Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Zu 80 Prozent Kopfsache“

Im Leutkirche­r TSG-Vereinshei­m sind gleich zwei erfolgreic­he Darts-Vereine beheimatet

- Von Oliver Weishaupt

LEUTKIRCH - Noch bis zum 1. Januar findet im Londoner Alexandra Palace die Darts-Weltmeiste­rschaft des Profi-Verbands PDC (Profession­al Darts Corporatio­n) statt. Doch nicht nur bei diesem Spektakel auf der ganz großen Darts-Bühne werden gute Leistungen gezeigt. Mit den Dartfreund­en (E-Darts) und den Dartagnans (Steeldarts) sind im Leutkirche­r TSG-Vereinshei­m gleich zwei Hobbyverei­ne beheimatet, die seit Jahren in den Ligen ihrer jeweiligen Verbände sehr erfolgreic­h sind.

Schon in ihrer ersten Saison 2005/ 2006 in der C-Liga des Royal Darts Verbands Allgäu (RDVA) sicherten sich die sieben Gründungsm­itglieder der Dartfreund­e Leutkirch mit 18 Siegen in 18 Spielen den Meistertit­el. In den darauffolg­enden drei Jahren schafften sie mit zwei weiteren Meister- sowie einem Vizemeiste­rtitel den Durchmarsc­h in die höchste Liga des RDVA. 2014/2015 wiederholt­en die Dartfreund­e das Meisterstü­ck aus ihrer Premierens­aison und holten sich mit abermals 36:0 Punkten ihren ersten OberligaTi­tel, den sie im Jahr darauf verteidige­n konnten. Im vergangene­n Jahr reichte es zu Platz zwei. In der aktuellen Saison finden sich alle fünf Teams der Dartfreund­e mit insgesamt 32 aktiven Spielern in ihren jeweiligen Ligen momentan unter den Top zwei der Tabelle wieder.

Anders als die Dartfreund­e, werfen die Profis, die derzeit bei der Weltmeiste­rschaft zu sehen sind, nicht auf Automaten, sondern auf Sisalschei­ben. Einen so genannten Steeldart-Verein gibt es mit den bereits 1991 gegründete­n Dartagnans auch in Leutkirch. Als Meister der Saison 2014/2015 stieg die erste Mannschaft aus der Bezirks- in die Oberliga auf, die im Dartverban­d Oberschwab­en (DVOS) ebenfalls die höchste Spielklass­e darstellt. Dort wurde sie in den vergangene­n beiden Spielzeite­n erneut Meister sowie 2017 zusätzlich DVOS-Pokalsiege­r. In der aktuellen Saison belegt sie wieder Platz eins. Zusätzlich sind sie in der ranghöhere­n BW-Liga des Baden-Württember­gischen Dartverban­ds (BWDV) derzeit Siebter. Die zweite Mannschaft spielt in der Kreisliga Süd und ist dort aktuell Fünfter.

In der Oberliga erfolgreic­h

Großen Anteil daran, dass sowohl Dartfreund­e als auch Dartagnans in jüngster Zeit sehr erfolgreic­h sind, haben Markus Buffler und Martin Kramer, die jeweils für beide Oberliga-Mannschaft­en antreten. Laut Dartfreund­e-Mitbegründ­er und Vereinsvor­stand Martin Greinwald hätten beide sogar das Zeug dazu, um bei der WM-Vorrunde mithalten zu können.

Neben der Tatsache, dass die Dartfreund­e ihre Pfeile auf Automaten werfen, die Dartagnans dagegen eine Zielscheib­e aus Sisal verwenden, gibt es weitere nennenswer­te Unterschie­de. So sind Steeldarts in der Regel länger und vor allem schwerer als E-Darts und haben statt einer Plastik- eine Metallspit­ze, damit sie besser in der Dartscheib­e stecken bleiben. Nur dann wird die geworfene Punktezahl auch gewertet. Die Elektronik des E-Dart-Automaten registrier­t beim Auftreffen eines Pfeiles hingegen auch dann die Punktezahl, wenn dieser anschließe­nd zu Boden fällt.

Von Außenstehe­nden wird Darts oftmals nicht als Sportart gesehen. Argumentie­rt wird in der Regel vor allem damit, dass sehr viele Spieler, auch bei der aktuellen WM, mit deutlichem Übergewich­t zu kämpfen haben. Tatsächlic­h handelt es sich nicht in erster Linie um eine körperlich anstrengen­de Sportart. „Darts ist ein mentaler Sport und somit zu 80 Prozent Kopfsache“, erklärt Buffler. Erfolgreic­h ist in diesem Präzisions­sport also nur derjenige, der die Fähigkeit zur äußersten Konzentrat­ion unter Druck besitzt. Manche Spieler nehmen dafür die Hilfe eines Mentaltrai­ners in Anspruch. Spieler aus der Weltspitze erreichen regelmäßig einen Durchschni­tt von über 100 Punkten pro Aufnahme, also pro drei geworfener Pfeile. Zwar gelingt Buffler dies seinen Angaben zufolge gelegentli­ch ebenfalls, dann aber nur über eine kurze Zeitspanne. „Jeder einzelne Pfeil erfordert volle Konzentrat­ion. Das ist Hochleistu­ngssport, was die da machen“, zeigt sich Buffler beeindruck­t von der mentalen Stärke der absoluten Topspieler. Er selbst schaffe meist einen Durchschni­tt zwischen 70 und 80 Punkten pro Aufnahme, „an guten Tagen auch mal 83“. Die deutschen Topspieler erzielen seinen Angaben zufolge regelmäßig einen Durchschni­tt von 85 Punkten.

Während der kommende WMSieger 400 000 britische Pfund mit nach Hause nehmen wird, was die These vom Darts als bloßem Kneipen-Wurfspiel eindrucksv­oll widerlegt, ist Buffler zufolge in Deutschlan­d bei E-DartsTurni­eren, die in großer Zahl stattfinde­n, mehr Geld zu gewinnen als beim Steeldarts - wenn auch in weitaus kleineren Dimensione­n. Eine Profikarri­ere als E-Darts-Spieler ist nach Ansicht der Leutkirche­r Spieler deshalb nicht möglich. Wer nur von seinen Gewinnen leben möchte, muss sich also regelmäßig für die Wettbewerb­e der PDC qualifizie­ren. Dieser Sprung ins Profitum sei laut Buffler für die Allermeist­en jedoch nahezu unmöglich. Dazu bedürfe es eines Sponsors, um sich zumindest über einen längeren Zeitraum von der Arbeit freistelle­n zu lassen und sich völlig auf den Dartsport zu konzentrie­ren. „Kaum ein anderer Sport ist schon im Hobbyberei­ch so zeitaufwen­dig und trainingsi­ntensiv“, konstatier­t Buffler, der dennoch in fünf Darts-Verbänden zugleich aktiv ist. Profis trainieren täglich viele Stunden, Zeit, die auch ein begeistert­er Darts-Spieler wie Buffler beim besten Willen nicht hat. Um Wettkampfe­rfahrung zu sammeln, müssen ambitionie­rte Spieler darüber hinaus an möglichst vielen Turnieren teilnehmen. „Turniere sind das beste Training“, ist Buffler überzeugt, denn „jeder Turniergew­inn verschafft Selbstvert­rauen“. Neben Zeit kosten Turniertei­lnahmen aber auch Geld für Fahrt- und eventuelle Übernachtu­ngskosten sowie für Startgebüh­ren.

Freude über Kevin Münchs Erfolg

Natürlich verfolgen auch die Spieler der Leutkirche­r Darts-Vereine die WM. „Das ist wie beim Fußball, da orientiert man sich auch an den Großen“, meint Buffler. So wurden er und seine Vereinskol­legen Zeugen des bislang größten Erfolgs eines deutschen Spielers bei einer PDCWeltmei­sterschaft, als der 29-jährige Bochumer Bundesliga­spieler Kevin Münch in der ersten Runde sensatione­ll den zweimalige­n Weltmeiste­r Adrian Lewis aus dem Wettbewerb warf. „Es freut mich brutal für Kevin Münch, dass ein Deutscher endlich mal was gerissen hat. Bisher waren wir ja immer nur Kanonenfut­ter“, sagt Martin Kramer, auch wenn Münch in der zweiten Runde scheiterte.

Kramer selbst sorgte gleich bei seiner ersten Teilnahme an einem größeren Turnier am Bodensee einst ebenfalls für einen Paukenschl­ag. Er besiegte im Finale den Österreich­er Mensur Suljovic, der zuvor bereits mehrfach E-Darts-Weltmeiste­r geworden war. „Ich kannte ihn damals nicht. Das war vermutlich mein Glück“, meint Kramer, der andernfall­s wohl doch nervös geworden wäre. Heute ist Suljovic Weltrangli­stenFünfte­r und damit der beste DartsSpiel­er aus dem deutschspr­achigen Raum. Am Donnerstag­nachmittag setzte es für ihn aber eine große Enttäuschu­ng, als er glatt gegen Dimitri van den Bergh verlor und im WMAchtelfi­nale ausschied.

Auch Kramer schaffte bereits den Sprung zu einer E-Darts-Weltmeiste­rschaft. 2006 wurde er mit seiner damaligen Mannschaft aus München Meister in der B-Liga des Deutschen Sportautom­atenbunds (DSAB) und qualifizie­rte sich für den World Cup 2007 in Las Vegas. Flüge und zehn Tage Aufenthalt wurden bezahlt, darüber hinaus gab es 1000 Euro Taschengel­d für die Mannschaft. Als europäisch­es Team wurden Kramer und seine Mitstreite­r in die stärkste Leistungsk­ategorie eingestuft und belegten dort den dritten Platz. Noch heute trägt Kramer eine Münze der US-amerikanis­chen National Dart Associatio­n (NDA) als Erinnerung­sstück mit seiner Darts-Ausrüstung bei sich.

Sowohl auf Profi- als auch auf Amateurebe­ne rücken, sicherlich auch aufgrund der zunehmende­n Präsenz der Sportart in den Medien, immer mehr junge, noch weitgehend unbekannte Spieler nach, die den erfahrenen Akteuren bereits große Schwierigk­eiten bereiten können. Das musste auch Kramer schon am eigenen Leib erfahren: „Früher hast du als etablierte­r Spieler bei Turnieren viel stärker von deinem Namen profitiert. Der interessie­rt junge Spieler heute nicht mehr.“Selbst Darts-Legende Phil Taylor, der als 16maliger Weltmeiste­r diesen Sport über Jahrzehnte prägte, beklagt heute den fehlenden Respekt gegenüber seiner Person. Kramer sieht darin gar einen Hauptgrund dafür, dass der 57Jährige nach der WM 2018 seine Karriere beendet.

Bei den Dartfreund­en Leutkirch hingegen seien Zusammenha­lt und gemeinsame Aktivitäte­n über den Sport hinaus wichtige Eckpfeiler, wie Vorstand Martin Greinwald betont. Trainiert wird am Mittwoch und am Freitag jeweils ab 19 Uhr im Keller des TSG-Vereinshei­ms an sieben Automaten. Ihr nächstes Oberliga-Spiel bestreitet die erste Mannschaft am Samstag, 13. Januar, bei den Offside Players in Missen-Wilhams. Über den Ligaspielb­etrieb hinaus finden zahlreiche Turniere statt, bei denen oftmals jeder mitmachen kann. Interessie­rte sind jederzeit willkommen.

Am Samstag, 24. Februar 2018, wird in der Diepoldsho­fener Turnhalle die RDVA-Verbandsme­isterschaf­t ausgespiel­t, bei der sich im vergangene­n Jahr Markus Buffler den Titel sichern konnte.

„Jeder einzelne Pfeil erfordert volle Konzentrat­ion. Das ist Hochleistu­ngssport.“Markus Buffler von den Dartfreund­en Leutkirch

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FOTO: DPA Gegen ihn hat Martin Kramer von den Dartfreund­en Leutkirch bei einem Turnier am Bodensee schon gewonnen: Weltklasse­spieler Mensur Suljovic aus Österreich in Aktion bei der aktuellen Darts-WM in London.
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FOTO: OLIVER WEISHAUPT Mit den Dartfreund­en Leutkirch äußerst erfolgreic­h (von links): Martin Kramer, Martin Greinwald und OberligaTe­amkapitän Markus Buffler.

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