Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Südwest-Delegierte sind zufrieden
Mehrheit der Parteitagsmitglieder aus Baden-Württemberg stimmt mit „Ja“
BONN - Spannung bis zuletzt. Und dann Erleichterung pur, als kurz nach 16 Uhr die Entscheidung kam. Das Wunder geschah: Gegner wie Befürworter einer Großen Koalition waren im Bonner Congresszentrum zufrieden. Die Landesvorsitzende Leni Breymaier ebenso wie Leon Hahn, Juso-Chef im Südwesten. Und selbst die Große-Koalitions-Kritikerin Hilde Mattheis war nicht enttäuscht. Denn die Abstimmung war knapp.
„56 Prozent dafür“, so hatte Mattheis ausgerechnet, das sei doch eine Einstimmung für die GroKo-Gegner, weiterzumachen. So oder so aber sei sie froh, denn noch nie sei so intensiv diskutiert worden. Das helfe der Partei. Auch Leon Hahn hatte auf ein anderes Ergebnis gehofft. „Aber ich bin unglaublich stolz, wir gehen gestärkt aus dieser Diskussion hervor“, so Hahn.
Andreas Stoch, SPD-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, freute sich, dass nach intensivem Ringen dieses Ergebnis gefunden wurde. Aber, so mahnt Stoch, es müsse der Union klar geworden sein, dass die Zustimmung der SPD-Mitglieder bei den derzeitigen Sondierungsergebnissen noch keine Selbstverständlichkeit sei. Es sei „noch keine Begeisterung“da.
Baden-Württemberg stellte 47 der 600 Delegierten, die meisten stimmten am Ende zu. Auch in Oberschwaben und im Süden war die Stimmung in den letzten Wochen gemischt. Es gab erfahrene linke SPD-Politiker wie Rudolf Bindig, die dafür plädierten, dass die SPD Verantwortung übernehmen sollte. Und es gab Linke wie die Abgeordnete Hilde Mattheis, die vehement gegen die Aufnahme von Koalitionsgesprächen gestritten hatten. Mattheis warnte vor einer zunehmenden Profillosigkeit der SPD und davor, der AfD die stärkste Rolle in der Opposition zukommen zu lassen. „Wir sind eine große, linke Volkspartei“, so hatte Mattheis die Delegierten in Bonn beschworen, und gewarnt, dass die SPD bisher aus jeder Großen Koalition schwächer hervorgegangen sei.
Der Parteilinke Lothar Binding allerdings, der Vorsitzende der SPD 60+, der mit einem Zollstock beim letzten Parteitag die SPD daran erinnert hatte, nicht links zu blinken und rechts abzubiegen, war jetzt für die Aufnahme von Verhandlungen. Er erinnert an die Verantwortung seiner Partei. Und daran, dass man auch, um Opposition zu machen, schließlich erst einmal eine Bundesregierung haben müsse.
Frederick Brütting, SPD-Landesvize und Bürgermeister von Heubach, findet den Sondierungsvertrag „richtig gut in Bezug auf die Kommunen.“Es werde mehr für Bildung und Betreuung getan und er freue sich, wenn er auch in einem konservativ geführten Land wie Baden-Württemberg die Gebührenfreiheit für Bildung bekomme. Allerdings war Brütting unzufrieden mit dem Verlauf der Diskussion. „Man gewinnt den Eindruck, dass auf der einen Seite die Funktionäre und auf der anderen die Basis stehen“. Dabei meint er, dass sich viele Mitglieder eine Regierungsbildung wünschten.