Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Streikbereite IG Metall schlägt Arbeitszeitkonten vor
Anzahl der Mitglieder der IG Metall weitgehend stabil – Einnahmen der Gewerkschaft steigen um 2,5 Prozent
FRANKFURT (AFP/dpa) - Um höhere Löhne geht es im laufenden Tarifkonflikt der deutschen Metall- und Elektroindustrie nur noch am Rande. IG Metall und der Arbeitgeberverband ringen um neue Arbeitszeitmodelle: Forderungen nach befristeter Teilzeit für breite Beschäftigtengruppen kontern die Arbeitgeber mit dem Hinweis, man benötige wegen der guten Auftragslage mehr Arbeitsvolumen. Die Leute sollen in Fabriken länger arbeiten dürfen, auch weil in Zeiten des Fachkräftemangels keine Leute zu finden seien.
Im aktuellen Tarifkonflikt legten am Dienstag 33 000 Beschäftigte in Warnstreiks die Arbeit nieder, die Gesamtzahl der Teilnehmer erhöhte sich laut IG Metall auf 425 000. Darunter waren erstmals auch Tausende Daimler-Mitarbeiter im Sindelfinger Werk sowie 1300 Mitarbeiter des Laupheimer Flugzeugkabinenausstatters Diehl Aircabin.
Die IG Metall geht nach eigenen Angaben mit einer prall gefüllten Streikkasse in die heiße Phase des Tarifkonflikts für rund 3,9 Millionen Beschäftigte. Hauptkassierer Jürgen Kerner präsentierte am Dienstag in Frankfurt für das vergangene Jahr bei einer weitgehend stabilen Mitgliederzahl einen erneuten Rekord von Beitragseinnahmen in Höhe von 561 Millionen Euro. Mindestens 15 Prozent davon fließen in die Rücklagen.
Gewerkschaftschef Jörg Hofmann setzt dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall eine klare Frist: Zum Auftakt der vierten Verhandlungsrunde am 24. Januar in Stuttgart müsse erkennbar werden, wohin die Reise geht. Der Vorstand der Gewerkschaft werde am 26. Januar nach Sitzungen sämtlicher regionalen Tarifkommissionen entscheiden, ob eine weitere Eskalation unvermeidbar sei.
Gleichzeitig sendet Hofmann Kompromisssignale, indem er die bislang nur in Baden-Württemberg etablierten Langzeitarbeitskonten lobt. Sie könnten bei guter Auslastung aufgefüllt werden und bei schlechter Auslastung die Beschäftigung sichern. „Wir hätten dieses Instrument gerne bundesweit. Ich halte das für vernünftiger, als Überstunden auszuzahlen“, erklärte Hofmann. Über eine Ausweitung der 40-Stunden-Quote, also eine um fünf Stunden verlängerte Wochen-Regelarbeitszeit, will er hingegen nicht verhandeln. Bislang ist das für 18 Prozent der Tarifbeschäftigten möglich.
Für die rund 3,9 Millionen Beschäftigten in den deutschen KernIndustriezweigen Metall und Elektro fordert die Gewerkschaft neben sechs Prozent mehr Geld die Option, die Arbeitszeit befristet auf 28 Wochenstunden senken zu können. Schichtarbeiter, Eltern kleiner Kinder sowie pflegende Familienangehörige sollen dafür einen Teillohnausgleich erhalten. Die Arbeitgeber lehnen insbesondere die Ausgleichszahlungen vehement ab, weil sie Beschäftigte benachteiligten, die bislang schon freiwillig und ohne Ausgleich kürzer arbeiteten.
Die Zahl der Mitglieder der größten Industriegewerkschaft Europas blieb stabil bei 2,26 Millionen. Demnach standen 107 000 Neuaufnahmen 94 000 Austritten gegenüber. Von allen Mitgliedern arbeiten rund 1,57 Millionen in Betrieben, der höchste Stand seit zehn Jahren.
Die Mitgliederzahl der IG Metall in Baden-Württemberg ist im vergangenen Jahr leicht gesunken – obwohl fast 24 000 Menschen in die Gewerkschaft eingetreten sind. Zum Jahresende 2017 wurden im Südwesten rund 433 000 IG-Metaller gezählt. Das seien 0,2 Prozent weniger als im Dezember 2016, hieß es am Dienstag in einer Mitteilung der Landesbezirksleitung.