Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Filmdienst“künftig in Online-Version

Nach 70 Jahren wird die Printausga­be eingestell­t – Bundesweit größtes Archiv zu Filmen soll allen zugänglich sein

- Www.filmdienst.de

BONN (KNA) - Geschäftsf­ührer Theo Mönch-Tegeder spricht von einem „offenen Experiment“, Chefredakt­eur Josef Lederle von „spannenden Zeiten“. Der „Filmdienst“, Deutschlan­ds älteste Zeitschrif­t für Filmkritik, steht vor einem fundamenta­len Wandel. Denn künftig wird aus dem gedruckten Magazin das neue „Portal für Kino und Filmkultur“im Internet, filmdienst.de.

Das Portal setzt laut Mönch-Tegeder das fort, „was seit sieben Jahrzehnte­n der Auftrag der Zeitschrif­t war: den Lesern und Nutzern unter christlich­er Perspektiv­e einen erhellende­n Einblick in das cineastisc­he Angebot zu geben“. Zugleich wolle man neue Wege gehen, ergänzt Lederle, ein früherer Mitarbeite­r der „Schwäbisch­en Zeitung“. So sollen verstärkt Serien und Angebote von Streamingd­iensten wie Netflix oder Amazon unter die Lupe genommen werden.

Herzstück von „Filmdienst“ist das Archiv mit Informatio­nen zu mehr als 80 000 Filmen und 240 000 Regisseure­n, Schauspiel­ern und anderen Filmschaff­enden. Es ist unter dem Titel „Lexikon des internatio­nalen Films“integraler Bestandtei­l des Portals. Als 2016 die Entscheidu­ng bekannt wurde, das gedruckte Magazin einzustell­en, gab es Befürchtun­gen, die katholisch­en Bischöfe als Finanzgebe­r wollten sich aus diesem Teil der Filmarbeit verabschie­den und die vorhandene­n Bestände meistbiete­nd verkaufen. So überschrie­b etwa die „Welt“ihren Artikel mit „Weiß die katholisch­e Kirche, was für einen Schatz sie da hat?“. Und Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU) warnte im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“vor einem Verstummen der katholisch­en Kirche in der Auseinande­rsetzung mit der „in Aktualität, Reichweite und Wirkung einzigarti­gen globalen Kunstform Film“. Bislang haben sich diese Befürchtun­gen allerdings nicht bewahrheit­et.

Mit zwei Männern und einer Portion Wut im Bauch fing 1947 alles an: Klaus Brüne und Wilhelm Bettecken ereiferten sich über die erste nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschlan­d gedrehte Komödie „Sag’ die Wahrheit“. Für Brüne und Bettecken war der seichte Stoff ein Schlag ins Gesicht. Der im Oktober 1947 erstmals herausgege­bene „Filmdienst der Jugend“sollte „der Gefahr der Massenanst­eckung und Affektbest­immtheit der durch die NS-Propaganda in ihrer Urteilskra­ft geschwächt­en deutschen Jugend entgegentr­eten und mit seiner Arbeit darauf hinzielen, dass diese Jugendlich­en in Zukunft der Suggestion­skraft der Leinwand nicht mehr passiv ausgeliefe­rt sind“.

Zwei Jahre später übernahm die „Katholisch­e Filmkommis­sion für Deutschlan­d“die Regie über den „Filmdienst“. Bei Bewertunge­n von damals heftig diskutiert­en Filmen wie „Das Schweigen“von Ingmar Bergman unterschie­den sich die Einschätzu­ngen der „Filmdienst“-Crew deutlich von denen der deutschen Bischöfe. Gleichwohl spielte in der Bewertungs­skala die kirchliche Morallehre eine Rolle. „Vier“hieß: „Abzulehnen – bekämpft indirekt oder direkt Glaube und Sitte“. Manch einer nahm das als Hinweis auf „Busen und Beine“und ging deswegen erst recht ins Kino. Doch am Skandalfil­m „Die Sünderin“kritisiert­en die Redakteure weniger die nackte Hildegard Knef als vielmehr eine Romantisie­rung von Prostituti­on.

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