Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Neuen Geschmack am Leben finden
Begegnungsstätte Landpastoral: Angebote im Haus, Begegnungen im ländlichen Raum
ISNY - Auf dem Glockenschild vor der Haustüre in der Grabenstraße 37 steht sowohl „Landpastoral“als auch „Franziskanerinnen von Sießen.“Auf dem Sims im Windfang liegen einige bunt bemalte Flusssteine, beschrieben mit Sinnsprüchen wie zum Beispiel diesem: „Ich bin ein Pilger, der sich nicht mit der Sonne zufrieden gibt“, oder „Wohin geht man, wenn man nirgendwohin geht?“Auf die große Glasscheibe im Windfang sind papierne Vögel geklebt, zum Schutz lebendiger Vögel, damit sie nicht gegen die Scheibe krachen.
Vielleicht sind diese Vögel im Flug auch Symbole des Geistes der Freiheit, der in diesem Haus wohnt. Der Geist der Freiheit und des Willkommenseins in ökumenischer Gastfreundschaft begegnet dem Eintretenden, wenn er mit den beiden Ordensschwestern ins Gespräch kommt, Hellen Oßwald und Ursula Hedrich. Im Haus finden sich größere Räume für Gruppen, kleine für Gespräche und ein modernes Büro. Ganz oben wohnen zwei weitere Schwestern der Gemeinschaft, die jedoch ihrem Beruf und Studium nachgehen.
Das Herz des Hauses ist die Kapelle. Vorne der kleine Altar mit einer Bibel drauf und rechts das Tabernakel, in dem sich die geweihte Hostie befindet, Zeichen der Präsenz des Herrn. Wenn man die beiden Türen öffnet, entsteht aus diesem kleinen Heiligtum das Zeichen des Kreuzes. Gegenüber steht eine MuttergottesStatue, geschnitzt von einem Isnyer Künstler. „Hier könnte freilich auch eine Franziskusfigur stehen, denn der hat für uns auch wichtige Botschaften vorgelebt: Ein einfaches Leben, Bewahrung der Schöpfung, Barmherzigkeit, Zuwendung zu den Armen und Bedürftigen“, erklärt Schwester Hellen.
Im Gespräch wird deutlich, dass den beiden Schwestern gerade suchende und fragende Menschen in einer säkularen Welt am Herzen liegen. Ursula und Hellen sind auch gerne in der Region unterwegs, überall dort wo sie eingeladen und gebraucht werden: zu Gesprächen, spirituellen Themen, Andachten und Bibelabenden. Im ländlichen Raum solle auch von Seiten des katholischen Dekanats der Schwerpunkt ihrer Arbeit sein: „Wenn wir irgendwo mit unseren Gaben und Möglichkeiten mithelfen können, dem Wirken Gottes im eigenen Leben auf die Spur zu kommen, dann sind wir da“, definiert Ursula ihren Wirkungskreis.
Das Haus gegenüber dem Kino hat die Ordensgemeinschaft bereits vor 90 Jahren gekauft. Im Laufe der Geschichte wurde es als Haushaltungsschule genutzt, dann für Musikunterricht und auch als Erholungsheim für Ordensschwestern. Seit 1984 ist es ein Ort der Gemeindepastorale und soll mit spirituellen Angeboten eine Ergänzung im Gemeindeleben sein.
Da wird zum Beispiel montags und freitags, in der Winterzeit um 17.45 Uhr, zu einem offenen Abendlob eingeladen, oder zu den monatlichen Bibelstunden, zu denen sich Gäste einfach dazusetzen können. „Unsere Pilgerangebote mit geistlichen Impulsen, die tun Leib und Seele gut“, behaupten die beiden Schwestern über ihre manchmal mehrstündige Wanderungen. „Wenn es nicht gerade über Klettersteige geht, sind wir zu allem bereit, sogar im Ordenskleid und mit Schleier auf dem Kopf“, ergänzt Hellen.
Sie hätten im Haus nicht nur spirituelle Angebot anzubieten, sondern auch einiges für die ganze Familie: Kreatives Schaffen für die Festzeiten im Kirchenjahr oder Nachmittage, an denen man sich mit Literatur oder Philosophie beschäftigt. „Was wir machen und anbieten, soll den Geist der Freiheit atmen, wir wollen niemanden missionieren, niemanden festhalten – jedem einfach nur Wertschätzung und Respekt entgegenbringen“, ergänzen die Schwestern die Darstellung ihrer Angebote. Miteinander feiern, essen, lachen, sogar tanzen, das sei ihnen auch wichtig. „In solchem Miteinander drücken wir mit den Besuchern unsere Lebensund Glaubensfreude aus.“
Man müsse nicht mit dem ganz Normalen und ganz Alltäglichen zufrieden sein, so wie es der Sinnspruch auf dem Flussstein andeutet. „Ich bin jener Pilger, der sich nicht mit der Sonne (die sowieso scheint) zufrieden gibt.“