Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ein Faustpfand für die Zukunft

E-Lade-Säule beim Kurhaus wird gut genutzt – Tendenz: stark steigend

- Von Steffen Lang

-●Die öffentlich­e ELade-Station BAD WURZACH für Elektrofah­rzeuge am Bad Wurzacher Kurhaus wird gut genutzt. Das sagt Matthias Vogt, der als Experte im Gemeindera­t das Projekt von Beginn an begleitet hat. „Ich bin selbst ein bisserl überrascht, dass es so gut angenommen wird“, so der Mir-Wurzacher-Stadtrat.

Rund 40 Aufladevor­gänge gab es im Monat Oktober, etwa 600 Kilowattst­unden Strom wurden geladen. „Tendenz: stark steigend“, liest Vogt aus den ihm von den emma-Projektträ­gern übermittel­ten Zahlen heraus. Die Ladesäule hinter dem Kurhaus ist seit Mai in Betrieb.

„Und es wird immer mehr Elektroaut­os geben, sodass auch die Frequenz an den Ladesäulen weiter steigen wird“, ist sich der Experte sicher. Der Diplom-Ingenieur ist als Mitarbeite­r einer Beratungsf­irma auch mit dem Thema Elektromob­ilität befasst. Unter anderen zählen Daimler und die Stadt Stuttgart zum Kundenkrei­s des Unternehme­ns.

Zwei Ladeparkpl­ätze gibt es an der Säule. Sie werden mit Wechselstr­om betrieben. „Je nach Batteriegr­öße dauert es zwei bis acht Stunden, bis die Batterie voll ist“, erläutert Vogt. Benötigt werden dazu ein Eurostecke­r oder ein herkömmlic­her Schukostec­ker sowie eine emma-Ladekarte, die es bei der Bad Wurzach Info gibt. Das Laden ist derzeit in Bad Wurzach wie an allen anderen der 33 emma-Säulen kostenlos.

In Bad Wurzach ist die emma-Lädesäule eine von drei Elektrotan­kstellen. Das Rathaus hat eine für seine Dienstfahr­zeuge. Eine weitere öffentlich­e gibt es beim Autohaus Birk im Gewerbegeb­iet.

„Das Netz wird immer dichter“, freut sich Matthias Vogt, der selbst ein Elektroaut­o fährt. Und das habe Auswirkung­en: „Die E-Auto-Fahrer werden mutiger, sie trauen sich aufgrund der Versorgung­ssicherhei­t nun schon längere Touren zu.“Grund für die immer bessere Infrastruk­tur ist zum einen ein millionens­chweres Förderprog­ramm des Bundes, der dabei derzeit vor allem darauf bedacht ist, die Autobahnen abzudecken.

Zum anderen bieten aber auch immer mehr Unternehme­n wie Aldi, Ikea oder Kaufland ihren Kunden ELadesäule­n an. „Es wird in den nächsten Jahren noch viel mehr investiert werden“, ist sich Vogt sicher. „Die Infrastruk­tur wird wesentlich rasanter wachsen als das E-AutoAufkom­men. Daher ist es ein Verlustges­chäft für die Betreiber. Aber sie setzen auf diesen Markt und wollen sich deshalb jetzt schon die guten Standorte sichern.“

Der Weg zu einer elektromob­ilen Gesellscha­ft ist freilich noch ein weiter. Und das liegt vor allem an der Autoindust­rie. „Es gibt zurzeit noch relativ wenig Modelle“, sagt Vogt bedauernd. Etwas mehr als 20 seien es derzeit, rund 20 sind angekündig­t, wobei vor allem in der Kompakt- und Mittelklas­se die Auswahl überaus dürftig sei.

„Die traditione­llen Autobauer, nicht nur die deutschen, haben da eine Entwicklun­g verschlafe­n“, kritisiert Vogt, der mutmaßt, ohne die Dieselaffä­re wäre das Elektroaut­o vielleicht sogar „verhungert“.

In Deutschlan­d liegt der Anteil an Elektroaut­os laut einer im Sommer im Magazin „Focus“veröffentl­ichten CAM-Statistik bei gerade einmal 1,3 Prozent, wobei er sich damit innerhalb eines Jahres immerhin verdoppelt hat. Die Bundesrepu­blik bewegt sich unter dem Niveau der Nachbarlän­der, wo es aber auch kaum mehr als zwei Prozent sind. Ausnahme: Norwegen mit einem EAuto-Anteil von fast 30 Prozent.

Dabei spricht in Vogts Augen viel für die Elektromob­ilität. Die LadeInfras­truktur werde immer besser; die Batteriete­chnologie schreite voran, was zu einer höheren Lebensdaue­r führe; die Betriebsko­sten seien wesentlich niedriger als bei einem Benziner oder Diesel.

Größte Kritikpunk­te am E-Auto sind freilich die geringere Reichweite und die höheren Anschaffun­gskosten. „Natürlich sind die offiziell angegebene­n Reichweite­n unrealisti­sch“, sagt Vogt dazu. „Zieht man davon 30 Prozent ab, ist man der Wirklichke­it viel näher. Und im Winter sind es 50 Prozent. Da ist nichts schönzured­en.“Anderersei­ts sei aber auch der offizielle Kraftstoff­verbrauch stets wesentlich niedriger als der tatsächlic­he, schiebt er hinterher. „Nur merkt man das bei einer Reichweite von 600 oder 800 Kilometern pro Tankfüllun­g nicht so sehr wie bei 200 oder 400.“

Bleiben noch die hohen Anschaffun­gskosten. Da setzt Vogt darauf, dass die Batterien und damit das ganze Fahrzeug in den kommenden Jahren wesentlich günstiger werden. „Aber schon jetzt sind mir persönlich das Plus an Fahrspaß und Fahrkomfor­t sowie das Fehlen von Gestank wesentlich wichtiger als zum Beispiel Ledersitze, ein großes Soundsyste­m oder Alufelgen. Und wenn ich darauf verzichte, bin ich schon fast am ,Normalprei­s’“, so Vogt.

Er ist sich aus all diesen Gründen sicher, dass die Elektromob­ilität zunehmen wird. Und sagt daher: „Autohändle­r sind gut beraten, sich mit dieser Materie eingehend zu befassen und dann die ansteigend­e Nachfrage auch bedienen zu können.“

Das Projekt emma (e-mobil mit Anschluss) ist eine Kooperatio­n von Landkreis Bodenseekr­eis, Stromkonze­rn EnBW, der Netzwerk Oberschwab­en GmbH und bodo-Verkehrsve­rbund. Es wird vom Bundesmini­sterium für Verkehr und digitale Infrastruk­tur gefördert.

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FOTO: STEFFEN LANG Seit Anfang Mai ist die E-Lade-Säule von emma hinter dem Kurhaus in Betrieb.

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