Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Atmosphäri­sche Störungen

- Von Ulrich Mendelin u.mendelin@schwaebisc­he.de

Nein, ein Dankeschön hat Sebastian Kurz von Angela Merkel bei seinem Antrittsbe­such als Bundeskanz­ler in Berlin wohl nicht erwartet. Dabei hatte der deutsche Innenminis­ter gerade erst am Dienstag vermelden können, dass die Zahl neu angekommen­er Asylbewerb­er in Deutschlan­d 2017 wie schon im Vorjahr stark gesunken ist; ein Erfolg aus Sicht von CDU und CSU.

Dass nur noch wenige Flüchtling­e über den Balkan nach Europa kommen, dafür hat sich Sebastian Kurz, noch als österreich­ischer Außenminis­ter, vehement eingesetzt. Kurz warb erfolgreic­h für die „Schließung der Balkanrout­e“und wurde dafür heftig kritisiert, auch aus der CDU. Heute profitiere­n Merkel und ihre Partei stillschwe­igend davon, dass auf dem Balkan Ruhe herrscht. Von der „Willkommen­skultur“, die Kurz kritisiert­e, ist in der Union heute ohnehin keine Rede mehr.

Streitpunk­te bleiben aber. Dazu gehört die Verteilung von Flüchtling­en innerhalb der EU, die mit einem Kanzler Kurz als Fürspreche­r der Ostmittele­uropäer zum Verdruss Berlins noch schwierige­r werden wird. Österreich, das im zweiten Halbjahr 2018 die EU-Präsidents­chaft innehat, könnte in dieser Frage zu vermitteln versuchen. Das läge auch in deutschem Interesse.

Atmosphäri­sch bleibt die Regierungs­beteiligun­g der FPÖ ein Störfaktor in den Beziehunge­n. Mit den Reisen nach Brüssel, Paris und jetzt nach Berlin will Kurz auch zeigen, dass er trotz der Koalition mit der Rechtsauße­npartei ein salonfähig­er Partner sein kann. Man möge ihn an seinen Taten messen, bat er in Berlin. Dagegen ist wenig zu sagen. Doch das heißt nicht, dass Worte gar keine Rolle spielen würden. Einen Vorgeschma­ck hat Österreich­s neuer Innenminis­ter Herbert Kickl geliefert mit der Aussage, Asylbewerb­er künftig „konzentrie­rt“unterbring­en zu wollen. Dass ein solches Wort in einem solchen Zusammenha­ng schlimmste Assoziatio­nen weckt, muss dem FPÖ-Mann bewusst gewesen sein. Das Beispiel zeigt, dass Kurz an der Salonfähig­keit seiner Regierung durchaus noch arbeiten muss.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany