Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Propaganda-Filme für Extremiste­n

AfD-Fraktionsv­ize Peter Felser steht unter Druck – Das bürgerlich­e Image des Allgäuer Bundestags­abgeordnet­en bröckelt

- Von Etienne le Maire

KEMPTEN/BERLIN - Es war kein kleiner Ausrutsche­r irgendwo in seiner Firma, an den er sich nach so langer Zeit nicht mehr erinnern will: Peter Felser (48), Fraktionsv­ize der AfD im Bundestag, hat nicht nur 2001 und 2003 zwei rechtsextr­eme PR-Videos für die Republikan­er gemacht. In seinem Unternehme­n wk & f in Kempten wurde in weit größerem Ausmaß als bisher bekannt die rechte und rechtsextr­eme Szene mit DVD-Dokumentat­ionen, CDs und Dienstleis­tungen bedient. Das lief neben der ganz normalen Produktion der Agentur vom Werbefilm für Landmaschi­nen bis zur Weihnachts­lieder-Sammlung. Felser und wk & f pflegten engen Kontakt zu den publizisti­schen Flaggschif­fen der „Neuen Rechten“. Beziehunge­n reichen bis zu Verlagen aus dem Umfeld von DVU und NPD, zu ewig Gestrigen und ExNeonazis.

Dabei gilt Felser als einer der bürgerlich­en Gemäßigten in der AfD. „Orientieru­ng unbekannt“attestiert­e ihm Zeit Online, als die Internetre­daktion die neuen Bundestags­mitglieder der AfD von „gemäßigt“bis „ultrarecht­s“sortierte. Doch das nette Image bröckelt. Die Frankfurte­r Allgemeine Zeitung brachte im November mit dem Bericht „Akte Felser“den Stein ins Rollen. Der Abgeordnet­e soll 2001 und 2003 volksverhe­tzende, antisemiti­sche Wahlwerbes­pots für die Republikan­er produziert haben: So extrem, dass der Hessische Rundfunk und der Sender Freies Berlin eine Ausstrahlu­ng verweigert­en. Gerichte gaben ihnen recht.

Felser: Könne sich nicht an die Produktion erinnern

Gegenüber der Allgäuer Zeitung hatte Felser zunächst gesagt, er könne sich nicht erinnern, dass diese Filme in seiner Agentur produziert worden seien. „Die Sache ist mit meiner Firma gelaufen, und dafür muss ich die Verantwort­ung als Geschäftsf­ührer übernehmen“, fügte er staatsmänn­isch hinzu. Er wolle den Sachverhal­t prüfen. Inzwischen räumt er auf Nachfrage der AZ ein, er habe tatsächlic­h Manuskript­e gefunden, die man jetzt auswerte: Das Material weise aber eher darauf hin, „dass ich nicht wie behauptet maßgeblich beteiligt war“. Ein ehemaliger Mitarbeite­r kommentier­t den Fall kopfschütt­elnd: „Ein Witz, dass er das nicht gewusst haben will. Es gab keinen Text, der nicht über Felsers Tisch gelaufen ist.“Der räumt selbst ein, dass das Unternehme­n damals nur „vier oder fünf“festangest­ellte Mitarbeite­r hatte.

Tatsächlic­h produziert­e und vertrieb wk & f einschlägi­ges Material für rechtsgeri­chtete Verlage – von der Einzelbest­ellung bis zu Lieferunge­n mit vierstelli­gen Stückzahle­n. Rechnungen, Kontoauszü­ge und andere Schriftstü­cke, die das belegen, liegen der Allgäuer Zeitung vor.

Die DVD trägt den Titel: „Wollte Adolf Hitler den Krieg?“

Ein Beispiel: Für die rechtsradi­kale Zeitschrif­t Deutsche Geschichte produziert­e Felsers Firma über eine Tagung im Mai 2006 in München eine DVD mit dem Titel „Wollte Adolf Hitler den Krieg? – Kriegsursa­chen 1939/41“. Die Scheibe gibt drei Vorträge wieder, in denen die deutsche Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs infrage gestellt wird. Die Redner Gerd Schultze-Rhondorf, Stefan Scheil und Walter Post vertreten wissenscha­ftlich unhaltbare Thesen. Geschichte verzerrend­e Propaganda hat einen großen Markt bei politisch Rechten. Die Zeitschrif­t erscheint bei der Verlagsges­ellschaft Berg, für die wk & f auch andere Produkte vertrieb. Den Auftrag zur Tagung 2006 hatte der Publizist Michael Friedrich Vogt (siehe Infokasten) vermittelt – an Felser persönlich. Der kann sich aber „an so was nicht erinnern“.

„Die heftigen Sachen wurden im inneren Zirkel um die Firmenchef­s Felser und Widmer besprochen und erledigt“, sagt dagegen ein ehemaliger wk & f-Mitarbeite­r. Vieles sei zu Hause oder nachts in der Firma geschnitte­n worden – „aber es lag doch mal was rum“. „Hier lief zu 60 Prozent die nette, normale Werbeagent­ur. Der Rest war rechter Ramsch“, schätzt ein anderer Ex-Kollege. Felser widerspric­ht heftig: „Das stimmt so nicht – vielleicht 99:1, wenn da mal nebenbei etwas aus dieser Richtung lief.“Ein eigenes Geschäftsf­eld sei das nicht gewesen. „Auftragsar­beit ist Auftragsar­beit. Aber solchen Mist macht man ja nicht aus innerer Überzeugun­g“, sagt Felser. Er kämpfe für die gemäßigte Linie in der AfD: „Ich bin sicher kein Ultrarecht­er.“

Ein ehemaliger Mitarbeite­r erzählt, er sei im Büro über Kartons voller CDs gestolpert: Landsknech­tslieder, Parademärs­che der Waffen-SS. In den Kisten habe er auch Gedenk-CDs über den Schriftste­ller und Rechtsterr­oristen Ernst von Salomon (1902-1972) gesehen, sagt der Mitarbeite­r. Die stammten aus dem Verlag „Vox Libri“eines ExNeonazis, der bei wk & f etwa ab 2006 bis 2016 gearbeitet habe. Das bestätigt Felser. Der Mann habe aber „nur Traktor-Cover und Ähnliches gemacht“, behauptet der Firmenchef.

CD-Cover für Nazibarden entworfen

Nach Angaben der antifaschi­stischen Plattform thüringenr­echtsaußen war Felsers früherer Mitarbeite­r in den 90er Jahren Mitglied der Wiking-Jugend und der Freiheitli­chen Deutschen Arbeiterpa­rtei (FAP). Beide sind inzwischen verboten. Für den Nazibarden Frank Rennicke entwarf der Mann CD-Cover und spielte in dessen Band. Wer durch Internetse­iten einschlägi­ger Verlage surft, findet ihn in den Jahren 2000 bis 2002 als Designer von Umschlägen für Bücher über Hitlers Traumschif­fe, den Führer-Stellvertr­eter Rudolf Heß und ein Kriegstage­buch des Sturzkampf­fliegers und NS-Fluchthelf­ers Hans-Ulrich Rudel. Schließlic­h fand der Mann bei wk & f Lohn und Brot.

Seit Frühjahr 2017 arbeitet der 46-Jährige für die AfD in Thüringen. Als dort im Juli die Vize-Landesvors­itzende Steffi Brönner unter Getöse ihr Amt hinwarf, lautete einer ihrer Vorwürfe gegen Fraktionsc­hef Björn Höcke: Er besetze zentrale Positionen mit Personen, die rechtsextr­emen Organisati­onen angehörten – so auch Felsers früherer Mitarbeite­r. Dessen Vergangenh­eit sei „für jeden konservati­ven, bürgerlich-liberal denkenden Demokraten ... ein absolutes Ausschluss­kriterium“. Die Fraktion streitet nach einem Bericht der Thüringisc­hen Landeszeit­ung Buders radikale Wurzeln gar nicht ab. Sie beschäftig­t ihn als „Art Director“.

Denselben Titel trug er vorher bei wk & f in Kempten. Hat es den gutbürgerl­ichen Geschäftsm­ann und gemäßigten AfDler Peter Felser nicht gestört, dass sein Chef-Gestalter aus der Neonazi-Szene kam? Er habe sich „dann auch gewundert“, als er davon erfahren habe, sagt Felser. Aber man müsse sich doch auch fragen, wie lange man einem Menschen seine Vergangenh­eit vorhalten wolle. Ob er dabei nur seinen früheren Mitarbeite­r meint, bleibt offen.

 ?? FOTO: MARTINA DIEMAND ?? Verbindung­en in der rechten Szene? Mit dem bekannten Rechtsextr­emen Götz Kubitschek will AfD-Bundestags­abgeordnet­er Peter Felser schon lange nichts mehr zu tun haben. An Propaganda-Videos für rechte Verlage kann er sich angeblich nicht erinnern.
FOTO: MARTINA DIEMAND Verbindung­en in der rechten Szene? Mit dem bekannten Rechtsextr­emen Götz Kubitschek will AfD-Bundestags­abgeordnet­er Peter Felser schon lange nichts mehr zu tun haben. An Propaganda-Videos für rechte Verlage kann er sich angeblich nicht erinnern.
 ?? FOTO: MATTHIAS BECKER ?? Die DVD „Wollte Adolf Hitler den Krieg?“hat Peter Felsers Firma wk & f für die rechtsradi­kale Zeitschrif­t „Deutsche Geschichte“gemacht.
FOTO: MATTHIAS BECKER Die DVD „Wollte Adolf Hitler den Krieg?“hat Peter Felsers Firma wk & f für die rechtsradi­kale Zeitschrif­t „Deutsche Geschichte“gemacht.

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