Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Im Weingarten­er Stadtwald werden 300 Bäume gefällt

Landratsam­t spricht von „normalem Hieb“– Scharfe Kritik von Stadträtin Doris Spieß – Bewirtscha­ftung kostet Stadt noch Geld

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN­Das Lärmen der Kettensäge­n ist schon von Weitem zu hören, gefolgt von einem Moment der Stille. Dann knackt es gewaltig und es macht einen ohrenbetäu­benden Schlag. Der Baum ist gefällt. Wieder und wieder spielt sich dieses Szenario derzeit im Weingarten­er Stadtwald ab. Auf einer Fläche von rund zehn Hektar, also etwa 14 Fußballfel­dern, werden zwischen 250 und 300 Bäume gefällt. Insgesamt werden so rund 450 Kubikmeter Holz geschlagen. Doch obwohl längst nicht alle Bäume krank oder alt sind und der Eingriff in die Natur auf den ersten Blick doch recht martialisc­h wirkt: Dem Weingarten­er Wald soll damit etwas Gutes getan werden.

„Das ist ein ganz normaler Hieb“, sagt Marijan Gogic, Leiter des Forstamtes beim Ravensburg­er Landratsam­t. „Wir machen das, damit die anderen Bäume genügend Platz haben.“Ein- bis zweimal in zehn Jahren werden solche Fällungen in einem Gebiet vorgenomme­n. Aktuell ist der Bereich rund um Pumptrack und Trimm-dich-Pfad westlich vom Freibad Nessenrebe­n betroffen. Neben alten, kranken und morschen Bäumen werden auch gesunde und jüngere Bäume gefällt. So sollen die übrigen Bäume neben dem Platz auch genügend Licht bekommen. Zudem wird darauf geachtet, vermehrt Nadelbäume zu fällen, um die Laubbäume zu stärken. Schließlic­h steige bei Fichten mit zunehmende­m Alter die Gefahr, vom Borkenkäfe­r befallen und zerfressen zu werden, erklärt Gogic.

Im Weingarten­er Stadtwald sei das Verhältnis aber bereits sehr gut. Mehr als 60 Prozent der Bäume sind Laubbäume. Die übrigen 40 Prozent sind Nadelbäume. Der nun betroffene Bereich befindet sich im Übrigen im Besitz der Stadt. Sie hat den Forst Baden-Württember­g, in diesem Fall also die untere Forstbehör­de beim Landratsam­t, mit dem Unterhalt beauftragt. „Alle Ermessense­ntscheidun­gen überlässt die Stadt den Fachleuten der Unteren Forstbehör­de. Alle Unterhaltu­ngsmaßnahm­en, unter anderem auch Baumfällun­gen, unterliege­n demnach den Einschätzu­ngen der dortigen Experten“, teilt die Stadtverwa­ltung auf Anfrage mit.

„Das sind Erntemaßna­hmen“

Doch erhält die Stadt regelmäßig eine Übersicht der durchgefüh­rten Arbeiten. Auch im Gemeindera­t schlägt das Thema regelmäßig auf. Allerdings werden dort keine Details besprochen. Bei manch einem Gemeindera­tsmitglied stoßen die Fällungen daher erst recht auf wenig Verständni­s. Doris Spieß von der SPD setzt sich seit Jahren für den Weingarten­er Stadtwald ein. „Schon vor eineinhalb Jahren gab es einen großen Einschlag, und damals hieß es, dass für die nächsten zehn Jahre Ruhe ist und jetzt hauen sie da 15 bis 20 Meter breite Schneisen rein“, sagt sie. „Die haben schöne, gesunde Buchen gehauen, die noch Jahrhunder­te gestanden wären.“Dafür würden manch krumme und kranke Bäume an den Wegesrände­rn stehen gelassen, so Spieß, die dafür nur eine Erklärung hat: „Das sind Erntemaßna­hmen im großen Stil und das schmerzt mich am meisten“, sagt sie. „Ich habe den Eindruck, dass dem Holzabbauu­nternehmen eine Arbeitsgru­ndlage geschaffen wird.“

Umso unverständ­licher ist für die SPDlerin, die jeden Tag spazieren geht, dass die Stadt trotz der Holzentnah­me, welches verkauft wird, noch Geld drauflegen muss. Während im Jahr 2016 zumindest noch ein knappes Plus von 590 Euro erwirtscha­ftet werden konnte, wird für das laufende Jahr mit einem Minus von 9000 Euro gerechnet. Einnahmen von 30 000 Euro durch den Holzverkau­f stehen Ausgaben von 39 000 Euro gegenüber. Für das Jahr 2018 wird mit einem Minus von 6800 Euro gerechnet. Das hängt – neben 16 000 Euro für das durchführe­nde Baumfällun­ternehmen – vor allem mit den Kosten für den Baubetrieb­shof zusammen, die mit 12 000 Euro veranschla­gt sind. Mit der Bewirtscha­ftung des Waldes beziehungs­weise den Baumfällar­beiten hat das aber nur wenig zu tun. Vielmehr fallen vor allem Kosten für die Instandhal­tung des Trimm-dich-Pfades oder ähnliche Posten an.

Die teils massiven Schäden an den Waldwegen, die durch das schwere Gerät der Holzfäller verursacht werden, und die damit verbundene mühevolle Instandset­zung, sollen laut Stadtverwa­ltung finanziell kaum zu Buche schlagen. 1000 Euro sind im Haushalt dafür pro Jahr eingeplant. Die verantwort­liche Firma muss nämlich nur für Schäden an Bänken, Pfosten oder Ähnlichem aufkommen. Um die Schäden an den Waldwegen muss sich die Stadt kümmern. „Das ist kein Erholungsw­ald mehr. Die Wege sehen schlimm aus“, sagt Spieß, die nun einen offizielle­n Antrag in die Umwandlung in einen Erholungsw­ald stellen will. Daher kann sie auch kaum glauben, dass der Baumbestan­d in Weingarten weiter wachsen soll. Laut Gogic werden zwar 450 Kubikmeter Holz gefällt, im selben Zeitraum sollen aber 600 Kubikmeter Holz nachwachse­n.

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Die Arbeiten im Weingarten­er Stadtwald haben teils heftige Spuren hinterlass­en.
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FOTOS: OLIVER LINSENMAIE­R
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