Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Ein Faustpfand für die Zukunft
E-Lade-Säule beim Kurhaus wird gut genutzt – Tendenz: stark steigend
-●Die öffentliche ELade-Station BAD WURZACH für Elektrofahrzeuge am Bad Wurzacher Kurhaus wird gut genutzt. Das sagt Matthias Vogt, der als Experte im Gemeinderat das Projekt von Beginn an begleitet hat. „Ich bin selbst ein bisserl überrascht, dass es so gut angenommen wird“, so der Mir-Wurzacher-Stadtrat.
Rund 40 Aufladevorgänge gab es im Monat Oktober, etwa 600 Kilowattstunden Strom wurden geladen. „Tendenz: stark steigend“, liest Vogt aus den ihm von den emma-Projektträgern übermittelten Zahlen heraus. Die Ladesäule hinter dem Kurhaus ist seit Mai in Betrieb.
„Und es wird immer mehr Elektroautos geben, sodass auch die Frequenz an den Ladesäulen weiter steigen wird“, ist sich der Experte sicher. Der Diplom-Ingenieur ist als Mitarbeiter einer Beratungsfirma auch mit dem Thema Elektromobilität befasst. Unter anderen zählen Daimler und die Stadt Stuttgart zum Kundenkreis des Unternehmens.
Zwei Ladeparkplätze gibt es an der Säule. Sie werden mit Wechselstrom betrieben. „Je nach Batteriegröße dauert es zwei bis acht Stunden, bis die Batterie voll ist“, erläutert Vogt. Benötigt werden dazu ein Eurostecker oder ein herkömmlicher Schukostecker sowie eine emma-Ladekarte, die es bei der Bad Wurzach Info gibt. Das Laden ist derzeit in Bad Wurzach wie an allen anderen der 33 emma-Säulen kostenlos.
In Bad Wurzach ist die emma-Lädesäule eine von drei Elektrotankstellen. Das Rathaus hat eine für seine Dienstfahrzeuge. Eine weitere öffentliche gibt es beim Autohaus Birk im Gewerbegebiet.
„Das Netz wird immer dichter“, freut sich Matthias Vogt, der selbst ein Elektroauto fährt. Und das habe Auswirkungen: „Die E-Auto-Fahrer werden mutiger, sie trauen sich aufgrund der Versorgungssicherheit nun schon längere Touren zu.“Grund für die immer bessere Infrastruktur ist zum einen ein millionenschweres Förderprogramm des Bundes, der dabei derzeit vor allem darauf bedacht ist, die Autobahnen abzudecken.
Zum anderen bieten aber auch immer mehr Unternehmen wie Aldi, Ikea oder Kaufland ihren Kunden ELadesäulen an. „Es wird in den nächsten Jahren noch viel mehr investiert werden“, ist sich Vogt sicher. „Die Infrastruktur wird wesentlich rasanter wachsen als das E-AutoAufkommen. Daher ist es ein Verlustgeschäft für die Betreiber. Aber sie setzen auf diesen Markt und wollen sich deshalb jetzt schon die guten Standorte sichern.“
Der Weg zu einer elektromobilen Gesellschaft ist freilich noch ein weiter. Und das liegt vor allem an der Autoindustrie. „Es gibt zurzeit noch relativ wenig Modelle“, sagt Vogt bedauernd. Etwas mehr als 20 seien es derzeit, rund 20 sind angekündigt, wobei vor allem in der Kompakt- und Mittelklasse die Auswahl überaus dürftig sei.
„Die traditionellen Autobauer, nicht nur die deutschen, haben da eine Entwicklung verschlafen“, kritisiert Vogt, der mutmaßt, ohne die Dieselaffäre wäre das Elektroauto vielleicht sogar „verhungert“.
In Deutschland liegt der Anteil an Elektroautos laut einer im Sommer im Magazin „Focus“veröffentlichten CAM-Statistik bei gerade einmal 1,3 Prozent, wobei er sich damit innerhalb eines Jahres immerhin verdoppelt hat. Die Bundesrepublik bewegt sich unter dem Niveau der Nachbarländer, wo es aber auch kaum mehr als zwei Prozent sind. Ausnahme: Norwegen mit einem EAuto-Anteil von fast 30 Prozent.
Dabei spricht in Vogts Augen viel für die Elektromobilität. Die LadeInfrastruktur werde immer besser; die Batterietechnologie schreite voran, was zu einer höheren Lebensdauer führe; die Betriebskosten seien wesentlich niedriger als bei einem Benziner oder Diesel.
Größte Kritikpunkte am E-Auto sind freilich die geringere Reichweite und die höheren Anschaffungskosten. „Natürlich sind die offiziell angegebenen Reichweiten unrealistisch“, sagt Vogt dazu. „Zieht man davon 30 Prozent ab, ist man der Wirklichkeit viel näher. Und im Winter sind es 50 Prozent. Da ist nichts schönzureden.“Andererseits sei aber auch der offizielle Kraftstoffverbrauch stets wesentlich niedriger als der tatsächliche, schiebt er hinterher. „Nur merkt man das bei einer Reichweite von 600 oder 800 Kilometern pro Tankfüllung nicht so sehr wie bei 200 oder 400.“
Bleiben noch die hohen Anschaffungskosten. Da setzt Vogt darauf, dass die Batterien und damit das ganze Fahrzeug in den kommenden Jahren wesentlich günstiger werden. „Aber schon jetzt sind mir persönlich das Plus an Fahrspaß und Fahrkomfort sowie das Fehlen von Gestank wesentlich wichtiger als zum Beispiel Ledersitze, ein großes Soundsystem oder Alufelgen. Und wenn ich darauf verzichte, bin ich schon fast am ,Normalpreis’“, so Vogt.
Er ist sich aus all diesen Gründen sicher, dass die Elektromobilität zunehmen wird. Und sagt daher: „Autohändler sind gut beraten, sich mit dieser Materie eingehend zu befassen und dann die ansteigende Nachfrage auch bedienen zu können.“
Das Projekt emma (e-mobil mit Anschluss) ist eine Kooperation von Landkreis Bodenseekreis, Stromkonzern EnBW, der Netzwerk Oberschwaben GmbH und bodo-Verkehrsverbund. Es wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert.