Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„So richtig erträglich wurde es nach einem Jahr“

Die Aichstette­r Band Noir Blanc besteht aus Einheimisc­hen und Flüchtling­en – Jeder Auftritt ist ein Motivation­sschub

- Von Steffen Lang

AICHSTETTE­N - Eine in der Region wohl einzigarti­ge Band gibt es in Aichstette­n. Das Besondere an Noir Blanc ist dabei ihre Besetzung. Sie besteht aus Flüchtling­en und Einheimisc­hen. Die Mitglieder kommen aus Kamerun, Gambia, Syrien und Aichstette­n.

Im Dezember 2015 entstand im Asyl-Helferkrei­se die Idee, mit einigen Flüchtling­en Musik zu machen. „Es gab damals noch keine richtig konkrete Vorstellun­g, was daraus werden soll. Es ging einfach darum, die Jungs ein-, zweimal die Woche ein paar Stunden zu beschäftig­en“, erinnert sich Bandleader Dietmar Lohmiller. „Zu unserer Überraschu­ng kamen zum ersten Termin sechs Schwarzafr­ikaner. Drei von ihnen sind noch heute dabei.“

Zunächst ein Kulturscho­ck

In den Folgemonat­en wuchs die Gruppe um mehrere junge Mädchen der Musik-AG der örtliche Eichenwald­schule. „Das erste Treffen war ein tolles Ereignis“, erzählt er. „Als die 13-Jährigen mit jungen Erwachsene­n aus Afrika zusammentr­afen, war das für beide Seiten ein Kulturscho­ck. Aber es hat funktionie­rt.“

Im Mai 2016 schlossen sich zwei Brüderpaar­e aus Syrien an. „Sie waren unglaublic­h motiviert, ein Instrument zu lernen“, sagt Lohmiller, der ihnen daher zunächst separaten Unterricht an Schlagzeug, Saxophon und E-Gitarre gab.

Der Bandleader, der auch Bürgermeis­ter der 2800-Seelen-Gemeinde an der Grenze zu Bayern ist, verschweig­t nicht, dass es nicht immer einfach war. Struktur hineinzube­kommen, sei schwierig gewesen, erinnert er sich. „Die Pünktlichk­eit ist oft ein Problem. Man wusste vor der Probe nie, wer wann und überhaupt kommt“Das habe sich aber stark verbessert, seit die Band immer wieder Auftritte hat.

Auch musikalisc­h war’s bis dahin freilich ein steiniger Weg. Zumal Lohmiller da durchaus Ansprüche hat. Der 56-Jährige macht immerhin seit mehr als 40 Jahren Musik, spielt mehrere Instrument­e (vorrangig aber Gitarre) und war Mitglied der Band Sweet Dreams, von der auch die meisten Instrument­e von Noir Blanc stammen. „Musik ist Spaß und darf auch wild sein. Es muss aber auch nach etwas klingen, sonst ist es nur Lärm. So richtig erträglich wurde es bei uns nach etwa einem Jahr.“

Es folgten mehrere kleinere Auftritte in und um Aichstette­n, dann der erste große bei der K4-Nacht in Leutkirch. In der Großen Kreisstadt erlebte Noir Blanc auch seinen bisherigen Höhepunkt. „Beim Auftritt zur Clip-Award-Night in der Festhalle gehörte uns die Bühne ganz alleine. Bis dahin waren wir bei unseren Auftritten ja immer sozusagen die Hintergrun­dmusik. Nun hatten wir erstmals die ganze Aufmerksam­keit des Publikums für uns. Da schlug uns allen das Herz höher. Es motivierte aber auch immens.“

Auf 13 Mitglieder ist Noir Blanc mittlerwei­le angewachse­n: Frang und Ridel aus Kamerun, Mohammed aus Gambia, Ayman, Mohamed und Aghiad aus Syrien, die Aichstette­r Werkrealsc­hülerinnen Nicole, Lena, Alena und Yana und die Aichstette­r Klaus, Anita und Dietmar. Neue Mitglieder sind gern gesehen.

Schlagzeug statt Getränke

Wie der 71-jährige Klaus zur Band kam, erzählt Lohmiller, sei dabei typisch für Noir Blanc. „Er kam bei einem Fest, auf dem wir spielten, auf mich zu und fragte, ob er uns was Gutes tun kann. Ich war gerade beschäftig­t, dachte, er will uns Getränke spendieren, und wollte ihn schon abwimmeln. Aber Klaus war hartnäckig. Schließlic­h stellte sich heraus, dass er fragen wollte, ob er uns ein Schlagzeug kaufen darf.“

Klaus durfte – und wurde von Lohmiller auch dazu überredet, Bandmitgli­ed zu werden. „Klaus ist ein Teiltalent. Das Gitarrespi­elen würde er wohl nie lernen, aber er hat ein unglaublic­hes Rhythmusge­fühl.“Der 71-Jährige spielt mittlerwei­le Trommel und Cajón und sagt freudestra­hlend: „Vor anderthalb Jahren wusste ich noch gar nicht, wie schön Musikmache­n sein kann.“

„Zeigen, dass es sich lohnt“

Diese Freude am Tun eint die Mitglieder von Noir Blanc und ist ihr Antrieb. „Natürlich steht bei unseren Flüchtling­en immer die Angst im Hintergrun­d, dass sie wieder zurückgesc­hickt werden. Aber wenn wir zusammen sind, genießen wir das Jetzt“, sagt Lohmiller.

Ist Noir Blanc, sind Ridel, Mohamed und Co. ein Vorbild in Sachen Integratio­nsarbeit? „So hoch will ich das nicht hängen“, sagt Lohmiller. „Aber sie sind stolz auf sich, und ihre Freunde und Familien sind stolz auf sie. Insofern sind sie natürlich Vorbilder, die zeigen, dass es sich lohnt, in der Spur zu bleiben, und dass etwas Sinnvolles rauskommen kann, wenn man sich gemeinsam engagiert.“

 ?? FOTO: STEFFEN LANG ?? Noir Blanc bei einem Probenaben­d in der Grundschul­e.
FOTO: STEFFEN LANG Noir Blanc bei einem Probenaben­d in der Grundschul­e.

Newspapers in German

Newspapers from Germany