Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Den Druck erhöht
Im Tarifkonflikt der Metall- und Elektroindustrie ist keine Einigung in Sicht
FRIEDRICHSHAFEN - Sie tragen rote Kappen, schwenken rote Fahnen. Und sie wirken entschlossen. Siegessicher wie Fußballfans auf dem Weg zum Stadion. 2500 dürften es sein, die sich auf dem Maybachplatz in Friedrichshafen versammelt haben. Um Bälle und Tore geht es ihnen aber nicht. Wären sie tatsächlich Fußballfans, würden sie den Grund für ihre Versammlung wohl am ehesten als „Foul“bezeichnen. Es sind Beschäftigte metallverarbeitender Betriebe, die ihren Arbeitgebern vorwerfen, sie nicht angemessen am Unternehmenserfolg zu beteiligen. Und sie sind nicht gewillt, dies widerstandslos hinzunehmen.
Ihre Taktik würde man in der Fußballersprache als „Pressing“bezeichnen: den Gegner unter Druck setzen. Dafür haben an diesem Tag allein in Friedrichshafen mehr als 10 000 Metaller ihre Arbeit niedergelegt. Und einer ihrer Anführer macht unmissverständlich klar, dass sie sich nicht davor scheuen, das zu wiederholen. „Wir haben genug Druck auf dem Kessel und sind bereit, ihn so lange weiter anzuheizen, bis der Kessel richtig Luft ablässt“, sagt Achim Dietrich, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der ZF Friedrichshafen AG.
So wie am Bodensee war es auch anderswo: Zur entscheidenden Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie haben Metaller am Mittwoch noch einmal ihren Forderungen Nachdruck verliehen. In Bayern haben sich nach Angaben der IG Metall mehr als 28 000 Beschäftigte aus 33 Betrieben an Warnstreiks beteiligt. Bei den beiden Autoherstellern Audi und BMW hätten wegen der Arbeitsniederlegungen die Bänder zeitweise stillgestanden, teilte die Gewerkschaft mit.
Roman Zitzelsberger, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg, zeigte sich in Neckarsulm auf einer Kundgebung vor rund 7500 Beschäftigten von Audi, Kolbenschmidt und KS Huayu Alutech kämpferisch: „Jetzt liegt es an den Arbeitgebern, die Verhandlungen einen entscheidenden Schritt nach vorne zu bringen und damit eine weitere Eskalation zu vermeiden. An Lösungsvorschlägen unsererseits mangelt es nicht.“
Vor der vierten Verhandlungsrunde haben Arbeitgeber und Gewerkschaft ihre Bereitschaft zu Lösungen bekundet. Die Tarifparteien streben einen Pilotabschluss im Bezirk Baden-Württemberg an. Verhandelt wird für bundesweit rund 3,9 Millionen Beschäftigte. „Ich möchte heute hier nicht über ganztägige Warnstreiks reden, sondern wir sind hier, um an Lösungen zu arbeiten“, sagte Zitzelsberger. Der Chef des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall, Stefan Wolf, sagte: „Wir haben auf beiden Seiten Interesse daran, die Verhandlungen zeitnah abzuschließen.“Man habe in den Expertenrunden bereits gute Ergebnisse erarbeitet. Über mehr Geld für die Metaller wurde bisher noch gar nicht geredet.
Vielmehr geht es um die Forderung der Gewerkschaft, dass Beschäftigte ihre Arbeitszeit für die Dauer von bis zu zwei Jahren auf 28 Wochenstunden reduzieren können. Dem stehe der Arbeitgeberverband grundsätzlich offen gegenüber, „allerdings nur, wenn es dann auch eine Volumenöffnung nach oben gibt“, wie Verbandschef Stefan Wolf sagte. Gemeint ist damit die Möglichkeit, die Arbeitszeit auch auf bis zu 40 Stunden erhöhen zu können. Es gebe in Betrieben viele Menschen, die gerne mehr arbeiten und dadurch mehr Geld verdienen würden, erklärte Wolf.
Finanzieller Ausgleich strittig
Weiterhin strittig ist die Forderung der IG Metall, Schichtarbeitern sowie Beschäftigten mit kleinen Kindern oder Pflegebedürftigen in der Familie einen finanziellen Ausgleich zu bieten, wenn sie ihre Wochenstunden reduzieren. Hier will die IG Metall laut Zitzelsberger einen Alternativvorschlag vorlegen. Die Arbeitgeber halten den Zuschuss für unrechtmäßig, weil er all jene diskriminiere, die bisher schon Teilzeit arbeiteten, aber kein zusätzliches Geld erhielten.
Die vierte Verhandlungsrunde ging am späten Mittwochabend in Böblingen ohne Ergebnis zu Ende. Für das Scheitern machten sich die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter im Anschluss gegenseitig verantwortlich. Die Option, dass der Tarifkonflikt womöglich am Wochenende gelöst werden könnte, ist damit zunächst in weite Ferne gerückt.
Am Donnerstag wollen sich die Verhandlungsführer innerhalb ihrer jeweiligen Verbände über das weitere Vorgehen beraten. Der Branche drohen von der kommenden Woche an eintägige Warnstreiks.