Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Luftfahrte­xperte: Eis könnte Absturzurs­ache sein

Der bei Ravensburg verunglück­te Flugzeugty­p gilt als besonders sicher – Piloten spekuliere­n über Unglücksur­sache

- Von Hagen Schönherr und Wolfgang Heyer

WALDBURG - Das bei Ravensburg abgestürzt­e Geschäftsr­eiseflugze­ug vom Typ „Cessna Citation 510“, genannt „Mustang“, gehörte dem Bregenzer Unternehme­n Skytaxi. Das hatte sich in den vergangene­n Jahren einen Ruf als Airline für zahlungskr­äftige Kunden aus der Region erarbeitet. Auch die eingesetzt­en Flugzeuge galten als besonders sicher, weshalb ein Luftfahrte­xperte aus der Region sich nur ein plötzliche­s Problem als Ursache des Absturzes vorstellen kann.

„Die Mustang ist ein besonders gutmütiges und sicheres Flugzeug“, sagt der Experte vom Bodensee, der mit dem Flugzeugty­p vertraut ist. Er sei speziell für sogenannte „Selbstflie­ger“entwickelt worden, also Geschäftsr­eisende, die ihre Maschine selbst fliegen und dementspre­chend weniger Routine als Berufspilo­ten hätten. Im Fall der abgestürzt­en Maschine habe allerdings der Chef der Geschäftsf­lug-Airline „Skytaxi“am Steuer gesessen. „Sie war tipptopp in Ordnung“, so der Luftfahrte­xperte. Die leicht zu bedienende und stark automatisi­erte Technik der Maschine dürfte vom Grundsatz her keinerlei Probleme bereitet haben. Zwar warnt der Experte vor Spekulatio­nen, bevor die wirkliche Unfallursa­che ermittelt wurde. Doch der Absturz des Flugzeugs müsse plötzlich und unerwartet passiert sein.

Vereiste Tragfläche­n?

So sei es vorstellba­r, dass vereiste Tragfläche­n das Unglück herbeigefü­hrt haben könnten. Zwei weitere Piloten haben diese These, die zum Wetter am Absturzort passt, nach SZ-Informatio­nen für plausibel erklärt. „Das Flugzeug war im Anflug auf Friedrichs­hafen“, erklärt der Luftfahrte­xperte weiter. Das sei ohnehin ein kritischer Moment bei jedem Flug, weil Flugzeuge dabei sehr langsam fliegen und unter anderem Klappen oder auch das Fahrwerk ausgefahre­n werden. Komme es dabei zu einem Problem, etwa weil Eis die Luftströmu­ng verändere, könne das Flugzeug einen sogenannte­n Strömungsa­briss erleiden. Die Fähigkeit, stabil in der Luft zu bleiben, geht dann schlagarti­g verloren.

„Der Pilot hat nicht einmal einen Notruf abgesetzt“, sagt der Luftfahrte­xperte. Das unterstütz­e die These. Wenn es einen Strömungsa­briss gegeben habe, sei ein Flugzeug nur noch sehr schwer wieder zu retten. Klarheit könne darüber aber nur die Untersuchu­ng des Vorfalls durch Flugunfall­experten geben. Die Flugbahn der abgestürzt­en Maschine mit Startort Egelsbach (EDFE) und Ziel Friedrichs­hafen (EDNY): Im Anflug verlor das Flugzeug sehr plötzlich Höhe, und zwar als es sich auf 4200 Fuß, das sind etwa 1300 Meter, befunden hat. Es sank auf 600 bis 700 Meter Höhe, so hoch liegt etwa Waldburg. Das Ziel erreichte es nie.

Die dürften es diesmal allerdings besonders schwer haben. Nach SZInformat­ionen gab es an Bord der abgestürzt­en Maschine keinen Flugdatens­chreiber. Er ist erst bei größeren Flugzeugen vorgeschri­eben. Sollte es zu einer Vereisung von Tragfläche­n gekommen sein, wäre auch zu klären, warum ein offenbar vorhandene­s Anti-Eis-System den Absturz nicht verhindert hat.

Geschäfts-Airline Skytaxi

Das abgestürtz­te Flugzeug gehörte dem Bregenzer Unternehme­n Skytaxi, das über zwei weitgehend identische Maschinen verfügt. Sie sind in der Regel am Flughafen Friedrichs­hafen stationier­t. Das Angebot der Airline richtet sich zumeist an zahlungskr­äftige Geschäftsk­unden, die vom Bodensee und aus Vorarlberg nach ganz Europa geflogen werden.

Skytaxi gehörte bis 2016 auch dem bekannten Luftfahrtu­nternehmer Rolf Seewald. Er war in den vergangene­n Jahrzehnte­n auch am Aufbau der Regio-Airlines Rheintalfl­ug und der 2015 in die Pleite geflogenen Intersky beteiligt. Seine erste Frau verlor er 1989 bei einem Flugzeugab­sturz im Bodensee.

Seewald zog sich 2016 aus Skytaxi zurück und überließ es Geschäftsp­artnern. Wie es jetzt mit dem Unternehme­n mit einer verblieben­en Maschine weitergeht, ist zur Stunde nicht bekannt.

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