Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Häftling verbrachte Nächte in Hochhaus
Neue Details: Entflohener Gefangener macht erstmals Aussage nach seiner Festnahme
FRIEDRICHSHAFEN - Der am vergangenen Donnerstagnachmittag in Friedrichshafen geflohene Strafgefangene hat jetzt erstmals Angaben zu seiner Flucht gemacht.
Er war seinen Begleitpersonen von der Justizvollzugsanstalt Heilbronn bei einem Besuch seiner Mutter im Restaurant des Zeppelin-Museums Friedrichshafen entkommen. Am Sonntagnachmittag wurde er in einem Gebäude des Friedrichshafener Klinikums wieder festgenommen. Zuvor hatte er offenbar eine Frau gewürgt und versucht, ein Auto zu rauben. Eine öffentliche Fahndung nach dem Mann begann erst am Freitag, als eine verdeckte Fahndung —unter anderem mit Hilfe von Taxifahrern - offenbar keinen Erfolg zeigte und Medien über die Flucht berichtet hatten.
Jetzt machte der wieder Gefangene in seiner Vernehmung durch die Kriminalpolizei offenbar nur spärliche Angaben zur Flucht und zu seinen Plänen. Demzufolge hatte der 42-Jährige verurteilte Mörder die ersten beiden Nächte nach seiner Flucht in einem Hochhaus in der Ehlersstraße in Friedrichshafen verbracht. Die Polizei geht davon aus, dass er sich dabei auch in einem Kelleroder anderweitig ungenutzten Raum versteckt hielt um sich vor der Kälte zu schützen. Interessantes Detail: Auch das Polizeirevier Friedrichshafen sowie die Kriminalpolizei befinden sich in dieser Straße, wohl nur wenige hundert Meter vom möglichen Versteck des Täters entfernt.
Später hat er sich offenbar aus Umkleideräumen im Klinikum Friedrichshafen Wechselkleidung besorgt und sich bei Tankstellen und Imbissen mit Lebensmittel versorgt. Dafür dürfte der Häftling auch bezahlt haben. Ein Sprecher der Polizei sagte auf Nachfrage von Schwäbische.de, dass der Geflohene eine geringe Menge an Bargeld bei sich getragen haben dürfte.
Wie bereits berichtet hatte der Gesuchte am Sonntagvormittag, gegen 10.30 Uhr, im Kellergeschoss des ehemaligen Schwesternwohnheimes am Klinikum eine Frau überfallen, diese von hinten gewürgt und die Herausgabe von Geld, Kreditkarten und eines Autoschlüssels gefordert.
Als die Frau zu verstehen gab, die geforderten Dinge aus ihrer Wohnung holen zu müssen, konnte sie sich befreien und leicht verletzt in Sicherheit bringen. Kurz darauf hielt der 42-Jährige eine Autofahrerin an, die gerade mit ihrem Pkw den Parkplatz des Klinikums verlassen wollte. Als er die Beifahrertür des Fahrzeuges aufriss und die Frau aufforderte mit ihm wegzufahren, versuchte diese allerdings zu flüchten.
Nachdem das Opfer, das der entflohene Strafgefangene wieder in das Auto zurückdrängen wollte, laut um Hilfe rief und sich ein Kurierdienstfahrzeug näherte, gab der 42-Jährige sein Vorhaben auf und flüchtete zu Fuß. Nach diesem Vorfall versteckte sich der Mann offenbar in einem Raum der Pathologie im Klinikum Friedrichshafen, wo er gefunden und festgenommen wurde.
Ministerium prüft Konsequenzen
Unabhängig von des neuerlichen Aussagen des Häftlings hat das Justizministerium Baden-Württemberg angekündigt, mögliche Konsequenzen des Falles für die Behörden zu prüfen.
„Selbstverständlich werden wir uns den Fall ganz genau ansehen und sorgfältig prüfen, welche Lehren daraus zu ziehen sind“, sagte BadenWürttembergs Justizminister Guido Wolf (CDU) der Zeitung „Heilbronner Stimme“. Zuvor hatten die Landtagsfraktionschefs von SPD und FDP, Andreas Stoch und Hans-Ulrich Rülke, gefordert, Wolf müsse Konsequenzen ziehen. Ein Sprecher des Justizministers verwies allerdings darauf, dass solche Ausführungen in aller Regel Teil einer Resozialisierung seien. Die Einschätzung, ob ein Häftling die Gefängnismauern hierzu verlassen dürfe, liege allein bei der Anstaltsleitung.
Zeugen gesucht: Insbesondere der Fahrer des Hermes-Kurierdienstes sowie eine Passantin, die sich noch kurz mit der überfallenen Autofahrerin unterhalten hatte, werden gebeten, sich mit der Kriminalpolizei Friedrichshafen, Telefon 07541 / 701-0, in Verbindung zu setzen.