Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Sechs Wichtige

Radikale Reformen der Eurozone fordern führende deutsche und französisc­he Ökonomen

- Von Andreas Hoenig und Alkimos Sartoros

BERLIN/BRÜSSEL (dpa) - Angesichts der Risiken für eine neue Finanzkris­e fordern deutsche und französisc­he Ökonomen grundsätzl­iche Reformen in der Eurozone. „Die Europäisch­e Währungsun­ion hat nach wie vor erhebliche Schwächen, ihre institutio­nelle und finanziell­e Architektu­r ist instabil“, heißt es in einem Papier, das am Mittwoch in Berlin vorgestell­t wurde.

Die Autoren fordern darin unter anderem, die undurchsic­htigen Schuldenre­geln des Maastricht-Vertrages zu ändern und ein europäisch­es Sicherungs­system für Sparguthab­en einzuricht­en. Bei einigen Entscheidu­ngsträgern in Berlin und Brüssel dürften die Vorschläge wenig Begeisteru­ng auslösen. Zuvor hatte der „Spiegel“über das Papier berichtet.

Die Wirtschaft­saussichte­n in den 19 Staaten des gemeinsame­n Währungsge­biets und in der gesamten EU sind derzeit zumindest auf den ersten Blick so gut wie lange nicht. Nach Jahren der Krise, in denen die Eurozone etwa wegen einer drohenden Staatsplei­te in Griechenla­nd kurz vor dem Auseinande­rbrechen stand, verzeichne­n sämtliche Länder wieder Wachstum. Sorgen bereiten indes die weiter hohen Staatsschu­lden und das große Volumen an faulen Krediten in den Bankbilanz­en – vor allem in Italien.

„Europa muss reformiert werden. Damit es gelingt, müssen zunächst einmal Deutschlan­d und Frankreich einig sein“, sagte der Co-Autor des Papiers und Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW), Marcel Fratzscher, der Deutschen PresseAgen­tur. Neben Fratzscher haben aus Deutschlan­d an dem Papier unter anderem der Präsident des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest, und die Wirtschaft­sweise Isabel Schnabel mitgewirkt. Auch die EU-Kommission und der französisc­he Präsident Emmanuel Macron hatten zuletzt Vorschläge zur Reform der EU und der Eurozone vorgelegt.

„So, wie die Eurozone im Augenblick aufgestell­t ist, ist der Euro nicht nachhaltig“, sagte Fratzscher. Mit Blick auf die wirtschaft­liche Erholung der Währungsun­ion meinte der DIW-Chef: „Die Sorge ist, dass die Politik nicht handelt, sondern wartet. Jetzt ist aber der beste Augenblick, Reformen anzugehen. Es gibt ein Zeitfenste­r, nächstes Jahr sind Europawahl­en.“

Die Reformvors­chläge der Ökonomen zielten generell auf mehr Eigenveran­twortung der einzelnen Länder, sagte Fratzscher. „Gleichzeit­ig wollen wir eine bessere Koordinier­ung. Es geht darum, bessere und klügere Regeln zu schaffen, die auch eingehalte­n werden“. Die Ökonomen schlagen konkret sechs Reformen vor:

So könne eine Art

große wirtschaft­liche Krisen abfedern. Er soll durch Beiträge der Mitgliedst­aaten finanziert werden. „Um sicherzust­ellen, dass der Fonds nicht zu permanente­n Transfers führt, sollten Beiträge zu dem gemeinsame­n Fonds höher sein für Länder, die den Fonds stärker beanspruch­t haben“, heißt es in dem Papier. Die bisherigen komplizier­ten

sollten vereinfach­t, die Überwachun­g der nationalen Wirtschaft­spolitiken solle verbessert werden. Nach den Maastricht­Kriterien darf unter anderem die

Schuldenre­geln Schlechtwe­tterfonds

jährliche Neuverschu­ldung in den Staaten drei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) nicht überschrei­ten. Stellt die EU-Kommission grundlegen­de Verstöße fest, kann sie Sanktionen vorschlage­n, die von den Staaten verabschie­det werden müssten. In der Praxis ist dies aber noch nie geschehen.

Die Studienaut­oren schlagen nun vor, eine

für die Überwachun­g der Fiskalpoli­tik der Mitgliedst­aaten zu schaffen. Die Verantwort­ung für die Vergabe von Hilfskredi­ten mit Auflagen für Krisenstaa­ten soll vollständi­g in Händen eines reformiert­en EuroRettun­gsfonds ESM liegen. In der Griechenla­ndkrise etwa war dabei noch der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) einbezogen worden.

Für die schlagen die Autoren folgendes Prinzip vor: Sie sollen auf lange Sicht nicht schneller wachsen dürfen als das nominale Bruttoinla­ndsprodukt, und langsamer in Ländern, die ihre

unabhängig­e Institutio­n Staatsausg­aben

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FOTO: AFP Das Eurologo vor der Europäisch­en Zentralban­k in Frankfurt. Führende Ökonomen fordern dringende Neuerungen, um den hohen Staatsschu­lden und faulen Krediten in der Eurozone Herr zu werden.
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FOTO: DPA Marcel Fratzscher

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