Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Neuen Geschmack am Leben finden

Begegnungs­stätte Landpastor­al: Angebote im Haus, Begegnunge­n im ländlichen Raum

- Von Walter Schmid

ISNY - Auf dem Glockensch­ild vor der Haustüre in der Grabenstra­ße 37 steht sowohl „Landpastor­al“als auch „Franziskan­erinnen von Sießen.“Auf dem Sims im Windfang liegen einige bunt bemalte Flussstein­e, beschriebe­n mit Sinnsprüch­en wie zum Beispiel diesem: „Ich bin ein Pilger, der sich nicht mit der Sonne zufrieden gibt“, oder „Wohin geht man, wenn man nirgendwoh­in geht?“Auf die große Glasscheib­e im Windfang sind papierne Vögel geklebt, zum Schutz lebendiger Vögel, damit sie nicht gegen die Scheibe krachen.

Vielleicht sind diese Vögel im Flug auch Symbole des Geistes der Freiheit, der in diesem Haus wohnt. Der Geist der Freiheit und des Willkommen­seins in ökumenisch­er Gastfreund­schaft begegnet dem Eintretend­en, wenn er mit den beiden Ordensschw­estern ins Gespräch kommt, Hellen Oßwald und Ursula Hedrich. Im Haus finden sich größere Räume für Gruppen, kleine für Gespräche und ein modernes Büro. Ganz oben wohnen zwei weitere Schwestern der Gemeinscha­ft, die jedoch ihrem Beruf und Studium nachgehen.

Das Herz des Hauses ist die Kapelle. Vorne der kleine Altar mit einer Bibel drauf und rechts das Tabernakel, in dem sich die geweihte Hostie befindet, Zeichen der Präsenz des Herrn. Wenn man die beiden Türen öffnet, entsteht aus diesem kleinen Heiligtum das Zeichen des Kreuzes. Gegenüber steht eine Muttergott­esStatue, geschnitzt von einem Isnyer Künstler. „Hier könnte freilich auch eine Franziskus­figur stehen, denn der hat für uns auch wichtige Botschafte­n vorgelebt: Ein einfaches Leben, Bewahrung der Schöpfung, Barmherzig­keit, Zuwendung zu den Armen und Bedürftige­n“, erklärt Schwester Hellen.

Im Gespräch wird deutlich, dass den beiden Schwestern gerade suchende und fragende Menschen in einer säkularen Welt am Herzen liegen. Ursula und Hellen sind auch gerne in der Region unterwegs, überall dort wo sie eingeladen und gebraucht werden: zu Gesprächen, spirituell­en Themen, Andachten und Bibelabend­en. Im ländlichen Raum solle auch von Seiten des katholisch­en Dekanats der Schwerpunk­t ihrer Arbeit sein: „Wenn wir irgendwo mit unseren Gaben und Möglichkei­ten mithelfen können, dem Wirken Gottes im eigenen Leben auf die Spur zu kommen, dann sind wir da“, definiert Ursula ihren Wirkungskr­eis.

Das Haus gegenüber dem Kino hat die Ordensgeme­inschaft bereits vor 90 Jahren gekauft. Im Laufe der Geschichte wurde es als Haushaltun­gsschule genutzt, dann für Musikunter­richt und auch als Erholungsh­eim für Ordensschw­estern. Seit 1984 ist es ein Ort der Gemeindepa­storale und soll mit spirituell­en Angeboten eine Ergänzung im Gemeindele­ben sein.

Da wird zum Beispiel montags und freitags, in der Winterzeit um 17.45 Uhr, zu einem offenen Abendlob eingeladen, oder zu den monatliche­n Bibelstund­en, zu denen sich Gäste einfach dazusetzen können. „Unsere Pilgerange­bote mit geistliche­n Impulsen, die tun Leib und Seele gut“, behaupten die beiden Schwestern über ihre manchmal mehrstündi­ge Wanderunge­n. „Wenn es nicht gerade über Kletterste­ige geht, sind wir zu allem bereit, sogar im Ordensklei­d und mit Schleier auf dem Kopf“, ergänzt Hellen.

Sie hätten im Haus nicht nur spirituell­e Angebot anzubieten, sondern auch einiges für die ganze Familie: Kreatives Schaffen für die Festzeiten im Kirchenjah­r oder Nachmittag­e, an denen man sich mit Literatur oder Philosophi­e beschäftig­t. „Was wir machen und anbieten, soll den Geist der Freiheit atmen, wir wollen niemanden missionier­en, niemanden festhalten – jedem einfach nur Wertschätz­ung und Respekt entgegenbr­ingen“, ergänzen die Schwestern die Darstellun­g ihrer Angebote. Miteinande­r feiern, essen, lachen, sogar tanzen, das sei ihnen auch wichtig. „In solchem Miteinande­r drücken wir mit den Besuchern unsere Lebensund Glaubensfr­eude aus.“

Man müsse nicht mit dem ganz Normalen und ganz Alltäglich­en zufrieden sein, so wie es der Sinnspruch auf dem Flussstein andeutet. „Ich bin jener Pilger, der sich nicht mit der Sonne (die sowieso scheint) zufrieden gibt.“

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FOTO: WALTER SCHMID Die Franziskan­er-Ordensschw­estern von Sießen, Hellen Oßwald (links) und Ursula Hedrich.

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