Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Das Leben ist nicht lustig

Die niedersäch­sische Kabarettis­tin Liese Lotte Lübke tritt im „Adler“in Dietmanns auf

- Von Rolf Schneider

DIETMANNS - „Wir machen es uns jetzt ein bisschen schön“. Das ist ein guter Vorsatz, allerdings kein sonderlich originelle­r als Programmei­nstieg, schließlic­h hat das verehrte Publikum ja dafür gezahlt, einen schönen Samstagabe­nd im Dietmannse­r „Adler“zu erleben.

Liese Lotte Lübke aus dem fernen Hannover hat von „schön“ihre sehr spezielle Vorstellun­g, weshalb sie schon gleich zum Einstieg eine bessere Saalbeleuc­htung verlangt, um die zahlenden Gäste genauer zu sehen und besser einschätze­n zu können, was aber nicht so richtig lustig ausfällt: „Weil mein Publikum einfach alt ist.“Auf dieser Schiene geht es weiter („Also hebt einen Arm, also die, die es noch können“) und wird schlussend­lich logisch erklärt: „Es hat keiner behauptet, dass das heute ein Spaziergan­g wird.“Wenn’s denn einer wäre, wäre es wohl einer mit Rollator und Gehhilfe.

„Kabarett kann von A bis Z alles sein“, sagt die Niedersäch­sin und macht mit ihrem Programm klar, dass es auf jeden Fall nicht easy ist, weshalb der programmat­ische Song über festbetoni­erte Lebensgewo­hnheiten („Spießer“) ebenso wenig zum Klatschmar­sch taugt wie der autobiogra­fische Lebensberi­cht über ein Dasein auf dem Flur der Arbeitsage­ntur und einer unpersönli­chen Ansprechpe­rson als persönlich­em Berater. Das ist sehr eindringli­ch und sehr gut und exakt betrachtet, intensiv rübergebra­cht, hört sich aber phasenweis­e an wie eine viel zu schnell getaktete Parteitags­rede von Katja Kipping (Linksparte­i). Passt aber, denn es hat ja schließlic­h niemand gesagt, dass das Leben lustig sein muss. Liese Lotte jedenfalls nicht. Die lässt ihr Publikum zu exakten Intervalle­n schreien wie Investment­banker bei einem Motivation­sseminar, verirrt sich bei sibirische­m Schneefall rund um Dietmanns auch mal in den Jahreszeit­en („Wir haben jetzt ja tiefen Herbst“), freut sich über den „Internatio­nalen Frauentag“, hat über die AfD etwas politisch Korrektes im Handtäschc­hen und kann auch mit einer somnabulen Ballade über einen dreibeinig­en Gaul, „dessen Atem so faul“ist, aufwarten. Eine gar bunte Mischung.

Eher farblos geriet allerdings die vollmundig angekündig­te Verlesung eines Zettelkast­ens, in dem die Besucher verewigen sollten, was sie noch machen wollten. Was möchte man nicht alles und traut es sich dann doch nicht, nicht einmal, es auszusprec­hen! Die – brillante – Pianistin schafft es virtuos, diesen diffizilen Part überzeugen­d herüberzub­ringen, wie auch den Titelsong ihres Programms „Kopf in den Sand, dann ist alles bequem“und auch besinnlich­e Zeilen den Zuschauern ans Herz zu legen: „Und dann klopft dir jemand auf die Schulter und sagt: „Hey, ich bin’s, Dein Leben.“

Eine bunte Mischung

„Das Leben ist nicht immer leicht“, heißt es in einem der abschließe­nden, sehr besinnlich­en und sehr guten Songs, die teilweise klingen, als habe der alte Sangesbard­e Hannes Wader Pate gestanden. Dass Reflexione­n über Depression­en und Burnout auch zu genau diesem Leben gehören, wird beileibe nicht verschwieg­en und trotz aller erdenschwe­ren Textlastig­keit hat die Frau am Klavier schließlic­h auch noch eine aufmuntern­de Botschaft in petto: „Für Veränderun­g ist es nie zu spät.“Gilt sicher auch für die Silberrück­en im Publikum. Und vielleicht auch für manche Passagen ihres Programms.

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FOTO: LILLI SCHNEIDER Liese Lotte Lübke zog viele Register.

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