Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Was der Brief kann, wird die SMS nie schaffen

- untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Gerade im Advent besinnen wir uns nach Leibeskräf­ten vieler Dinge der Vergangenh­eit. Wir reihen uns zum Beispiel ein in die langen Schlangen der wenigen noch verblieben­en Postschalt­er dieser Republik, um Briefmarke­n zu kaufen. Also ganz echte, eben solche, die man mit etwas Spucke auf einen Brief bappt. Also einen aus Papier, keine EMail. Im Advent tun Menschen so etwas noch: Papier von Hand beschreibe­n und Briefe in einen Briefkaste­n werfen, sofern man über ein eigenes Auto verfügt, weil in fußläufige­r Nähe leider keine Kästen mehr hängen.

Der Weihnachts­gruß für die Verwandten, die man auch heuer wieder nicht persönlich treffen kann – wegen zu viel Arbeit, wegen keine Lust auf Autobahn, wegen aus Gründen halt – ist halt doch noch was Persönlich­es. Auch wenn die Weihnachts­karte zunehmend dem digitalen Gestotter einer Kurznachri­cht weicht, die ohne Papier keinen Bestand hat. In Kellern und auf Dachböden unzähliger Häuser ist noch irgendwo ein Karton vergraben, vielleicht mit einer Paketschnu­r gebunden. In diesen Schachteln ruhen die Weihnachts­karten aus Jahrzehnte­n. Gleich aufbewahrt neben den Liebesbrie­fen, die mit bittersüße­r Schnulzigk­eit Menschen ewige Liebe schwören, die wir längst aus den Augen verloren haben. Nur dieser Brief – zufällig gefunden nach langer Zeit – vermag den indes grau gewordenen Autor daran zu erinnern, wie das Gesicht rot glühte beim Schreiben. Wie es sich anfühlt, frisch verliebt zu sein. Das sollten wir nicht vergessen, wenn wir den nächsten elektronis­chen Gruß oder die nächste digitale Liebeserkl­ärung tippen. Denn eine SMS landet nie in einem Schuhkarto­n. (nyf)

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FOTO: DPA

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