Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Image-Problem: Fahrer verzweifelt gesucht
Bus-Reiseveranstalter müssen Aufträge ablehnen, weil es zu wenig Chauffeure gibt
ALLGÄU - Die Busunternehmen der Region haben es schwer, neue Fahrer zu finden. „Das ist eine Katastrophe“, sagt Wolfgang Boll, Geschäftsführer von Busreisen Boll in Scheidegg (Westallgäu). „Wir stehen kurz davor, drei Busse wegzutun.“Für den kleinen Betrieb mit sechs festangestellten Fahrern und zehn Aushilfen sei der Nachwuchsmangel existenzbedrohend. Die meisten der Aushilfsfahrer seien Rentner. Fallen diese weg, sei das ein riesiges Problem. „Keiner will mehr am Wochenende arbeiten.“
Darin sieht auch Christian Enz, Prokurist des Busunternehmens „Komm mit“aus Ofterschwang (Oberallgäu), das Hauptproblem für den Fahrermangel im Reiseverkehr. „Die meisten Leute wollen nicht mehrere Tage unterwegs sein, sondern zu Hause bei den Familien.“Obwohl Reisebusfahrer dort „arbeiten, wo andere Urlaub machen“, wählen viele dennoch lieber den Linienverkehr, sagt Enz. Zwar melden sich auch Fahrer mit Migrationshintergrund, doch im Touristikverkehr seien vor allem Deutschkenntnisse wichtig.
Wegen der höheren Tariflöhne in Baden-Württemberg und in der Schweiz arbeiten viele bayerische Busfahrer dort, sagt Kirstin Neumayr, Sprecherin des Landesverbandes Bayerischer Omnibusunternehmen. Das bedeute, dass regionale Firmen teilweise auf Leiharbeiter aus Süd- und Südosteuropa ausweichen müssen. Die Gründe für den Fachkräftemangel: Durch den demografischen Wandel fehle der Nachwuchs. Doch der Beruf habe auch ein ImageProblem. Nicht zuletzt durch die Bezahlung. Im Schnitt verdiene ein Busfahrer bei 190 Stunden im Monat zwischen 2850 und 3200 Euro brutto. Hinzu kommen die Kosten für die Fahrlizenz. „Früher haben noch viele den Führerschein bei der Bundeswehr gemacht“, sagt Neumayr.
Für Bewerber seien die hohen Führerscheinkosten zwischen 7000 und 10 000 Euro abschreckend, weiß auch Enz. Das Busunternehmen „Komm mit“fährt auch im Verkehrsverbund Mona, der Kempten und das Oberallgäu im Nahverkehr abdeckt. Busverbindungen mussten bisher nicht gestrichen werden. „Aber wir spüren das bei Großveranstaltungen wie der Festwoche ganz deutlich. Da werden wesentlich mehr Fahrer gebraucht, als wir haben.“, sagt Enz.
Klaus Degenhart vom Busunternehmen Amos in Memmingen macht die Politik für die Misere verantwortlich. Die EU-weiten Ruhe- und Lenkzeitregelungen seien für Berufskraftfahrer sinnvoll, nicht aber für Busfahrer. Busfahrer sitzen im Gegensatz zu ihren Lkw-Kollegen nur etwa 50 Prozent ihrer Arbeitszeit hinter dem Steuer, schätzt Degenhart. Der Rest sei Wartezeit. Doch es gelten die gleichen Regeln: 45 Stunden Pause nach zwölf Tagen Fahrt im Ausland oder sechs Tagen im Inland. Degenhart müsse daher mittlerweile einige Aufträge ablehnen, obwohl ausreichend Busse auf dem Gelände stehen. Denn: Die Busfahrer haben Zwangspause. Unüberschaubar sei mittlerweile auch der Bürokratieaufwand. „Eigentlich bräuchte jeder Reisebusfahrer seine persönliche Sekretärin.“Viele Busfahrer wechseln daher zum Lkw-Fahren, sagt Degenhart. Andere Busreiseveranstalter hören auf. Nicht so das Busunternehmen Kößler aus Füssen (Ostallgäu). Der Betrieb setzt auf den Schulverkehr und Individualreisen. Nachwuchsprobleme gebe es nicht.
Im Logistik- und Speditionsgewerbe schaut es dagegen ebenfalls düster aus, wie in den meisten Busunternehmen. „In der ganzen Branche fehlen Berufskraftfahrer“, sagt Martin Neft, Unternehmenssprecher von Dachser in Kempten. Die Firma reagierte darauf und bildet nun ihren Nachwuchs selbst aus. Das soziale Image des Kraftfahrers muss besser werden, fordert hingegen Wolfgang Thoma, Geschäftsführer von Ansorge Logistik mit Sitz in Biessenhofen (Ostallgäu). „Auch ein Kraftfahrer hat Anspruch auf eine Work-Life-Balance.“