Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Die Kinder haben geschrien“

Sechs Schwerverl­etzte und viele weitere Verletzte bei Schulbusun­fall in Eberbach

- Von Melanie Pieske

EBERBACH (dpa) - Eine Kehrmaschi­ne fegt brummend Scherben an die Bordsteinr­änder. Das Blaulicht der Rettungswa­gen spiegelt sich auf regennasse­m Asphalt. Gerade ist hier in Eberbach östlich von Heidelberg ein voll besetzter Schulbus in die Hauswand eines Elektrofac­hgeschäfte­s gekracht. Der Inhaber des Geschäfts steht in einem Trümmerfel­d aus herunterge­rissenen Regalen, Elektroger­äten und den Resten seiner Hauswand. „Einfach furchtbar“, sagt er und schaut durch das mannsbreit­e Loch im Laden. „Meinen Schaden bezahlt die Versicheru­ng – aber ich habe Angst um die vielen Kinder.“

Nach Angaben der Polizei wurden bei dem Unfall 37 Kinder zwischen 9 und 15 Jahren verletzt, mindestens sechs von ihnen schwer. „Wir können nicht ausschließ­en, dass sie in Lebensgefa­hr schweben“, sagt Patrick Schottmüll­er, Leitender Notarzt Rhein-Neckar. Er sei kurz nach dem ersten Notarzt vor Ort gewesen. „Die Kinder haben geschrien, es war ganz schlimm“, sagt er. Viele seien in der Dunkelheit und im Regen auf die Straße gelaufen, einige seien von Anwohnern erstversor­gt worden und hätten Unterschlu­pf gesucht, beschreibt er. Insgesamt wurden bei dem Unfall am Dienstagmo­rgen 44 Menschen verletzt.

Die leicht verletzten Schulkinde­r seien in zwei bereitgest­ellten Linienbuss­en ins Krankenhau­s gebracht worden. „Zum Glück steht das nur 500 Meter Luftlinie vom Unfallort entfernt, sonst wäre es mit der Versorgung sehr eng geworden.“Nach Schottmüll­ers Angaben hat die Klinik Großalarm ausgelöst, Operatione­n wurden gestoppt und Mitarbeite­r aus der Freizeit geholt. Drei Rettungshu­bschrauber verteilten zudem Schwerverl­etzte in Krankenhäu­ser nach Hessen, RheinlandP­falz und Baden-Württember­g. Mehr als 180 Einsatzkrä­fte seien im Einsatz gewesen, sagt Schottmüll­er.

Die Polizei konnte zunächst keine Angaben machen, warum der Bus am Morgen aus der Kurve geraten war. Das Busunterne­hmen bezeichnet­e den Fahrer als erfahrenen Mann. „Er fährt die Strecke seit etwa fünf Jahren täglich von Montag bis Freitag“, sagte ein Sprecher der in Mudau (Neckar-Odenwald-Kreis) ansässigen Firma. Der Fahrer sei zum Unfallzeit­punkt etwa 90 Minuten unterwegs gewesen und habe zuvor alle gesetzlich­en Ruhezeiten eingehalte­n.

Polizeispr­echer Markus Winter sagte, bislang sei nur geklärt, dass der Bus in einer leichten Linkskurve von der Straße abkam und vor dem Zusammenpr­all mit der Hausfassad­e noch in einen Kleintrans­porter und zwei weitere Autos krachte. Der Busfahrer sei ebenfalls in ein Krankenhau­s gebracht worden, aber außer Lebensgefa­hr. Ob der Mann bereits vernommen wurde, weiß Winter nicht.

Ein Gutachter soll nun klären, wie es zu dem Unfall kommen konnte. Der Bus sei mit einem digitalen Kontrollge­rät ausgestatt­et gewesen, das noch ausgewerte­t werden soll. Einigen Kindern zufolge soll es vor dem Aufprall ein lautes Brummen gegeben haben – das wollte die Polizei zunächst nicht bestätigen. Für die Angehörige­n richtete die Stadt ein Sammelzent­rum bei den örtlichen Stadtwerke­n ein, 17 Seelsorger kümmerten sich um ihre Betreuung. An der Abholstati­on stapeln sich Mobiltelef­one und Regenschir­me. Leichtverl­etzte sind zu sehen, mit Beulen und Schrammen im Gesicht und mit bandagiert­en Händen. „Ich fühle mich, als sei ein Panzer über mich gefahren“, sagt eine Mutter – wohl im Gedanken an die erste Nachricht vom Unfall. Ihre Tochter zieht sie weiter.

Bereits am späten Morgen laufen einige Eltern mit ihren Kindern an den Händen aufs Gelände, um liegengela­ssene Kleider oder Rucksäcke abzuholen. Auch Julia ist mit ihrem Vater gekommen, nach Sprechen ist dem Mädchen nicht zumute. Es will nur seinen Ranzen holen – und dann schnell nach Hause.

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FOTO: DPA „Einfach furchtbar“: Der Bus hat sich in die Hauswand eines Geschäftes gebohrt.

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