Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Zwerchfell-Erschütterungsgefahr
Wanni und Wegges unterhalten bestens im „Adler“in Dietmanns.
DIETMANNS - Es ist ein gut eingeführter Brauch, dass die Menschen vor dem Konsum ungeübter Mittel gewarnt werden („Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“). Wer sich zu Wanni und Wegges (Werner Zell und Jörg Weggenmann) und ihrem Programm „Hendra 4“begibt, sollte wissen, dass er absolute Dialektfestigkeit mitbringen muss, überdurchschnittliche Zwerchfellbelastbarkeit zudem und ein Humorverständnis aus der Vor-„me-too“-Zimperlichkeitszeit. Und Heimatgefühl auch. Schon die Einleitung, dass es bei diesem Programm kein Konzept gebe und keinen Beamer auch nicht und auch keine Nackete („Mir hend morga a Leich und doch brauchat mir alle Bratwürscht“) versteht nur, wer hierzulande aufgewachsen ist und weiß, dass ein Begräbnis ohne Bratwürste (Nackete) und Kartoffelsalat nur eine halbgare Sach ist. „Hendra 4“ist eine ganz und komplett gare Sach. Bei dem Sketch, als es klingelt und der erboste Ehemann seine saumselige Gattin anherrscht: „Hilde, s’hot gschellat! I han it gheirat, dass ich selber d’Tür aufmach“, können allerdings Feministen nur eher mühsam lachen.
Das Publikum im pickepackevollen „Adler“-Saal lachte sich bunt und scheckig.
Auch bei Auslassungen des Mittelbiberacher Duos über die Brauhauserzeugnisse im nahen Rot, die den Erfordernissen der Eingeborenen angeblich nur unvollkommen gerecht werden. „Zehn, zwölf Halbe han i gsoffa, aber do kriagsch koin Rausch zsamma von dera Brüh.“Was allerdings nur solange Gültigkeit hat, bis der mehr oder weniger stille Zecher die Wirtshausatmosphäre mit der frischen Luft vertauscht, weil „des dann so ist, als wenn Dir oiner
Running-Gag des Abends
fünf Latta in d’Gosch neihaut.- Aber i sag do nix.“
„I sag do nix“ist der running Gag dieses Auftritts und sagt alles aus über die oberschwäbische Heimat, wo man viel weiß und doch wenig sagt und wo Rotzlöffel, die noch keinen Mofa-Führerschein haben, aber mit PS protzenden Bulldogg-Boliden durch die engen Dorfstraßen bretzeln, wenn sie vom „Meisla“(Maisernte) kommen. Die Zwei von der Schwankstelle kennen ihr Publikum und sie kennen auch jene Politiker, die sich die Leute gewählt haben und wo man sich „Bild am Sonntag“eigentlich sparen könnte, weil das Lokalblatt „so spät am Samstag ausgeliefert wird, dass es schon beinahe wieder Sonntag ist.“Aber natürlich halten sie dem Lokalblatt die Treue und den Lokalpolitikern auch, selbst wenn der CDU-Fürst daselbst heftigst gegen die Biber wettert – und das im Kreis Biberach. „Du sollst nicht langweilen“heißt bekanntlich das erste Gebot der Bühnenschaffenden – nicht bloß in Oberschwaben. Wanni und Wegges befolgten diese Grundregel gleichermaßen geflissentlich wie konsequent, auch wenn der humoristische Tiefgang bei einem Typ wie Kevin der Untiefe weicht („Du schausch it bloß aus wie a Depp, du hoisch au so“) und manche Handwerkerwitze eher gewöhnungsbedürftig klingen.
Doch das waren – sintemalen bei einem Drei-Stunden-Programm – mehr als verzeihliche Ausreißer, das mit der genialen Polizisten-Comedy einen Höhepunkt setzte. Der Frust der Grünberockten über den Landesvater, der ihnen den VW-Transporter und den VW-Passat genommen und dafür die C-Klasse verordnet hatte, war nachvollziehbar: „Danke Kretschmann! Du bleib no in Laiz!“Er wird wohl noch eine Zeitlang seinem Heimatort fernbleiben, der Ministerpräsident, und man wäre am Freitagabend auch im „Adler“noch gerne länger geblieben als die sowieso satten drei Stunden. Nicht zuletzt wegen der Zahnarzt-Nummer, wo sich die junge Helferin im knapp bemessenen String die Amalgam-Füllung stets aus der untersten Schublade holen muss oder auch wegen der „Carmen“-Vorstellung der beiden Protagonisten („Wenn i it scho an Wolf am Arsch hätte, dann jetzt“) in der Oper. Es hat sich keiner einen Wolf gesessen im „Adler.“Doch der Warnhinweis wegen Zwerchfell-Überbelastung wäre wirklich angebracht gewesen. Aber i schreib do nix.
„I sag do nix.“