Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Regionalverband nimmt Sorgen der Bürger auf
SPD-Fraktion scheitert knapp mit dem Antrag, bei der Stellungnahme das Zielabweichungsverfahren zum Kiesabbau in Baienfurt abzulehnen
BAIENFURT - Bei der Verbandsversammlung des Regionalverbandes Bodensee-Oberschwaben am Freitag in Baienfurt stand der Kiesabbau beim Vogter Teilort Grund (Altdorfer Wald) im Mittelpunkt. Wie mehrfach berichtet, will dort die Kiesgesellschaft Karsee auf einem elf Hektar großen Areal Kies abbauen. Damit das Unternehmen nach Wunsch möglichst noch vor der Fertigstellung der Fortschreibung des Regionalplans mit Graben beginnen kann, hat es einen Antrag auf ein Zielabweichungsverfahren beim Regierungspräsidium Tübingen (RP) gestellt. Dieses Verfahren läuft nun seit November.
Jetzt sind die Träger öffentlicher Belange, also sämtliche betroffene Kommunen und Interessenverbände, aufgefordert, ihre Stellungnahme abzugeben – auch der Regionalverband. Und um genau diese Stellungnahme ging es bei der Verbandsversammlung. Die Wortmeldungen und letztlich auch das Abstimmungsverhalten aus den Fraktionen der Versammlung machten deutlich, wie emotional dieses Thema ist. Zur Sitzung kamen auch rund 60 Zuhörer. Die meisten waren Gegner des Kiesabbaus, die nach manchen Wortmeldungen applaudierten. Schon zu Beginn der Sitzung verzichtete der gastgebende Bürgermeister Günter A. Binder auf eine Vorstellung der Gemeinde und plädierte an die Versammlung, das Thema Trinkwasserschutz ernst zu nehmen. Denn die Gemeinden Baienfurt und Baindt beziehen ihr Trinkwasser aus dem Altdorfer Wald.
Der Regionalverband machte bei der Vorstellung des „Teilregionalplans oberflächennahe Rohstoffe“klar, dass er im Sinne der Daseinsvorsorge für die Sicherung von Kiesabbau sorgen muss. Er rechnet mit einem Bedarf von neun Millionen Tonnen Kies pro Jahr, was laut Verbandsdirektor Wilfried Franke an der unteren Grenze des Bedarfs liegt. Kies wird in allen drei Landkreisen (Ravensburg, Sigmaringen und Bodenseekreis) abgebaut. Außerdem müsse der Verband darauf achten, dass sich die Belastungen überall im gleichen Rahmen bewegen. Er verwies auf den Kreis Sigmaringen und die Stadt Leutkirch, wo besonders viel Kies abgebaut wird. „Jeder kann sehen, dass wir es uns nicht einfach machen“, sagte er und verdeutlichte: „Trinkwasser ist Lebensmittel Nummer 1, da sind wir uns alle einig.“
Wegen der Sorgen der Menschen um das Trinkwasser kam der Regionalverband zu einem, wie es Franke nannte, „ungewöhnlichen Beschlussvorschlag“zur Stellungnahme des Regionalverbandes. „Niemand will hier Trinkwasser gefährden. Die Gemeinden Baienfurt und Baindt wollen hydrologische Untersuchungen in Auftrag geben. Hier ist unsere Bitte, dass das Regierungspräsidium diese Ergebnisse abwartet“, sagte der Verbandsdirektor in Richtung von Ursel Habermann vom RP, die ebenfalls anwesend war.
Chaotische Abstimmung
In dem Beschlussvorschlag, der letztlich auch verabschiedet wurde, heißt es unter anderem, dass es immer wieder zu Zielkonflikten bei diesem Thema kommt, dass die Menschen besonders beim Thema Trinkwasser besorgt sind und gegebenenfalls hydrologische Untersuchungen in Auftrag geben werden. Außerdem solle das RP genau prüfen, ob tatsächlich ein Härtefall (also Dringlichkeit für das Unternehmen) vorliegt. In Punkt 3 des Vorschlags heißt es, es erscheine fraglich, ob ein „halb öffentliches“Zielabweichungsverfahren das geeignete Instrument darstellt, um das öffentliche Interesse angemessen zu berücksichtigen.
Zu Punkt 3 stellte die SPD-Fraktion (Norbert Zeller) den Antrag, man möge formulieren, das Zielabweichungsverfahren abzulehnen, weil man das „übliche Verfahren“für richtig hält. Einen möglichen Zeitverlust von einem Jahr (für das Kiesunternehmen) müsse man in Kauf nehmen. „Wir können als Regionalverband eine Stellungnahme abgeben und auch sagen, dass wir das Zielabweichungsverfahren ablehnen. Es geht um eine Empfehlung, dass es nicht das richtige Verfahren ist“, sagte er. Bei der chaotischen Abstimmung (mindestens dreimal musste abgestimmt und gezählt werden) zu diesem Vorschlag votierten 20 dafür, 23 dagegen, drei enthielten sich. Auch einzelne Stimmen der CDU, wenn auch die meisten dagegen votierten, gab es für den Antrag.
Die Bürgermeister Peter Smigoc (Vogt) und Günter A. Binder (Baienfurt) hätten sich ein Votum für den SPD-Antrag gewünscht, freuten sich aber, dass die Bedenken in die Stellungnahme aufgenommen worden sind. „Wir hoffen, dass das auch ernst genommen wird“, sagte Binder der „Schwäbischen Zeitung“. Der Sprecher der Interessengemeinschaft Bruno Werner von Kreit schreibt in einer Stellungnahme: „Warum lehnt die Mehrheit der Mitglieder das Zielabweichungsverfahren nicht ab, wenn selbst die Verbandsverwaltung es als fraglich bezeichnet, ob ein halb öffentliches Verfahren das geeignete Instrumentarium darstellt, öffentliche Interessen angemessen zu vertreten?“Man habe sich Verbindlichkeit gewünscht, sagte er der SZ.
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