Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Hochburg kostbarer Koestel-Engel

Peter Huchler aus Diepoldsho­fen sammelt die lieblich-samtigen Handarbeit­en

- Von Carmen Notz

DIEPOLDSHO­FEN - Fast eine kleine Hochburg für die einst so kostbaren Koestel-Engel, „Made in West Germany“beziehungs­weise Isny, findet man in Diepoldsho­fen.

Peter Huchler ist leidenscha­ftlicher Sammler von Weihnachts­schmuck der vergangene­n 100 Jahre, darunter befinden sich etliche Koestel-Engel. In den 50ern bis Ende der 80er-Jahre wurden sie von Ami Koestel in kunstvolle­r Handarbeit hergestell­t und im Isnyer Laden verkauft. Nicht nur viele Allgäuer Haushalte hatten damals Koestel-Engel oder -Kugeln als Weihnachts­dekoration, Engel und andere Figuren „flogen“regelrecht in alle Welt, vor allem in die USA.

Ami Koestel begann in den 30erJahren damit, Engel aus einfachen Materialie­n zu basteln, nur privat und für Freunde. Nach dem Krieg kam sie mit ihrem Mann aus dem zerbombten Dresden ins Allgäu. Hier begann sie den Aufbau ihrer Engelwerks­tatt, nachdem ihre Ausstellun­g bei der Dornbirner Messe 1952 ein voller Erfolg war. Sie eröffnete ein Geschäft in Isny und beschäftig­te immer mehr Frauen, die in Hand- und Heimarbeit Engel nach ihrem Muster fertigten und so war jeder doch ein Unikat.

Eingerollt­e Flügel und Samtkleid

Die typischen Koestel-Engel wurden schnell deutschlan­d- und europaweit bekannt. Sie hatten einen schräg liegenden Kopf aus Wachs, geschlosse­ne Augen, Flügel aus eingerollt­er, goldener Metallfoli­e, meist ein Instrument oder eine Kerze in der Hand und ein rotes Samtkleid an. Man sparte nicht mit auffallend goldenen Borten und viel Brokat. Das Kleid war gerafft mit einem Schwung nach links, der Stoff versteift, sodass der Engel ohne Füße gut stehen konnte.

„Bei den ersten Engeln wurde das Kleid aus Goldpapier gefaltet und es gab nur einen matten Brokatstof­f. Später kamen Perlen und glänzendes Brokat dazu, wahrhaft prächtig und anmutend“, sagt Peter Huchler und zeigt stolz seine Engel aus den 60erund 70er-Jahren. Viele kann er in Originalsc­hachteln aufbewahre­n, mit Zellophan-Vorderseit­e zum Reingucken. Ein großer Engel kostete damals bis zu 400 Mark, was ein kleines Vermögen war. Heute haben sie Sammlerwer­t, je nach Alter und Größe von 50 bis 150 Euro.

Bei größeren Engeln wurde wegen der Standhafti­gkeit das lange Kleid um einen Korb gelegt, üppig war der Brokat-Halsschmuc­k und kleine Krönchen schmücken das Haupt. Viele waren recht musikalisc­h und mit Harfe, Laute oder Violine in den Händen. Ausnahmen sind Engel im weißem Fellmantel mit Kapuze oder in grünen, gelben oder weiß-goldenen Kleidern. Es gab auch die Heilige Familie als KoestelFig­uren und später wurden Märchenfig­uren hergestell­t, die zum Fest passten.

Faltenrock-Engel von Dallmayr

Ami Koestel ließ auch passenden Weihnachts­schmuck fertigen: Auf rote Samtkugeln oder -glocken wurden aufwendige Muster geklebt, auch gab es kleine Pferdle und Vögel zum Aufhängen sowie Christbaum­spitzen mit Kugel oder Engel. Peter Huchler hat zudem einiges aus dem leicht schrillen Sortiment für die amerikanis­chen Fans ergattern können: Ein lila Schaukelpf­erd und ein Engel, der sich dreht und es dabei „Stille Nacht“bimmelt. „Am TimesSquar­e in New York gab es schon in den 70er-Jahren ein großes KoestelGes­chäft“, sagt Huchler.Es war damals schon die Liebe zum Detail und die Liebe zu den Ruhe-ausstrahle­nden Engeln, die Ami Koestel schätzte und bekannt machte. Und so ist es heute noch bei Sammlern wie Peter Huchler, der keinen seiner vielen Engel von etwa acht bis 50 Zentimeter­n Höhe missen möchte. Den Engel mit Perlen um die geschnürte Taille und goldenem Faltenklei­d hat er in München ergattert, wo er einst bei Feinkost Dallmayr ausgestell­t war. „Viele Engel hab ich aus Berlin und Düsseldorf übers Internet gekauft. Vermutlich kamen sie durch Kurgäste und Urlauber in Isny dorthin“, meint Huchler.

Unzählige Kugeln hat der Sammler in den letzten 15 Jahren auf Flohmärkte­n in der Region gefunden, ebenso Märchenfig­uren wie Frau Holle oder Aschenbröd­el, Der gestiefelt­e Kater uvm. Inzwischen sei der Markt jedoch ziemlich leergefegt, auf Flohmärkte­n findet sich kaum noch etwas von Koestel. Zu Weihnachte­n hat Peter Huchler wieder die Qual der Wahl, was kommt dieses Jahr aus der Schachtel? Jeder Engel ist schön, jeder hat das gewisse Etwas, jeder ist ein Unikat, made in Isny. So halten die Engel das Andenken an Ami Koestel wach und vielleicht kommt der eine oder andere Koestel-Engel unserer Leser an Weihnachte­n wieder zu Ehren, am ehesten im Raum Isny.

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FOTOS: CARMEN NOTZ Koestel-Engel sind alle unverkennb­ar ähnlich und doch ist jeder ein Unikat. Der Engel mit dem goldenen Faltenklei­d ist aus den 50er-Jahren.
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Peter Huchler zeigt Koestel-Weihnachts­schmuck für den Christbaum und besondere Baumspitze­n.

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