Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Der Lauf ihres Lebens geht weiter
Julia Görges setzt in Melbourne ihre Siegesserie fort, die US-Frauen erleben ein Debakel
MELBOURNE (SID/dpa) - Julia Görges muss gar nicht mehr mitzählen, das übernehmen längst andere für sie. 15 Matches dauert der Lauf ihres Lebens mittlerweile an. 15 Matches ohne Niederlage, die eine hübsche Serie ergeben, die Görges zur gar nicht mehr so geheimen Favoritin in Melbourne macht.
„Alles schön“, sagt die derzeit beste deutsche Tennisspielerin, „dafür kann ich mir aber nichts kaufen.“Weder für die Serie, „das ist nur eine Zahl“, noch für ihre Rolle als eine der heißesten Anwärterinnen auf den Titel bei den Australian Open. Görges genießt den Moment, ihre Form und den Einzug in die zweite Runde bei ihrem Lieblings-Grand-Slam.
Mit 6:4, 6:4 bezwang die 29-Jährige aus Bad Oldesloe, die in Regensburg ihr privates und sportliches Glück gefunden hat, zum Auftakt die talentierte Amerikanerin Sofia Kenin. 14 Asse servierte Görges und übererfüllte ihren Plan, die Aufschlagspiele „abwechslungsreich und aggressiv zu gestalten“. Ein Auftakt nach Maß, der auch Mona Barthel gelang.
Die 27-Jährige aus Neumünster folgte Görges durch ein 6:4, 7:5 gegen Monica Niculescu aus Rumänien in die zweite Runde. Auch in Deutschland wandelt Barthel in Görges' Spuren. Im Dezember war sie aus Schleswig-Holstein nach Bayern gezogen, in Rosenheim lebt und arbeitet Barthel nun. Die Parallele zu Görges belustigt sie: „Es wäre schön, wenn ich auch ihren Erfolg bekomme.“
Das wünscht sich derzeit wohl nicht nur Barthel. Nach den Titeln zum Ende der vergangenen Saison in Moskau und Zhuhai triumphierte Görges zu Beginn des Jahres auch in Auckland. Der elitäre Kreis der Top 10 ist in Sicht. Das Potenzial dazu besitzt Görges schon lange, doch bis zum Herbst 2017 offenbarte sie zu oft auch das Talent, ihr Können in den entscheidenden Momenten zu verstecken. „Ich habe die Geduld behalten und wurde dafür belohnt“, sagt sie.
Belohnen sollte sie sich am Mittwoch auch mit Sieg Nummer 16, gegen Alize Cornet hat sie bislang alle fünf Vergleiche gewonnen. Ihr liege das Spiel der Französin, sagte Görges, das sei aber keine Garantie für den Erfolg. Niemals würde ihr die Serie den Kopf verdrehen, niemals würde sie sich erlauben zu träumen. Bundestrainerin Barbara Rittner bezeichnet ihre Nummer eins als „unglaublich professionell“, Görges sich selbst als „sachlich“.
Wenn sie ihren Lauf erklären soll, wechselt sie mitunter die Perspektive. In der sicheren Distanz der dritten Person behält Görges den Überblick, ordnet ihre Siegesserie ein und bremst damit die gestiegenen Erwartungen. Sie habe herausgefunden, sagte Görges in Melbourne, „die Tennisspielerin Julia Görges so zu sehen, wie sie spielen soll“. Das Zählen überlässt sie anderen.
Nur ein Spiel durften Philipp Kohlschreiber und Dustin Brown in Melbourne absolvieren. Der angeschlagene Kohlschreiber unterlag dem Japaner Yoshihito Nishioka 3:6, 6:2, 0:6, 6:1, 2:6 und reiste nach Hause. Beim Davis Cup in Brisbane (2. bis 4. Februar) wird die deutsche Nummer zwei in Absprache mit Teamchef Michael Kohlmann fehlen. Brown verpasste beim 4:6, 3:6, 6:4, 7:6 (7:4), 1:6 gegen den Portugiesen Joao Sousa auch im vierten Anlauf seinen ersten Sieg im Hauptfeld der Australian Open.
Die US-Frauen, die bei den US Open noch alle vier Halbfinalistinnen stellten, haben am ersten Tag der Australian Open ein Debakel erlebt. Nach und nach scheiterten die Stars. Erst Sloane Stephens, dann Venus Williams und zuletzt Coco Vandeweghe. Neun Spielerinnen traten an, acht flogen raus, zudem erwischte es die Top-Spieler Jack Sock und John Isner. Vorjahresfinalistin Venus Williams unterlag der Schweizerin Belinda Bencic 3:6, 5:7, Stephens setzte ihre schwarze Serie fort und verlor auch ihr achtes Match nach dem Triumph von New York mit 6:2, 6:7, 2:6 gegen die Chinesin Zhang Shuai. Vandeweghe, Halbfinalistin 2017 in Melbourne und Flushing Meadows, konnte grippegeschwächt beim 6:7, 2:6 gegen Timea Babos aus Ungarn kaum etwas ausrichten.