Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„So richtig erträglich wurde es nach einem Jahr“
Die Aichstetter Band Noir Blanc besteht aus Einheimischen und Flüchtlingen – Jeder Auftritt ist ein Motivationsschub
AICHSTETTEN - Eine in der Region wohl einzigartige Band gibt es in Aichstetten. Das Besondere an Noir Blanc ist dabei ihre Besetzung. Sie besteht aus Flüchtlingen und Einheimischen. Die Mitglieder kommen aus Kamerun, Gambia, Syrien und Aichstetten.
Im Dezember 2015 entstand im Asyl-Helferkreise die Idee, mit einigen Flüchtlingen Musik zu machen. „Es gab damals noch keine richtig konkrete Vorstellung, was daraus werden soll. Es ging einfach darum, die Jungs ein-, zweimal die Woche ein paar Stunden zu beschäftigen“, erinnert sich Bandleader Dietmar Lohmiller. „Zu unserer Überraschung kamen zum ersten Termin sechs Schwarzafrikaner. Drei von ihnen sind noch heute dabei.“
Zunächst ein Kulturschock
In den Folgemonaten wuchs die Gruppe um mehrere junge Mädchen der Musik-AG der örtliche Eichenwaldschule. „Das erste Treffen war ein tolles Ereignis“, erzählt er. „Als die 13-Jährigen mit jungen Erwachsenen aus Afrika zusammentrafen, war das für beide Seiten ein Kulturschock. Aber es hat funktioniert.“
Im Mai 2016 schlossen sich zwei Brüderpaare aus Syrien an. „Sie waren unglaublich motiviert, ein Instrument zu lernen“, sagt Lohmiller, der ihnen daher zunächst separaten Unterricht an Schlagzeug, Saxophon und E-Gitarre gab.
Der Bandleader, der auch Bürgermeister der 2800-Seelen-Gemeinde an der Grenze zu Bayern ist, verschweigt nicht, dass es nicht immer einfach war. Struktur hineinzubekommen, sei schwierig gewesen, erinnert er sich. „Die Pünktlichkeit ist oft ein Problem. Man wusste vor der Probe nie, wer wann und überhaupt kommt“Das habe sich aber stark verbessert, seit die Band immer wieder Auftritte hat.
Auch musikalisch war’s bis dahin freilich ein steiniger Weg. Zumal Lohmiller da durchaus Ansprüche hat. Der 56-Jährige macht immerhin seit mehr als 40 Jahren Musik, spielt mehrere Instrumente (vorrangig aber Gitarre) und war Mitglied der Band Sweet Dreams, von der auch die meisten Instrumente von Noir Blanc stammen. „Musik ist Spaß und darf auch wild sein. Es muss aber auch nach etwas klingen, sonst ist es nur Lärm. So richtig erträglich wurde es bei uns nach etwa einem Jahr.“
Es folgten mehrere kleinere Auftritte in und um Aichstetten, dann der erste große bei der K4-Nacht in Leutkirch. In der Großen Kreisstadt erlebte Noir Blanc auch seinen bisherigen Höhepunkt. „Beim Auftritt zur Clip-Award-Night in der Festhalle gehörte uns die Bühne ganz alleine. Bis dahin waren wir bei unseren Auftritten ja immer sozusagen die Hintergrundmusik. Nun hatten wir erstmals die ganze Aufmerksamkeit des Publikums für uns. Da schlug uns allen das Herz höher. Es motivierte aber auch immens.“
Auf 13 Mitglieder ist Noir Blanc mittlerweile angewachsen: Frang und Ridel aus Kamerun, Mohammed aus Gambia, Ayman, Mohamed und Aghiad aus Syrien, die Aichstetter Werkrealschülerinnen Nicole, Lena, Alena und Yana und die Aichstetter Klaus, Anita und Dietmar. Neue Mitglieder sind gern gesehen.
Schlagzeug statt Getränke
Wie der 71-jährige Klaus zur Band kam, erzählt Lohmiller, sei dabei typisch für Noir Blanc. „Er kam bei einem Fest, auf dem wir spielten, auf mich zu und fragte, ob er uns was Gutes tun kann. Ich war gerade beschäftigt, dachte, er will uns Getränke spendieren, und wollte ihn schon abwimmeln. Aber Klaus war hartnäckig. Schließlich stellte sich heraus, dass er fragen wollte, ob er uns ein Schlagzeug kaufen darf.“
Klaus durfte – und wurde von Lohmiller auch dazu überredet, Bandmitglied zu werden. „Klaus ist ein Teiltalent. Das Gitarrespielen würde er wohl nie lernen, aber er hat ein unglaubliches Rhythmusgefühl.“Der 71-Jährige spielt mittlerweile Trommel und Cajón und sagt freudestrahlend: „Vor anderthalb Jahren wusste ich noch gar nicht, wie schön Musikmachen sein kann.“
„Zeigen, dass es sich lohnt“
Diese Freude am Tun eint die Mitglieder von Noir Blanc und ist ihr Antrieb. „Natürlich steht bei unseren Flüchtlingen immer die Angst im Hintergrund, dass sie wieder zurückgeschickt werden. Aber wenn wir zusammen sind, genießen wir das Jetzt“, sagt Lohmiller.
Ist Noir Blanc, sind Ridel, Mohamed und Co. ein Vorbild in Sachen Integrationsarbeit? „So hoch will ich das nicht hängen“, sagt Lohmiller. „Aber sie sind stolz auf sich, und ihre Freunde und Familien sind stolz auf sie. Insofern sind sie natürlich Vorbilder, die zeigen, dass es sich lohnt, in der Spur zu bleiben, und dass etwas Sinnvolles rauskommen kann, wenn man sich gemeinsam engagiert.“