Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Abwehrzauber gegen Schrättele
Heimatforscher Paul Sägmüller weiß, was der Legende nach gegen böse Geister und Hexen wirkt
BAD WALDSEE - Der Heimatforscher Paul Sägmüller ist mit seinen Vorträgen über Aberglaube viel unterwegs in Oberschwaben und im Allgäu. Und erlebt dabei immer wieder Kurioses. So habe ihn erst vor Kurzem ein Zuhörer nach einem Vortrag in Leutkirch darum gebeten, durch bestimmte Rituale bei seinem Nachbarn das „Wasser abzustellen“(damit er nicht mehr urinieren kann und große Schmerzen davon bekommt), da ihm dieser noch 20 000 Euro schulde. „Dabei mach ich in meinen Vorträgen immer deutlich, dass ich nur das wiedergebe, was ich zum Thema Aberglaube alles recherchiert habe“, sagt Sägmüller.
Der Bergatreuter, der sich selbst als „nicht abergläubisch“bezeichnet, sondern lediglich Erzählungen, Begebenheiten und Überlieferungen zum Thema sammele und nachforsche, hatte als Kind selbst viel Kontakt mit Aberglauben. „Mein Vater und vor allem mein Großvater waren sehr abergläubisch.“So habe sein Vater durchaus auch mal eine Schere ins Schlüsselloch gesteckt, damit eine Hexe beim Hindurchkommen an der Wange geschnitten und somit erkennbar werde.
Sägmüller hat über die vielen Jahrzehnte seiner Forschungen ein ganzes Sammelsurium an Symbolen zusammengetragen und beispielsweise darüber recherchiert, warum außer dem Krankenhaus St. Elisabeth in Ravensburg kaum eine andere Klinik in der Region ein Patientenzimmer mit der Nummer 13 habe. „Auch in Hotels gibt es das häufig nicht und manche Betreiber berichten davon, dass sich Gäste dagegen wehren, in einem Zimmer mit der Nummer 13 zu übernachten.“Warum die Zahl 13 und speziell ein Freitag, der 13., schon ein besonderer Tag im Aberglauben ist, hat er bereits in Büchern zusammengefasst. „Die 13 ist den Menschen suspekt, aber das 13. Monatsgehalt finden alle gut“, sagt er lachend.
Benediktus-Medaille hält den Teufel fern
Sehr beliebt bei vielen Menschen ist die Benediktus-Medaille, „ein in Metall geprägter Segen“, wie Sägmüller erklärt. Die kleine Medaille helfe gegen alles (aber vor allem gegen Satan, Krankheiten und Hexen) und man müsse sie nur bei sich tragen. Neben diversen Medaillen oder Reliquien (beispielsweise als kleiner versilberter Anhänger wie etwa ein „Heiligs Blütle“) hat der Aberglaube allerhand Bizarres zu bieten: Hasenpfoten und Vogelkrallen etwa helfen gegen Hexerei, ebenso an Stalltüren aufgehängte Sicheln, eine Maulwurfspfote bringt Glück, ein „Judenbeinchen“(kleiner Knochen aus einem Schweineohr) schützt vor Hexenschuss, gegen den „bösen Blick“hilft die Neidfeige (bei geballter Faust den Daumen zwischen Zeigeund Mittelfinger legen) und Marderpenis-Knochen wirken sich bei Männern positiv aufs „Gemächt“aus. Gegen Schrättele, nicht nur in Oberschwaben gefürchtete Druckgeister (verantwortlich für Alpträume und vieles mehr) hilft ein Drudenfuß (Stern mit fünf Zacken) oder zu früheren Zeiten ein Schrättelesrechen, der beim Schlafen auf die Brust gelegt wurde. Wer wie Sägmüller ein Sonntagskind ist, braucht sich hingegen ohnehin keine Sorgen machen – wer sonntags geboren wurde, ist nämlich immun gegen die garstigen Druckgeister.
Ein immer noch sehr beliebter Brauch gegen Aißen (also Furunkel oder früher Pestbeulen) ist heute in Oberschwaben und dem Allgäu noch häufig ersichtlich: die sogenannten Besenkapellen. Dort werden mit einem Besen symbolisch die Krankheiten weggekehrt und die Feger dann unter die Heiligenfiguren gestellt. Früher hatten fast alle Ortschaften ihr eigenes Besenkäpelle, in Aulendorf beispielsweise war es die Laubbronner St. Blasiuskapelle. Immer noch „aktiv“sind beispielsweise die sogenannte Besenkapelle im Wald bei Gaishaus (zwischen Gaishaus und Weitprechts) oder in Immenried die Rochuskapelle.