Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Echte Männer sind Feministen“
Neujahrsempfang des Landkreises Biberach widmet sich Gleichberechtigung von Frauen
REGION - Landrat Heiko Schmid hat sich beim Neujahrsempfang des Landkreises Biberach für die Rechte der Frauen stark gemacht. „Echte Männer sind Feministen“, sagte er vor den knapp 450 Besuchern am Freitagabend in der Ummendorfer Festhalle. Er schloss sich den Worten eines Demonstranten, dessen Bild während der Mee-Too-Debatte um die Welt ging, an. Die Gastrednerin des Abends und Trägerin des Alternativen Nobelpreises „Right Livelihood Award“, Monika Hauser, zollte ihm dafür großen Respekt. Die von den ARD-Tagesthemen zur „Frau des Jahres“ausgezeichnete Südtirolerin setzt sich seit 25 Jahren für vergewaltigte Frauen in Krisengebieten ein.
Einige von den Frauen sitzen im Gemeinderat, im Kreistag oder leiten eine Kommune. Vor 100 Jahren gab es das in Deutschland noch nicht, Frauen mussten damals noch für ihr Wahlrecht kämpfen. 100 Jahre alt wird das Frauenwahlrecht in Deutschland in diesem Jahr – und noch immer sind Frauen in vielen Lebensbereichen den Männern nicht gleichgestellt, obwohl es im Grundgesetz so verankert ist. „Der Auftrag, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung zu fördern und bestehende Nachteile zu beseitigen, bleibt. Auch heute, auch im Jahr 2018“, sagte Schmid beim Neujahrsempfang, den die Bläsergruppe des Musikvereins Ummendorf musikalisch umrahmte.
Zehn Kreisrätinnen von 59
Im Landkreis sei man auf einem guten Weg, aber nicht am Ziel, so Schmid. So gebe es eine Dezernentin (vier Posten gibt es insgesamt) im Landratsamt. Unter den Amtsteilern finden sich sieben Frauen, was rund einem Drittel entspreche, erläuterte der Landrat weiter. „Einige von ihnen haben Kinder. Und es geht, es ist machbar.“Auch, weil man Angebote wie Homeoffice oder Kinderferienbetreuung und ein familienfreundliches Klima im Haus geschaffen habe.
Darüber hinaus habe sich die Zahl der Kreisrätinnen etwas gesteigert, sei aber „mit zehn von 59 nach vor sehr niedrig“, sagte Schmid. Er appellierte an die anwesenden Frauen, Verantwortung in Ortschafts- sowie Gemeinderäten und im Kreistag zu übernehmen: „Im Frühjahr 2019 stehen Kommunalwahlen an. Die Weichen für die Bewerberlisten werden in diesem Jahr gestellt.“Dabei wolle er in keiner Weise die „bravouröse Arbeit“der Frauen in den Kirchen, in den Verbänden, Vereinen und anderen Organisatoren schmälern: „Machen Sie weiter so. Unsere Gesellschaft braucht Frauen wie Sie.“
Der Landrat richtete deutliche Worte an die männlichen Gäste: „Echte Männer sind Feministen. Denn wir alle, und damit meine ich die Herren in diesem Saal, sind Söhne von Müttern, sind in der Regel Ehemänner oder Lebenspartner von Frauen, viele sind Brüder von Schwester, Väter von Töchtern.“Insofern dürfe ihnen die „tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern“nicht gleichgültig sein: „Sie muss uns ein Herzensanliegen sein.“
Es brauche solche Aussagen von Landräten, um bei diesem Thema voranzukommen, sagte Gastrednerin Monika Hauser zu Beginn ihres Vortrags. „Ich warte darauf, dass Männer so etwas sagen.“Denn das Problem der Vergewaltigung sei erst einmal eines von Männern, Frauen müssten im Nachhinein ein Leben lang mit den Folgen der Tat von Männern klar kommen: „Aber auch der Partner der Frau.“Sie berichtete anhand von Bildern und eindrücklichen, bewegenden Beispielen über ihre Arbeit. Als 1992 Massenvergewaltigungen während des Jugoslawienkriegs Schlagzeilen machten, reiste die damals junge Assistenzärztin nach Bosnien und gründete das Frauentherapiezentrum „Medica Zenica“. Ein Jahr später hob sie den Verein „Medica Mondiale“aus der Taufe, der sich für traumatisierte Frauen und Mädchen in Kriegsund Krisengebieten wie in Albanien, Afghanistan, im Kosovo oder in Afrika einsetzt.
Besucher erheben sich
„Wir wollen nicht nur karitative Arbeit tun“, sagte Hauser. Es gehe um effiziente Prävention: „Gewalt gegenüber Frauen darf sich nicht wiederholen und wiederholen.“So werden Frauen nicht nur therapiert („Traumata wirken bis in die dritte Generation nach“), sondern auch in Bezug auf Scheidungen beraten, über ihre Rechte aufgeklärt oder ihnen Hilfe zur Selbsthilfe angeboten. „Unsere Arbeit ist auf Würde und Gerechtigkeit ausgerichtet“, sagte Hauser. „Ich tue diese Arbeit für die Würde der überlebenden Frauen und auch für meine Würde.“Für ihr Engagement erhoben sich die Besucher an diesem Abend klatschend – Frauen und Männer gleichermaßen.
Der Verein „Medica Mondiale“finanziert sich aus Spenden. Informationen zum Spendenkonto gibt es unter