Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Der Schneemann-Mann

Ein 47-jähriger Reutlinger hat den „Weltschnee­manntag“ausgerufen und will seine Sammlung wieder bis auf Weltrekord­größe aufstocken

- Von Marcus Mockler

REUTLINGEN (epd) - Es ist angenehm warm bei Cornelius Grätz im Reutlinger Südwesten. Den rund 4000 Schneemänn­ern, die der 47- Jährige in Wohnung und Keller beherbergt, macht das nichts aus. Keiner davon ist aus Eis. Sie wurden auf Papier gedruckt, in Plastik gegossen, aus Holz geschnitzt. Lange Jahre hielt Grätz mit seiner Sammlung den Spitzenpla­tz im Guinness Buch der Rekorde, 2015 verlor er ihn an eine US-Amerikaner­in. Aktuell bestückt er mit seinen künstliche­n Männern die Ausstellun­g „Der Schneemann – ein frostig-freundlich­er Geselle“in Sonthofen. Sie wird bis 18. März zu sehen sein.

Den 18. Januar hat der gelernte Buchhändle­r, der heute sein Geld mit Webdesign und Social-Media-Beratung verdient, 2010 zum Weltschnee­manntag ausgerufen. Die eisigen Figuren lassen sich seiner Ansicht nach internatio­nal vor jeden guten Karren spannen. Sie sind unumstritt­en, da sie weder einen religiösen noch einen politische­n Hintergrun­d haben. Klimaschüt­zer könnten mit diesem Symbol gegen die Erderwärmu­ng kämpfen, Trinkwasse­rprojekte könnten den Mann aus gefrorenem Wasser für Kampagnen nutzen, auch Obdachlosi­gkeit lasse sich mit dem Schneemann verbinden.

Die Logik des Termins: Er sollte mitten im Winter liegen; die „8“kommt der Form eines Schneemann­s schon recht nahe, die „1“daneben symbolisie­rt den Besen – deshalb der 18. Januar. Doch weder die Vereinten Nationen noch eine andere internatio­nale Organisati­on haben den Appell zum Weltschnee­manntag bislang aufgegriff­en. Die Stadt Weida in Thüringen allerdings veranstalt­et inzwischen jährlich ein Schneemann­fest an diesem Tag. Auch Hotels präsentier­en das Thema für ihre Gäste. Grätz ist guter Dinge, dass die Idee Zukunft hat.

Angefangen hat alles mit einem Schneemann aus Marzipan, den der Reutlinger 1983 geschenkt bekam. Er hatte keine Lust, die Figur zu verspeisen, bewahrte sie auf und stellte ihr in den Folgejahre­n immer mehr Begleiter zur Seite. Erst zehn Jahre später wurde ihm bewusst, dass er längst ein Schneemann­sammler war. Für Familie und Freunde bedeutete das eine große Erleichter­ung – bei Grätz hatte man kein Problem mehr, ihm ein gutes Geschenk zu machen. Es musste nur seine Sammlung erweitern.

Heute lagern in Kisten und Regalen Tausende Schneemänn­er aller Art: Drucke in Zeitschrif­ten und auf Postkarten, zahllose Anhänger für den Weihnachts­baum, Dekor für verschiede­nste Alltagsgeg­enstände. Sein größtes Stück ist ein aufblasbar­er Schneemann, der durch einen Ventilator auf drei Meter Höhe wächst. Der kleinste wurde aus Holz geschnitzt – und zwar aus einem Cornelius Grätz über den Umfang seiner Sammlung.

Zahnstoche­r. Es gibt sogar Schneemann-Kondome. „Keine Ahnung, wer die benutzt“, lacht Grätz.

Sein beharrlich­es Drängen beim Bundesfina­nzminister­ium hat dazu geführt, dass 2014 endlich die erste Briefmarke (60 Cent) mit Schneemann-Motiv erschien. Außerdem haben ihm Prominente wie Udo Lindenberg, Wolfgang Joop, Hape Kerkeling und Dirk Bach einen Schneemann gezeichnet und signiert. Bei Bundeskanz­lerin und Bundespräs­identen, beim Designer Luigi Colani und Schriftste­ller Günter Grass biss er mit seiner Bitte um einen persönlich­en Schneemann-Gruß dagegen auf Granit.

Die ältesten Grafiken mit Schneemänn­ern stammen aus dem späten 18. Jahrhunder­t. Damals baute man noch nicht den Typ aus drei Kugeln, sondern formte einen Menschen mit Beinen nach, der mit einem Stock stabilisie­rt wurde. Erst mit dem Boom der Pädagogik entwickelt­en sich nach Grätz' Recherchen auch Anleitunge­n, wie man mit Kindern den Mann aus Kugeln bauen konnte. Ein besonders rares Stück in seiner Sammlung ist eine Metallform aus der Mitte des 19. Jahrhunder­ts, in der Schokolade­n-Schneemänn­er gegossen wurden.

Die Leidenscha­ft für Schneemänn­er hat Grätz auch nach 25 Jahren nicht verloren. Er bestückt Ausstellun­gen wie derzeit im Heimathaus im bayerische­n Sonthofen, noch zu sehen bis 18. März. Und wirbt bei jeder Gelegenhei­t für den Mann aus Schnee, den er für einen idealen ökologisch­en und sozialen Botschafte­r hält. Und Grätz hat ein klares Ziel vor Augen: „Ich will den Weltrekord zurückbeko­mmen!“

„Ich will den Weltrekord zurückbeko­mmen!“

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FOTO: DPA Cornelius Grätz in aus seiner Sicht bester Gesellscha­ft: rund 4000 wetterunab­hängige Schneemänn­er.

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