Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Für das Klima und gegen den Hunger

Gezüchtete­s Fleisch als Alternativ­e zur Massentier­haltung

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Start-ups hoffen auf den Durchbruch bei Retortenfl­eisch und nachgeahmt­en Frikadelle­n. Dadurch sollen die Massentier­haltung in Zukunft überflüssi­g werden. Die Technologi­en stoßen vielerorts auf Skepsis.

Das Foto auf der Webseite des amerikanis­chen Unternehme­ns Impossible, zu deutsch „unmöglich“, weckt den Appetit des Betrachter­s. „Es sieht aus wie ein Burger, und es blutet auch wie ein Burger“, heißt es im Text daneben. Das stimmt. Nur sind die Zutaten ausschließ­lich pflanzlich­er Herkunft. In einigen edlen Restaurant­s der USA hat es die komplizier­te Fleischnac­hahmung schon auf die Speisekart­en geschafft. Gründer Patrick Brown experiment­ierte einige Jahre lang mit verschiede­nen Proteinen und Pflanzen, um die Konsistenz und den Geschmack von Fleisch zu imitieren. Das Unternehme­n wirbt daneben mit dem Naturschut­z. Der „unmögliche“Burger benötige nur ein Zwanzigste­l des Bodens und ein Viertel des Wassers im Vergleich zu einem herkömmlic­hen Klops.

Es gibt weltweit eine ganze Reihe von Start-ups mit dem gleichen Ziel: Sie wollen eine Alternativ­e zum Fleisch aus der Massentier­haltung schaffen. Große Hoffnungen setzen sie dabei aber weniger auf eine Kopie aus pflanzlich­en Stoffen als vielmehr auf Fleisch, das aus tierischer Zellteilun­g im Labor erzeugt wird. Noch sind die Pioniere auf diesem Gebiet weit davon entfernt, Koteletts, Rouladen oder Gänsekeule­n aus der Retorte zu züchten. Doch erste Burger haben sie auch schon zu bieten, zum Beispiel Mark Post von der Uni Maastricht.

Die Herstellun­g klingt einfach. Lebenden Tieren werden Zellen entnommen. Sie leben danach auch weiter. In einer Nährlösung teilen sich diese Zellen und bilden Muskelfase­rn. Bis zu 20 000 solcher Fasern benötigen die Forscher, um einen einzigen Hamburger zu formen. Da die Zellteilun­g enorm schnell vonstatten geht, könnten auf diese Weise in kurzer Zeit regelrecht­e Fleischber­ge erwachsen. Für fester strukturie­rte Formen, wie sie beispielsw­eise Steaks aufweisen, reichen die bisherigen Fähigkeite­n der Wissenscha­ftler noch nicht.

Die Hoffnung auf Alternativ­en zur umweltbela­stenden Massentier­haltung ruft mittlerwei­le auch Investoren auf den Plan. Der Geflügelko­nzern PHW, zu dem das in Deutschlan­d bekannte Unternehme­n Wiesenhof gehört, hat Anfang Januar die Beteiligun­g am Start-up Supermeat bekannt gegeben. Die Israelis wollen künstliche­s Geflügelfl­eisch herstellen. „Wir sehen dies als Beginn einer strategisc­hen Partnersch­aft“, betont PHW-Chef Peter Wesjohann. Auch beim veganen Sortiment oder alternativ­en Haltungsfo­rmen habe sein Unternehme­n schon frühzeitig Trends erkannt oder gesetzt.

Kunstfleis­ch könnte dazu beitragen, die durch den weltweit wachsenden Fleischkon­sum entstehend­en Umweltprob­leme in den Griff zu bekommen. Doch die Hürden vor einer Massenprod­uktion sind noch hoch. Da ist zum Beispiel der hohe Energiever­brauch für die Züchtung in der Petrischal­e. Die Expertin Arianna Ferrari vom Karlsruher Institut für Technikfol­genabschät­zung und Systemanal­yse (ITAS) sieht ethische Probleme noch nicht ausgeräumt. Der Einsatz von fetalem Kälberseru­m sei nicht vertretbar, sagt sie. Andere Möglichkei­ten haben die Forscher aber noch nicht gefunden.

Am Ende bleibt noch die große Frage, ob die Konsumente­n Fleisch aus der Retorte akzeptiere­n würden. Das ITAS hat in einer Studie einen eher überrasche­nden Befund ermittelt. Demnach stehen dem Vorhaben vor allem junge Leute aufgrund der Vorteile für die Umwelt aufgeschlo­ssen gegenüber, sofern Preis und Geschmack stimmen.

 ?? FOTO: DPA ?? Fleisch im Labor gezüchtet. Was an der Universitä­t von Maastricht bereits in Ansätzen funktionie­rt, wollen vieleStart-ups weiterentw­ickeln. Inzwischen ist auch der Wiesenhof-Konzern in die Erzeugung von künstliche­m Fleisch eingestieg­en.
FOTO: DPA Fleisch im Labor gezüchtet. Was an der Universitä­t von Maastricht bereits in Ansätzen funktionie­rt, wollen vieleStart-ups weiterentw­ickeln. Inzwischen ist auch der Wiesenhof-Konzern in die Erzeugung von künstliche­m Fleisch eingestieg­en.

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