Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Union drängt SPD zu Verhandlungen
Die Union zittert und ermuntert die Sozialdemokraten zu einem Ja zu Koalitionsverhandlungen
BERLIN (sal) - Auf ein Ja des SPDParteitags zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen hofft die Union. Nach dem Nein des Berliner SPDLandesverbandes steigt indes die Nervosität. Parteichef Martin Schulz warb in Düsseldorf um die Zustimmung der Genossen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warf der SPD vor, zu mutlos aufzutreten. Er sei sich sicher, dass die SPD am Ende zustimme und begrüße das. Am Montag könnten die Verhandlungen losgehen, sagte Dobrindt, „je schneller, desto besser“.
BERLIN - Nicht nur bei SPD-Chef Martin Schulz, sondern auch in der Union steigt die Nervosität: Sagt der SPD-Parteitag am Sonntag in Bonn Ja zu Verhandlungen über eine Große Koalition? Michael Grosse-Brömer, der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, hofft das sehr. Er könne jetzt gut längere Zeit auf Sondierungen verzichten – so Grosse-Brömer. Zumal er zurzeit nicht nur Geschäftsführer der Fraktion ist, sondern bei den Sondierungen auch den erkrankten CDU-Generalsekretär Peter Tauber vertreten hat. So mahnt Grosse-Brömer die SPD auch leise mit einem alten Zitat von Helmut Schmidt. „Demokratie lebt vom Kompromiss. Wer keine Kompromisse machen kann, ist für die Demokratie nicht zu gebrauchen.“Mehr noch, der Christdemokrat aus Niedersachsen zitiert sogar „seinen“Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) und sagt, die SPD dürfe jetzt nicht „lindnern“. „Der Auffassung bin ich auch.“
Gerade hat, nach dem Landesverband Sachsen-Anhalt, auch der Berliner Landesverband mit 21 zu acht Stimmen gegen eine Große Koalition gestimmt. Da tröstet es nur wenig, dass Brandenburg dafür ist. Und dass Berlin nur 23 Delegierte von 600 stellt. Schon wichtiger ist, dass der niedersächsische Landesverband sich für die Aufnahme von Verhandlungen ausgesprochen hat. Entscheidend aber wird sein, wie sich die 144 Delegierten aus NordrheinWestfalen entscheiden.
Martin Schulz hat hinter verschlossenen Türen mit den NRWDelegierten gesprochen, am Montagabend in Dortmund, am Dienstagabend in Düsseldorf. Teilweise ist die Skepsis sehr groß.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ahnt wohl, dass es kontraproduktiv ist, wenn er die SPD mit Sprüchen wie jenem von einem „Zwergenaufstand“bedenkt. So lobt er jetzt eher die SPD, die sich in den vergangenen vier Jahren „als verlässlicher Partner“gezeigt habe. Allerdings erinnert er sie daran, dass nach Sondierungen eigentlich „Handschlag-Qualität“gelte. Was einmal verhandelt sei, könne man nicht nachher wieder infrage stellen. „Nachverhandlungen gibt es nicht.“
Warnung vor Illusionen
Auch SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles hat ihre Partei davor gewarnt, sich Illusionen zu machen. Über die SPD-Forderungen nach einer Bürgerversicherung und einer Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen sei hart gerungen worden. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Position der Union über Nacht wirklich auflöst.“
Statt der Diskussion über Nachverhandlungen empfiehlt Alexander Dobrindt der SPD, ihre Erfolge besser zu verkaufen. Er könne ja schlecht zum SPD-Parteitag fahren. „Ich könnte ja, aber ich will eigentlich nicht vor dem SPD-Parteitag reden.“Dobrindt ließ aber keinen Zweifel daran, dass er findet, dass die SPD die Ergebnisse schlecht darstelle. So sei ihm, und nicht nur ihm, aufgefallen, dass CSU-Chef Horst Seehofer den SPD-Erfolg Grundrente nach der Sondierung weit freudiger ankündigte als die SPD selbst. „Die SPD ist zu mutlos. Sie könnte überzeugender auftreten“, so Dobrindt.
Ein bisschen aber ist es wie an spannenden Wahlabenden, wenn am Sonntag bis 16 Uhr in Bonn der SPDParteitag entscheiden soll, ob Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden. Ab 17 Uhr sitzt in München das CSU-Präsidium zusammen, in Berlin die CDU. „Ich bin mir sicher, dass die SPD zustimmt und begrüße das“, so Dobrindt. Und wie es dann weitergehen soll, weiß er auch schon. Am Montag wird zwar erst im Bundestag und dann in der französischen Nationalversammlung der ElyséeVertrag gefeiert, aber abends, so Dobrindt, könne man schon mit den Koalitionsverhandlungen anfangen. Er könne nur zu absoluter Geschwindigkeit raten. Innerhalb von 14 Tagen sei ein Koalitionsvertrag auszuhandeln und dann sei ohnehin drei Wochen Ruhe, bis die SPD-Mitglieder befragt worden seien. Idealerweise, so wird in Berlin geplant, könnte dies dann über Fastnacht geschehen.