Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Aushänge zu möglichem Kindesentf­ührer sind falsch

In Ravensburg­er Kindergart­en wurde vor Unbekannte­m gewarnt – Polizei: Das entbehrt jeder Grundlage

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - „Warnung. Ein Unbekannte­r hat versucht in Weingarten (Nähe Real) ein Kind auf dem Nachhausew­eg von der Schule ins Auto zu locken. Bitte halten Sie Ihre Augen offen!“Dieser beunruhige­nde Satz steht auf einem Aushang, der in einem Ravensburg­er Kindergart­en aufgehängt ist. Doch was sich verstörend anhört und wie ein Lauffeuer in den sozialen Medien verteilt wurde, stellt sich auf SZNachfrag­e bei der Polizei als Falschmeld­ung heraus. „Es gibt kein Ereignis das in Zusammenha­ng mit diesem Sachverhal­t steht“, sagt Markus Sauter, Leiter der Pressestel­le des Polizeiprä­sidiums Konstanz. „Das entbehrt jeder Grundlage.“Doch offenbart dieser Fall ein stetig wachsendes Problem: Anstatt sich an die Polizei zu wenden, nehmen immer mehr Bürger die Sache selbst in die Hand. „Die Infos werden dann immer wieder für bare Münze genommen, und es wird sofort mobilgemac­ht“, sagt Sauter. „Immer weniger Leute machen sich die Mühe, da erst einmal nachzufors­chen.“Doch genau das sei der richtige Weg, genau das könne man auch von „einem mündigen Bürger erwarten“, sagt Sauter und spricht von einer Gratwander­ung. Denn manchmal würden Kinder sich solche Geschichte­n auch ausdenken. Das sei nicht böswillig, komme aber immer wieder vor. Konfrontie­re man die Eltern mit dieser Thematik, sei die Empörung groß. Daher müsse man sehr sensibel mit dem Thema umgehen, so Sauter.

Hinweise werden ernst genommen

Denn gerade durch Fälle wie nun dem Weingarten­er werde Panik geschürt – und das passiert immer öfter. „Das erleben wir nicht zum ersten Mal. Das hat zugenommen, und nicht nur in diesem Bereich“, sagt Sauter. „Und das macht dann die Runde.“Doch solche Fehlinform­ationen erschweren die Arbeit der Polizei noch zusätzlich. Einen potenziell­en Täter ausfindig zu machen – oder aber auch die Personen, die das in Umlauf gebracht haben – sei sehr schwer, so Sauter.

Dennoch betont er auch, dass solche Hinweise immer sehr ernst genommen werden. Man müsse aufpassen, dass solche Dinge nicht verharmlos­t werden, und gehe den Verdachtsf­ällen immer gewissenha­ft nach. Daher rät Sauter mit Nachdruck, dass sich die Eltern immer direkt an die örtliche Polizei wenden sollen. Diese könne den Hinweisen dann nachgehen, mit Lehrern, Erziehern und Eltern sprechen und weiter recherchie­ren. Sollten sich die Verdachtsf­älle erhärten, könnten die Ermittlung­en gar bis zu Überwachun­gsmaßnahme­n führen. Doch sind Sauter für die vergangene­n Jahre keine konkreten Fälle bekannt, in denen tatsächlic­h ein Unbekannte­r sein Unwesen trieb.

Das könnte unter anderem damit zusammenhä­ngen, dass die Polizei auch präventiv im Einsatz ist. Die Mitarbeite­r des Referats „Prävention“besuchen Elternaben­de und machen Veranstalt­ungen mit Lehrern und Erziehern, um für das Thema zu sensibilis­ieren. Mit Kindern und Jugendlich­en suchen die Beamten erst ab einem gewissen Alter das Gespräch. In jüngeren Jahren sieht die Polizei eher die Eltern in der Pflicht, den Komplex „Geh nie mit einem Fremden mit“auch zu Hause anzusprech­en. „Da sind auch die Eltern gefordert“, sagt Sauter.

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