Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Schulz für Halbzeitbilanz
SPD-Chef setzt Werbetour für Koalition in Irsee fort
BERLIN/IRSEE (dpa/jau) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Mittwoch größere Nachverhandlungen der Sondierung mit der SPD ausgeschlossen. Die Union habe bereits „herbe Konzessionen“gemacht, sagte sie in Berlin. Eckpunkte seien nicht mehr verhandelbar. Möglich sei nur noch, Punkte „auszubuchstabieren“. SPD-Chef Martin Schulz antwortete vom bayerischen Irsee aus: „Eckpunkte werden auch nicht neu verhandelt – aber Inhalte.“
Vor dem Parteitag am Sonntag setzte Schulz seine Werbetour für die neuerliche Große Koalition bei der Klausur der SPD-Landtagsfraktion fort. Er warb im Allgäu auch für die Vereinbarung mit der Union, nach zwei Jahren eine Halbzeitbilanz zu ziehen. „In einer politisch so dynamischen Zeit wie der unseren ist das nötig“, sagte er. Offen blieb die Frage, ob die SPD im Fall einer negativen Zwischenbilanz die Koalition verlassen würde.
IRSEE - Die Landtagsfraktion der bayerischen SPD hat Bundesparteichef Martin Schulz ihr „breite Unterstützung“für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit der Union zugesichert. Dies bestätigte die Vorsitzende der Bayern-SPD, Natascha Kohnen. Schulz selber sagte auf einer Pressekonferenz am Rande der Klausurtagung der SPD-Landtagsfrakion im Kloster Irsee, er verstehe deren Haltung als „Rückenwind für den Sonderparteitag“am Sonntag in Bonn.
Gegenüber den Medien betonte Schulz im Kloster Irsee ein weiteres Mal, „ein Sondierungspapier ist kein Koalitionsvertrag“. Es könne sein, dass bei fortgesetzten Verhandlungen „Dinge hinzukommen oder vertieft werden“. Als Beispiele nannte er einen verbesserten Mieterschutz und „Baustellen in der Zwei-Klassenmedizin“. Der Bürgerversicherung wollte Schulz aber nicht mehr das Wort reden.
Der frühere Europa-Politiker betonte, mit der SPD gebe es in der Flüchtlingspolitik keine Obergrenze. Die im Sondierungspapier genannten Zahlen von jährlich 180 000 bis 200 000 Flüchtlingen bezeichnete Schulz als „reine statistische Größe“. Diese Zahlen seien deshalb auch keine Korrektur der bisherigen SPD-Position. Eine anderslautende Interpretation vor allem durch die CSU sei deren Problem.
Schulz verwies noch auf den Familiennachzug bei Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz. Auch hier sei nach wie vor sozialdemokratische Haltung, dass er erlaubt sein müsse.
Konsens herrscht offenbar bei der SPD über die weiteren möglichen Verhandlungen mit der Union. Vorausgesetzt, der Sonderparteitag beschließt die Aufnahme von Koalitionsgesprächen, sollen danach die Mitglieder über das Ergebnis abstimmen. Schulz sagte dies im Kloster Irsee aufs Neue.
Überprüfung nach zwei Jahren
Bayern-Parteichefin Kohnen unterstützte diesen Kurs am Mittwoch. Hierzu gehörte auch der Vorstoß, einen Koalitionsvertrag nach zwei Jahren nochmals zu überprüfen. Schulz sagte, es sei „sinnvoll, zu schauen, was dann anliegt“. Politische Rahmenbedingungen könnten sich schließlich geändert haben.
Fragen nach seiner politischen Zukunft bei einer Abstimmungsniederlage beim Sonderparteitag überging Schulz. Er vertrat die Ansicht, die gegenwärtige heftige Diskussion um Koalitionsverhandlungen schadeten „der Parteispitze nicht“. Schulz erteilte in diesem Zusammenhang einer Basta-Politik wie bei Gerhard Schröder eine Absage.
Am Mittwochmorgen hatte Schulz noch die rheinland-pfälzische SPD umworben. Am Nachmittag traf er nach heftigem Schneetreiben im historischen Irseer Kloster unweit der Ostallgäuer Stadt Kaufbeuren ein. Rund eineinviertel Stunden Zeit nahm er sich für die Landtagsfraktion. Während er sprach, drang immer wieder Beifall durch die geschlossenen Türen des Versammlungssaals nach außen.
Die Zustimmung der Landtagsfraktion war erwartet worden. Am Vortag hatte sich bereits Kohnen für Koalitionsgespräche ausgesprochen. Dies war ebenso bei zwei weiteren Größen der Bayern-SPD der Fall gewesen: beim Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter und seinem Nürnberger Kollegen Ulrich Maly.