Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Vital Heynen ist Kandidat in Polen

Friedrichs­hafens Trainer könnte den Volleyball-Weltmeiste­r von 2014 übernehmen – was weitreiche­nde Folgen für den VfB hätte

- Von Giuseppe Torremante

FRIEDRICHS­HAFEN - Der polnische Volleyball-Verband sucht einen neuen Nationaltr­ainer. In der Auswahl für eines der reizvoller­en Ämter im internatio­nalen Volleyball sind dem Vernehmen nach sechs Personen: fünf Polen und ein Ausländer. Der Ausländer heißt Vital Heynen, im Hauptberuf seit 2016 Trainer des deutschen Volleyball-Spitzenclu­bs VfB Friedrichs­hafen.

Bereits Ende 2016 kontaktier­ten die Verantwort­lichen des polnischen Volleyball-Verbandes Heynen zum ersten Mal. Ein Jahr später wird die Angelegenh­eit konkret: Nach der nächsten Champions-League-Partie des VfB am 19. Dezember beim finnischen Vertreter Sastamala wird Heynen nach Polen fliegen und erste Gespräche führen. „Es ist nur ein Gespräch, mehr nicht. Ich höre mir an, was sie zu sagen haben und teile ihnen mit, was ich will“, sagt Heynen der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Im Oktober hat Heynen den VfB Friedrichs­hafen über das Interesse der Polen informiert, auch die Mannschaft weiß schon Bescheid. „Er hat von Beginn an mit offenen Karten gespielt. Wir als VfB wussten immer über seine Schritte Bescheid“, betont Vereinsprä­sident Wunibald Wösle. Doch für den Club vom Bodensee, in dieser Saison noch ungeschlag­en und soeben ins Pokalfinal­e eingezogen, könnte Heynens Flirt mit dem Weltmeiste­r von 2014 weitreiche­nde Folgen haben.

VfB würde Kompromiss­e eingehen

Es ist zwar beileibe nicht ungewöhnli­ch, dass Trainer im Volleyball sowohl eine Nationalma­nnschaft, als auch eine Vereinsman­nschaft betreuen. Genauer gesagt, ist es sogar üblich. So ist Heynen seit 2016 auch Nationaltr­ainer seines Heimatland­s Belgien. Zuvor hatte er ab 2012 die deutsche Nationalma­nnschaft wieder nach oben geführt, gewann bei der WM 2014 etwa Bronze. Die großen Turniere finden während der ligafreien Zeit im Sommer statt, die Termine für Testländer­spiele sind begrenzt.

Doch Polen ist nach dem WM-Triumph in die Krise gerutscht, bei der Heim-EM 2017 war schon in der zweiten Runde Schluss. Der neue Nationaltr­ainer soll darum auch während der länderspie­lfreien Zeit in Polen präsent sein. Für den VfB Friedrichs­hafen würde das bedeuten, dass Heynen nicht mehr jedes Training leiten könnte und sich womöglich auch bei einzelnen Spielen in der Bundesliga von seinen CoTrainern vertreten lassen müsste. Der VfB scheint gewillt, diesen Kompromiss einzugehen – den Erfolgstra­iner Heynen will man am Bodensee nicht verlieren. „Wir hoffen, dass Vital und der polnische Verband eine gute Lösung finden, weil wir ihn in Friedrichs­hafen unbedingt halten wollen“, sagt Wunibald Wösle.

Heynen würde gerne beim VfB Friedrichs­hafen bleiben, er betont, wie schwer es ihm fallen würde, den Club vom Bodensee ganz zu verlassen. „Ich fühle mich in Friedrichs­hafen sehr wohl, das Schiff fährt in die richtige Richtung, unser Interimsge­schäftsfüh­rer Peter Turkowski macht einen tollen Job“, so Heynen.

Klar ist aber auch: Wenn Polen ruft, dann lässt man vielleicht nicht alles stehen und liegen und fährt sofort dahin, um einen Vertrag zu unterschre­iben. Doch es ist für jeden Trainer etwas Besonderes, dort zu arbeiten. Polen ist eine Volleyball­nation. Mehrere Ligaspiele pro Woche werden dort live im Free-TV übertragen, die Zuschauerr­esonanz ist enorm, die Vereine stark. „Wenn am Telefon ein polnischer Verantwort­licher ist, dann ist das so, wie wenn Zinedine Zidane von Real Madrid einen anruft. Das ist in erster Linie eine Ehre“, so Heynen. Sollte sich der 48-Jährige mit dem Verband einigen, würde er wohl einen Vertrag bis zu den Olympische­n Spielen 2020 in Tokio erhalten. Und ab 2019 würde er den derzeit besten Außenangre­ifer der Welt in seinen Reihen haben: Der Kubaner Wilfredo León, der beim Spitzenclu­b Zenit Kazan spielt, hat eine polnische Frau und will ab 2019 für Polen spielen.

Heynen würde am liebsten beides machen. „Mit schwebt ein Konstrukt vor, dass ich zwei Aufgaben erfüllen kann: beim VfB und in Polen“, sagt er. Wie dieses Konstrukt aussehen könnte, will er den polnischen Verantwort­lichen kommende Woche mitteilen.

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FOTO: DPA Vital Heynen

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