Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Geduld bringt Glück, Ungeduld nur Streit und Stress“

Zur Goldenen Hochzeit von Kidane Tsegai und Ashefash Alem

- Von Walter Schmid

ISNY - Das Goldene Hochzeitsp­aar, Kidane Tsegai (62) und Ashefash Alem (72), fühlt sich in Isny pudelwohl. „Wir haben in Deutschlan­d nirgends sonst gelebt. Isny ist unsere Heimat“– seit nunmehr 38 Jahren. Anfang 1980 entflohen die beiden dem eritreisch­en Bürgerkrie­g – getrennt, auf einer fast einjährige­n Odyssee durch Nordafrika und arabische Länder, bis sie endlich wieder Wurzeln schlagen konnten, damals mit vier kleinen Mädchen.

Ihre inzwischen sieben Töchter und sieben Enkel waren nun über die Feiertage in Isny bei den Eltern. Am Hochzeitst­ag, dem 8. Januar, sind alle wieder bei ihrer Arbeit, irgendwo verstreut im süddeutsch­en Raum, während das Paar für Peter Clement als Vertreter des Bürgermeis­ters und die Presse den Tisch reich gedeckt hat. Clement überbringt Präsent und Glückwünsc­he der Stadt und eine Urkunde des Ministerpr­äsidenten.

Die grünen Kaffeebohn­en werden von Kidane Tsegai über offener Gasflamme auf feuerfeste­r Unterlage in einer Blechpfann­e abgebrüht und gleich braun geröstet. Noch im heißen Zustand werden sie von Hand gemahlen, sofort in einem Tongefäß aufgebrüht und gleich in edle Tassen verteilt. Es dampft ordentlich, wundervoll­es Kaffeearom­a durchström­t die Wohnung.

Eltern haben Ehe arrangiert

So manches ist bei den Tsegai-Alems unvergleic­hlich gegenüber deutschen Gewohnheit­en: Das Ehepaar hat sich nicht selbst gewählt, die Eltern beider Seiten hätten das erledigt und sogar einen schriftlic­hen Vertrag geschlosse­n – so wie es in Eritrea ganz normale Tradition gewesen sei: „Wir haben davon nichts gewusst und konnten zum ausgehande­lten Vertrag der beiden Elternseit­en nur Ja oder Nein sagen.“

Sie war gerade mal zwölf, er 22 Jahre alt. „Wir haben ja gesagt – was sollte ich als Kind denn sonst sagen? Hätte ich nein gesagt, wäre mir dieser gute Mann verloren gegangen“, sagt Kidane Tsegai mit zufriedene­r Überzeugun­g. Vier ihrer Töchter wurden noch in Eritrea geboren, in Isny dann drei weitere Mädchen. Stolz zeigt das Paar Fotos der Kinder- und Enkelschar.

Das Dorf, aus dem die sehr junge Ehefrau einst kam, war vollständi­g niedergebr­annt worden, der Bürgerkrie­g zwischen Äthiopien und Eritrea tobte im ganzen Land. Für die Familie begann eine einjährige, entbehrung­sreiche Flucht-Tortour, bis sie in Isny sicheren Boden erreichten. Ashefash Alem war in Eritrea Lkw-Fahrer und erledigte für Rebellen einen geheimen Transport – im Tausch für eine Fluchtmögl­ichkeit in den Sudan. Monate später ergatterte er ein Visum zur Einreise nach Kuwait. Kidane Tsegai gelang mit ihren vier kleinen Mädchen später die Flucht in ein Flüchtling­slager im Sudan.

„Dort tauchte eines Tages der deutsche Bundeskanz­ler Helmut Schmidt auf und hieß uns Flüchtling­e – ohne Visum – in Deutschlan­d herzlich willkommen“, erzählt Tsegai. Sie sei jedoch krank geworden, durfte nicht mitfliegen, schickte aber ihre vier kleinen Mädchen mit einer anderen Frau voraus.

Als sie wieder gesund war und hätte fliegen können, war die Türe nach Deutschlan­d wieder geschlosse­n. „So flog ich meinem Mann nach Kuweit hinterher, den ich dort noch vermutete, er war aber bereits weitergere­ist in den Irak, um dort ein Visum zu organisier­en.“

Alles sei ein fast endloses Drama gewesen und fast ohne gegenseiti­ge Kommunikat­ionsmöglic­hkeiten. Am Nikolausab­end 1980 seien sie schließlic­h gemeinsam in Isny eingetroff­en – nur mit dem, was sie am Leib trugen und völlig mittellos. Überaus dankbar seien sie dem damaligen evangelisc­hen Pfarrer Ulrich Weible gewesen, der für sie ein Visum, die Tickets von Kuweit nach Deutschlan­d organisier­t und auch Wohnraum angeboten habe.

Ashefash Alem fand bald Arbeit bei der Firma Motan, wo er bis zum Rentenbegi­nn 2011 tätig war. Kidane Tsegai war berufstäti­g im Stephanusw­erk, ebenfalls bei Motan und im Krankenhau­s – jeweils als Reinigungs­kraft. Ihre sieben Mädchen haben alle erfolgreic­h ein Studium absolviert, vier von ihnen haben deutsche Männer geheiratet. Gelungene Integratio­n.

Ein Jesusbild im Wohnzimmer weist auf ihren christlich­en Glauben hin. Sie sei protestant­isch geprägt, er orthodox. „Unsere Kinder wurden evangelisc­h getauft, wir beide gehen aber gerne zum orthodoxen Gottesdien­st nach Ravensburg.“Was sie allen Ehepartner­n gerne weitergebe­n wollen, damit sie beieinande­r bleiben: „Geduld ist zwar schwer, bringt aber Glück. Ungeduld bringt nur Streit und Stress.“

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FOTO: WALTER SCHMID Die Jubilare Kidane Tsegai und Ashefash Alem bereiten den Kaffee auch in Isny zu, wie es in ihrer Heimat Eritrea üblich ist.

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