Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Aushänge zu möglichem Kindesentführer sind falsch
In Ravensburger Kindergarten wurde vor Unbekanntem gewarnt – Polizei: Das entbehrt jeder Grundlage
WEINGARTEN - „Warnung. Ein Unbekannter hat versucht in Weingarten (Nähe Real) ein Kind auf dem Nachhauseweg von der Schule ins Auto zu locken. Bitte halten Sie Ihre Augen offen!“Dieser beunruhigende Satz steht auf einem Aushang, der in einem Ravensburger Kindergarten aufgehängt ist. Doch was sich verstörend anhört und wie ein Lauffeuer in den sozialen Medien verteilt wurde, stellt sich auf SZNachfrage bei der Polizei als Falschmeldung heraus. „Es gibt kein Ereignis das in Zusammenhang mit diesem Sachverhalt steht“, sagt Markus Sauter, Leiter der Pressestelle des Polizeipräsidiums Konstanz. „Das entbehrt jeder Grundlage.“Doch offenbart dieser Fall ein stetig wachsendes Problem: Anstatt sich an die Polizei zu wenden, nehmen immer mehr Bürger die Sache selbst in die Hand. „Die Infos werden dann immer wieder für bare Münze genommen, und es wird sofort mobilgemacht“, sagt Sauter. „Immer weniger Leute machen sich die Mühe, da erst einmal nachzuforschen.“Doch genau das sei der richtige Weg, genau das könne man auch von „einem mündigen Bürger erwarten“, sagt Sauter und spricht von einer Gratwanderung. Denn manchmal würden Kinder sich solche Geschichten auch ausdenken. Das sei nicht böswillig, komme aber immer wieder vor. Konfrontiere man die Eltern mit dieser Thematik, sei die Empörung groß. Daher müsse man sehr sensibel mit dem Thema umgehen, so Sauter.
Hinweise werden ernst genommen
Denn gerade durch Fälle wie nun dem Weingartener werde Panik geschürt – und das passiert immer öfter. „Das erleben wir nicht zum ersten Mal. Das hat zugenommen, und nicht nur in diesem Bereich“, sagt Sauter. „Und das macht dann die Runde.“Doch solche Fehlinformationen erschweren die Arbeit der Polizei noch zusätzlich. Einen potenziellen Täter ausfindig zu machen – oder aber auch die Personen, die das in Umlauf gebracht haben – sei sehr schwer, so Sauter.
Dennoch betont er auch, dass solche Hinweise immer sehr ernst genommen werden. Man müsse aufpassen, dass solche Dinge nicht verharmlost werden, und gehe den Verdachtsfällen immer gewissenhaft nach. Daher rät Sauter mit Nachdruck, dass sich die Eltern immer direkt an die örtliche Polizei wenden sollen. Diese könne den Hinweisen dann nachgehen, mit Lehrern, Erziehern und Eltern sprechen und weiter recherchieren. Sollten sich die Verdachtsfälle erhärten, könnten die Ermittlungen gar bis zu Überwachungsmaßnahmen führen. Doch sind Sauter für die vergangenen Jahre keine konkreten Fälle bekannt, in denen tatsächlich ein Unbekannter sein Unwesen trieb.
Das könnte unter anderem damit zusammenhängen, dass die Polizei auch präventiv im Einsatz ist. Die Mitarbeiter des Referats „Prävention“besuchen Elternabende und machen Veranstaltungen mit Lehrern und Erziehern, um für das Thema zu sensibilisieren. Mit Kindern und Jugendlichen suchen die Beamten erst ab einem gewissen Alter das Gespräch. In jüngeren Jahren sieht die Polizei eher die Eltern in der Pflicht, den Komplex „Geh nie mit einem Fremden mit“auch zu Hause anzusprechen. „Da sind auch die Eltern gefordert“, sagt Sauter.