Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wie der milde Winter die Natur verändert
Wasser und vergleichsweise hohe Temperaturen haben in der Region zum Teil schädliche Auswirkungen
FRIEDRICHSHAFEN - Das warme Wetter zu Beginn des neuen Jahres hat auch Auswirkungen auf die Umwelt. Einige Zugvögel ziehen wegen den milden Temperaturen nicht mehr in den Süden und bleiben in der Region und Obstlandwirte befürchten Schäden an den Blüten ihrer Bäume.Der Winter war laut SZ-Metereologe Roland Roth von der „Wetterwarte Süd“bislang überdurchschnittlich niederschlagsreich (siehe Kasten). Die milde Witterung um den Jahreswechsel in das Jahr 2018 sei aber nicht unüblich. In den höheren Lagen soll außerdem sehr viel Schnee gefallen sein.
Laut Robert Schwarz vom Landratsamt Bodenseekreis in Friedrichshafen hängen die Auswirkungen der milden Witterung auf den Wildbestand von der dadurch steigenden Verfügbarkeit von Nahrung für Wildschweine und Rotwild ab. In der Regel sank die Sterblichkeitsrate der Wildtiere in den letzten Winterjahren stetig. Auch kranke und schwache Tiere kommen heute einfacher durch den Winter.
Für die Forstwirtschaft ist der diesjährige Winter dagegen ein großes Problem. In den Waldgebieten haben die Forstmaschinen Probleme durchzufahren, weil die Böden zu stark vom Wasser aufgeweicht sind. Die durch den Orkan „Burglind“entstandenen Sturmschäden belaufen sich außerdem auf 10 000 bis 11 000 Kubikmeter gefallenes Holz. Die umgestürzten Bäume müssen bis Ende März beseitigt werden, da sich sonst Borkenkäfer in ihnen entwickeln könnten.
In der Landwirtschaft sind Überflutungen der Ackerflächen ein Problem. Gleichzeitig dezimiert der hohe Wasserstand aber Mauspopulationen, da die Gänge der unterirdischen Mausbauten überflutet werden und die Mäuse nicht rechtzeitig den Wassermassen entfliehen können. Für Getreidesorten schädliche Pilze können hingegen milde Winter leichter überstehen und im Frühjahr aufkeimende Pflanzen befallen.
Im Obstbau sind besonders Blüten von Pflanzen gefährdet, die wegen der hohen Temperaturen zu früh im Jahr aufgeblüht sind. Wenn die Temperaturen im Spätwinter kurzzeitig unter minus 15 Grad fallen, können die Blütenknospen absterben.
Noch mögliche Temperaturstürze in den zweistelligen Minusbereich verursachen in der Regel auch Frostrisse im Holz der Obstbäume. Diese Risse können sich zu einem Obstbaumkrebs entwickeln oder von Schädlingen wie dem „Ungleichen Holzbohrer“als Eintrittspforte genutzt werden.
Die Auswirkungen auf die heimische Tierwelt sind unterdessen nicht nur negativ. „Standvögel, die bei uns das ganze Jahr anzutreffen sind, wie Amsel, Kohlmeise und Kleiber brüten in den letzten Jahren immer früher im Jahr“, erklärt Gerhard Knötzsch, Vorsitzender von NABU Friedrichshafen-Tettnang.
Zugvögel bleiben gerne
Die Zugvögel, die zum Überwintern nur kurze Strecken nach Frankreich und Spanien ziehen, wie Hausrotschwanz, Zilpzalp, Ringeltaube und Bachstelze bleiben nun auch häufiger in Deutschland, da sie in warmen Wintern hier genug Nahrung finden können.
Im Gegensatz dazu ziehen Zugvögel aus Nord- und Osteuropa nicht mehr nach Süddeutschland, da sie gute Bedingungen in nördlich gelegeneren Regionen vorfinden.
Säugetiere, die Winterruhe halten, könnten allerdings Probleme während langandauernder Wärmeperioden im Winter bekommen. Zu ihnen gehört zum Beispiel der Igel, der, wenn er mitten im Winter aus der Schlafphase aufwacht, wegen Nahrungsmangels verhungern könnte. „Auch Amphibien und Insekten, die wegen der hohen Temperaturen früher aus ihren Ruhephasen aufwachen, können bei plötzlich eintreffenden Kälteeinbrüchen zugrunde gehen“, sagt Gerhard Knötzsch.
Eine Mückenplage soll es aber wegen der höheren Temperaturen im Winter und Frühjahr nicht geben. Laut Knötzsch hänge die Populationsgröße der Stechmücken immer vom jeweiligen Wasserstand im Frühjahr ab. Je höher der Wasserstand, desto mehr Stechmücken warten auf die Menschen im Sommer.