Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Zweiter Frühling auf dem Eis
„Die Anfängerin“: Ulrike Krumbiegel als Ärztin, die ihren Kindheitstraum wahrmachen möchte
Mit dem Begriff „Coming of Age“bringt man normalerweise Geschichten über das Heranwachsen von Kindern und Jugendlichen in Verbindung. Trotzdem könnte Alexandra Sells Debüt als Langfilmregisseurin und Autorin nicht treffender beschrieben werden: als Coming-of-Age-Tragikomödie. In „Die Anfängerin“begleitet sie eine eigentlich erfolgreiche Mittfünfzigerin dabei, dem Alltag als Ärztin zu entfliehen und ihr unverhofftes Glück an ganz anderer Stelle zu suchen – allen Widerständen, vor allem jenen ihrer anspruchsvollen Mutter, zum Trotz.
Annebärbel Buschhaus (Ulrike Krumbiegel) arbeitet in ihrer eigenen Praxis. Im Alltagstrott hat sie nicht bloß die Leidenschaft für ihren Beruf verloren. Auch Ehemann Rolf (Rainer Bock) kann die Unzufriedenheit seiner Frau nicht länger ertragen und trennt sich von ihr. Annebärbel beschließt, sich auf das zu besinnen, was sie bereits seit Kindertagen fasziniert: das Eiskunstlaufen. Obwohl sie zunächst belächelt wird, knüpft sie schnell freundschaftliche Bande zu der talentierten Nachwuchssportlerin Jolina (Maria Rogozina). Beide könnten zwar unterschiedlicher kaum sein, beginnen aber, einander zu unterstützen – manchmal auch gegen den Willen der anderen.
Regisseurin Alexandra Sell widmet sich dem Schicksal einer HobbyAthletin. Sie setzt Alter gegen Jugend, erfüllte gegen vergebliche Träume. Mit der Konzentration auf Annebärbel, die ihre Hoffnung auf eine Eislaufkarriere früh begrub, und die aufstrebende Jolina, die jetzt so alt ist, wie Annebärbel damals, erzählt Sell eine Geschichte von größtmöglichem Kontrast. Unaufgeregt gefilmt und fast ohne Hintergrundmusik auskommend, wird „Die Anfängerin“zu einer faszinierenden Studie übers Scheitern und Weitermachen – manchmal zum Brüllen komisch, aber immer mit dem notwendigen Tiefgang. (dpa)
Die Anfängerin. Regie: Alexandra Sell. Mit Ulrike Krumbiegel, Maria Rogozina, Christine Errath. Deutschland 2017. 98 Minuten. Ohne Altersbeschränkung.