bürgermeister Rainer Magenreuter aktuell 200 Wohneinheiten neu. Doch auch hier sieht Igel Probleme: Beim sogenannten „Stellplatzschlüssel“für Pkw gebe es Kommunen, die bei ihren Vorgaben noch über Erfordernisse der Landesbauordnung hinausgingen. So stünden Bauherren beispielsweise mit zwei Parkplätzen pro Wohneinheit im Isnyer Neubaugebiet Lohbauerstraße vor der Entscheidung: „Entweder kostet mich Wohnraum Geld, oder ich mach’s nicht“, weiß Igel.
Quelle und Datengrundlage: Sowohl die Kauf- als auch die Mietpreise, die Sebastian Igel und Patrick Kaufmann erfassen, beruhen auf Angebotspreisen für Wohnungen im Bestand, eingestellt beim deutschen Marktführer für Immobilienangebote im Internet (Immobilienscout24.de). „Die Angebotspreise werden laufend durch aktuelle Abschlusspreise bestätigt“, erläutert Sebastian Igel. Im Immobilienmarktbericht zum zweiten Halbjahr 2017 werden Preise vom dritten Quartal 2017 mit den Preisen des dritten Quartals 2016 verglichen. (sts)