Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Und er verhandelt doch
Ryanair-Boss Michael O'Leary will mit Piloten und Gewerkschaften sprechen
LONDON - Bis vor wenigen Tagen war von totaler Kompromisslosigkeit die Rede. Am Freitag aber warf Europas größte Airline nach Passagierzahlen den Steuerknüppel herum: Unter dem Druck von Streiks in der Vorweihnachtszeit will Ryanair nun doch mit seinen Piloten verhandeln. Dies stelle einen „erheblichen Wandel“dar, liess Vorstandschef Michael O'Leary verlauten. „Aber wir haben uns auch früher schon radikal verändert.“
Der Kehrtwende liegt ein Eingeständnis zugrunde: Schon die Spekulation über mögliche Streiks in der Vorweihnachtszeit hat dem Dubliner Billigflieger geschadet; tatsächliche Arbeitskämpfe hätten erhebliche wirtschaftliche Einbußen zur Folge. In seiner Pressemitteilung sprach das Unternehmen aber vor allem davon, es wolle „Sorgen von unseren Kunden abwenden“. Damit setzt Ryanair jene Piloten in Irland, Italien und Deutschland unter Druck, die zuletzt Warnstreiks angedroht hatten. Die italienische Pilotengewerkschaft hat einen für Freitag geplanten Streik daraufhin abgesagt.
Dass der sonst stets wortgewaltige Ryanair-CEO, der sich selbst in typischer Unbescheidenheit einen „großartigen Verhandler“nennt, nun bescheiden auftritt, dürfte der seit Monaten schwelenden Krise im Unternehmen geschuldet sein. Im Herbst mußte Ryanair Tausende von Flügen streichen. Grund waren schlecht geplante Dienstpläne und unzufriedene Piloten, die erstmals auf den ihnen zustehenden Urlaub pochten.
Forderungen nach gewerkschaftlicher Vertretung für ihre Angestellten hatte die 1985 gegründete Firma stets abgeschmettert. Stattdessen wurden Komitees für Beschäftigte gegründet. Auch das jetzige Zugeständnis – es gilt neben den Standorten in Irland, Italien und Deutschland auch für Grossbritannien, Spanien und Portugal – soll nur unter der Voraussetzung gelten, daß die Gewerkschaftsvertreter allesamt für Ryanair arbeiten.
Jetzt hofft O'Leary auf eine Einigung „bald im neuen Jahr“. Das Vertrauen der Kapitäne wird sich das Unternehmen allerdings erst erarbeiten müssen: Schließlich teilte der Boss ihnen in der Vergangenheit gern mit, sie seien überbezahlt oder gar unnötig. Jedenfalls Co-Piloten seien bei den heutigen vollautomatisierten Jets eigentlich überflüssig, glaubt der gelernte Buchprüfer: „Der Computer übernimmt sowieso weitgehend das Fliegen.“
O'Leary, 56, ist nicht nur wegen seiner flotten Sprüche und herzhaften Flucherei ein Liebling der Londoner Wirtschaftspresse. Das Unternehmen fliegt auch häufig zweistellige Umsatzrenditen ein, von denen Konkurrenten wie Lufthansa oder AirFrance-KLM nur träumen können.