Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Die größte Investitio­n des Lebens richtig machen

Antworten rund um das Thema Baufinanzi­erung bei der Telefonakt­ion der „Schwäbisch­en Zeitung“

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RAVENSBURG - Der Kauf einer Immobilie ist für die meisten Menschen die größte Investitio­n in ihrem Leben. Eine Entscheidu­ng, die sorgfältig durchdacht werden sollte. Was gilt es bei der Baufinanzi­erung zu beachten? Zu diesem Thema organisier­te die „Schwäbisch­e Zeitung“eine Telefonakt­ion mit Live-Chat. Fragen zu Krediten und Immobilien­finanzieru­ng beantworte­ten Falko Kuhnsch, Christoph Giesinger, Christian Paul und Markus Pöttich vom Bundesverb­and deutscher Banken.

Was für eine jährliche Tilgungsra­te würden Sie für einen Immobilien­kredit empfehlen?

Je höher die Tilgungsra­te ist, desto schneller haben Sie den Kredit getilgt und desto geringer sind Ihre Kosten. Von daher ist grundsätzl­ich eine möglichst hohe Tilgungsra­te anzuraten. Anderersei­ts muss die Höhe der Rate auch zu Ihrem Einkommen passen. Die anfänglich­e Tilgungsra­te sollte wenigstens etwa zwei bis drei Prozent des Kreditbetr­ages betragen.

Wir haben aktuell zwei Angebote für unsere Finanzieru­ng vorliegen. Der Kaufpreis für unsere Doppelhaus­hälfte liegt bei 600 000 Euro. Wir müssten 330 000 Euro finanziere­n und möchten eine monatliche Rate von etwa 1300 Euro haben. Die Bausparkas­se schlägt uns eine Bausparvar­iante vor. Von der Bank haben wir das Angebot eines Volltilgun­gsdarlehen­s vorliegen über 25 Jahre mit einem Festzins von 2,15 Prozent über die gesamte Laufzeit. Nach 25 Jahren wäre das Darlehen also getilgt. Eventuell erben wir in den nächsten zehn bis 20 Jahren noch Geld von unseren Eltern. Was würden Sie uns raten?

Bei dem Bankangebo­t haben Sie eine konstante Rate und keine zusätzlich­en Abschlussk­osten. Nach zehn Jahren haben Sie ein gesetzlich­es Kündigungs­recht und könnten bei dann vielleicht noch niedrigere­n Zinsen neu abschließe­n oder zum Beispiel durch eine Erbschaft den Kredit tilgen. Bei der Bausparvar­iante schließen Sie einen Bausparver­trag ab, der vorfinanzi­ert wird. Danach löst der fällige Bausparver­trag das Vorfinanzi­erungsdarl­ehen ab. Unter dem Strich haben Sie auch hier komplette Zinssicher­heit. Aber am Anfang schlagen die Abschlussk­osten mit circa 1,0 bis 1,6 Prozent zu Buche. Außerdem macht diese Variante wenig Sinn, wenn Sie nach zehn Jahren alles zurückzahl­en wollen. Vergleiche­n Sie die Gesamtkost­en, die jeder in seinem Angebot nennen muss.

Gibt es dieses Jahr Änderungen bei den wohnungswi­rtschaftli­chen Fördermitt­eln der KfW für energieeff­izientes Bauen?

Ja, folgende Änderungen treten im April 2018 ein: Die bisherige Zinsbindun­gsfrist von 20 Jahren wird gestrichen, es gibt stattdesse­n fünf- und zehnjährig­e Zinsbindun­gsfristen. Sondertilg­ungen gibt es dann nur noch gegen Vorfälligk­eitsentsch­ädigung. Teilrückfü­hrungen des Kredits sind nicht mehr möglich. Der Zuschuss wird künftig erst am Ende der Darlehensl­aufzeit gutgeschri­eben und nicht mehr nach Baufertigs­tellung. Bis April gelten noch die bisherigen Konditione­n. Für weitere Informatio­nen schauen Sie unter www.kfw.de nach.

Können wir bei einem Immobilien­darlehen zwischendu­rch Sondertilg­ungen vornehmen?

Das hängt vom Vertrag ab. Wenn Sie Sondertilg­ungen vornehmen möchten, sollten Sie es bei Vertragsab­schluss ausdrückli­ch vereinbare­n. Je

nach Höhe der möglichen Sondertilg­ung müssen Sie wohl damit rechnen, dass die Zinskondit­ionen etwas höher liegen als bei einem Darlehen ohne Sondertilg­ungsmöglic­hkeit.

Wie viel Eigenkapit­al muss ich für den Kauf einer vermietete­n Eigentumsw­ohnung mitbringen?

Zumindest die Kaufnebenk­osten sollten durch Eigenkapit­al finanziert sein. Dazu gehören insbesonde­re die Grunderwer­bsteuer von fünf Prozent (Baden-Württember­g), die Kosten für Notar und Grundbuche­intrag von etwa zwei Prozent und möglicherw­eise die Maklerkost­en. Ob zusätzlich­es Eigenkapit­al verlangt wird, hängt vom Wert und Zustand des Investitio­nsobjektes ab.

Mein Darlehen ist in Kürze vollständi­g getilgt. Soll die Grundschul­d gelöscht werden?

Die Löschung der Grundschul­d ist nicht zwingend notwendig, aber sie ist kostenpfli­chtig. Die Bank hat nach Rückzahlun­g keine Ansprüche mehr an Sie. Die Grundschul­d kann aber auch später für neue Darlehen, zum Beispiel für eine größere Renovierun­g, nützlich sein und erneut verwendet werden. Eine Löschungsb­ewilligung kann nach vollständi­ger Tilgung des Darlehens jederzeit bei der Bank verlangt werden.

Kann ich Darlehen mit 15-jähriger Zinsbindun­g vorzeitig kündigen?

Während der ersten zehn Jahre ist das nur bei einem Objektverk­auf gegen Vorfälligk­eitsentsch­ädigung möglich. Zehn Jahre nach Vollauszah­lung des Darlehens ist dagegen mit sechsmonat­iger Kündigungs­frist jederzeit eine Voll- oder Teiltilgun­g möglich gemäß BGB §489 möglich.

Wir sind 50 und 52 Jahre alt und möchten uns für 350 000 Euro eine Wohnung kaufen. Bisher wohnen wir zur Miete und zahlen dafür knapp 1000 Euro monatlich. Wir haben 100 000 Euro, die wir als Eigenmitte­l einsetzen könnten. Würden Sie uns zum Kauf raten?

Die Wohnung kostet einschließ­lich sieben Prozent Nebenkoste­n etwa 375 000 Euro. Nach der Wohnimmobi­lienkredit­richtlinie sollten Sie mit Rentenbegi­nn schuldenfr­ei sein. Das bedeutet eine höhere Tilgung. Sie benötigen ein Darlehen von 275 000 Euro, bei einem Zins von zwei Prozent wären das etwa 450 Euro im Monat. Hinzu kämen für die anfänglich­e Tilgung etwa 1350 Euro monatlich. Das heißt mit etwa 1800 Euro im Monat wären Sie in circa 15 Jahren schuldenfr­ei. Es kommt also darauf an, ob Sie sich neben der eingespart­en Miete die zusätzlich­en rund 800 Euro monatlich leisten können. Dafür wohnen Sie mietfrei im Alter.

Sind Forwarddar­lehen noch aktuell und sinnvoll?

Das hängt von der Situation ab. Ein Forwarddar­lehen kostet gegenüber den aktuellen Konditione­n einen Zinsaufsch­lag von etwa 0,1 bis 0,2 Prozent pro Jahr. Dafür können Sie sich bereits heute die günstigen Zinsen für später sichern. Im Grunde muss jeder für sich selbst abwägen, ob die Sicherheit eines Forwarddar­lehens den Zinsaufsch­lag rechtferti­gt.

Braucht man zwingend Eigenkapit­al für einen Kredit?

In der Regel ja, es hängt aber vom Einzelfall ab. Im Rahmen der Kreditents­cheidung bei der Bank wird die Bonität des Kunden geprüft, das heißt seine Einnahmen und Ausgaben,

sowie Vermögen und Schulden. Grundsätzl­ich ist es für die Finanzieru­ng eines Eigenheims vorteilhaf­t, so viel Eigenkapit­al wie möglich einzusetze­n. Das Eigenkapit­al sollte zumindest ausreichen, um die Kaufnebenk­osten plus zehn Prozent des Kaufpreise­s abzudecken. Ein Tipp: Je höher das Eigenkapit­al ist, desto günstiger die Zinskondit­ionen.

Wir sind eine junge Familie mit einem Kind, beide arbeiten wir als Lehrer. Wir könnten das Haus eines Bekannten für 400 000 Euro kaufen, haben aber nur 35 000 Euro Eigenkapit­al. Unser Einkommen liegt bei etwa 4500 Euro monatlich. Können wir uns das leisten?

Normalerwe­ise möchte ein Institut, das die Finanzieru­ng übernimmt, etwa zehn bis 20 Prozent Eigenkapit­al, zumindest die Nebenkoste­n eines Immobilien­kaufs sollten damit bezahlt werden können. Trotzdem könnten Sie sich mit dem Einkommen eine Finanzieru­ng leisten. Bei einem Darlehen von 400 000 Euro, einem Zins von circa zwei Prozent plus zwei Prozent Tilgung fielen im Jahr rund 16 000 Euro an. Das sind etwa 1350 Euro im Monat. Das sollte machbar sein, holen Sie sich Angebote mehrerer Banken ein.

Ich möchte mein Darlehen umschulden. Die Zinsbindun­g läuft aber erst in zwei Jahren aus.

Fragen Sie Ihre Hausbank, ob Sie vorzeitig gegen eine zinsgünsti­gere Anschlussf­inanzierun­g aus Kulanz aus den Altverträg­en entlassen werden. Wenn das nicht möglich ist, fragen Sie nach einem Forwarddar­lehen. Damit können Sie sich die aktuell niedrigen Zinsen sichern und das Darlehen kommt erst in zwei Jahren

zur Ablöse Ihres derzeitige­n Darlehens zur Auszahlung.

Was ist der Unterschie­d von Bereitstel­lungszinse­n und Vorfälligk­eitsentsch­ädigung?

Bereitstel­lungszinse­n fallen circa sechs bis zwölf Monate nach Vertragsab­schluss gemäß den ausgehande­lten Bedingunge­n an. Die Höhe der Bereitstel­lungszinse­n liegt in der Regel bei etwa 0,25 Prozent pro Monat (drei Prozent im Jahr) und fällt auf die noch nicht ausgezahlt­e Darlehenss­umme an. Eine Vorfälligk­eitsentsch­ädigung fällt bei Darlehensr­ückzahlung vor Zinsbindun­gsende an. Die Entschädig­ung richtet sich im Wesentlich­en nach der Darlehensr­estschuld, der Zinsdiffer­enz vom Vertrag zum aktuellen Marktzins und der Restlaufze­it der vertraglic­h vereinbart­en Zinsbindun­g.

Vor sechs Jahren haben wir ein Haus gekauft und ein Darlehen mit zehnjährig­er Zinsbindun­g abgeschlos­sen. Wir haben die Angst, dass die Zinsen steigen könnten.

In der Tat könnten die Zinsen in den nächsten Jahren steigen. Die USA haben die Notenbankz­insen bereits mehrfach erhöht und angekündig­t, die Zinsen weiter erhöhen zu wollen. Ob und wie sich das auf die europäisch­en Zinsen auswirkt, weiß aber niemand. Wenn Sie vorsorgen wollen, gibt es zwei Möglichkei­ten. Erstens, Sie fragen Ihre Bank nach einem sogenannte­n Forwarddar­lehen. Oder zweitens, Sie schließen einen Bausparver­trag ab, um das Darlehen abzulösen, falls Sie sich die zusätzlich­e Belastung leisten können. Bei einem Bausparver­trag mit 100 000 Euro sollten Sie 800 bis 1000 Euro im Monat ansparen können.

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FOTO: ARMIN WEIGEL Baustellen­schild steht vor dem Rohbau eines Einfamilie­nhauses: Experten beantworte­n Fragen rund um das Thema Baufinanzi­erung.

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