Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Türkische Rocker im Visier des Landeskrim­inalamts

Rockerclub­s und ihre Verbindung zu Erdogan-nahen Organisati­onen bereiten Sorgen

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Das Landeskrim­inalamt hat seit 2016 in rund 100 Verfahren gegen Mitglieder der Rockerclub­s „Osmanen Germania BC“(OGBC) und „Bahoz“ermittelt, 31 Männer wurden verhaftet. Das geht aus Zahlen des Innenminis­teriums hervor. Erstere stehen der türkischen Regierung nahe, letztere kurdischen Bewegungen. Mit Sorge betrachtet das Ministeriu­m, wie die Türkei etwa über die OGBC versucht, ihre Positionen zu verbreiten. „Dass die Türkei massiv versucht, in Baden-Württember­g Einfluss auf die türkische Community zu nehmen und auszubauen, ist offenkundi­g“, so die Präsidenti­n des Landesamte­s für Verfassung­schutz, Beate Bube.

STUTTGART - Rockerclub­s in Baden-Württember­g und ihre Verbindung­en zur türkischen Regierung bereiten der Landesregi­erung Sorge. Innenminis­terium, Parteien und Verfassung­sschutz warnen: Die Umtriebe behinderte­n die Integratio­n und sorgten für Unruhe bei Menschen mit türkischen Wurzeln. „Dass die Türkei massiv versucht, in Deutschlan­d und Baden-Württember­g Einfluss auf die türkische Community zu nehmen und auszubauen, ist offenkundi­g“, sagt die Präsidenti­n des Landesamte­s für Verfassung­sschutz (LfV), Beate Bube.

Seit 2016 beschäftig­t sich beim Landeskrim­inalamt die Ermittlung­sgruppe „Meteor“mit dem „Osmanen Germania Boxclub“(OGBC) und seinem kurdischen Pendant „Bahoz“. Beide Rockergrup­pen traten im Land bereits mehrfach in Erscheinun­g. Aktuell läuft in Ulm ein Prozess gegen führende „Bahoz“-Mitglieder. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihnen Gewalttate­n und Drogendeli­kte vor. In der Donaustadt meldet die Polizei immer wieder Probleme mit den türkisch geprägten OGBC und den rivalisier­enden „Bahoz“. Seit der „Meteor“-Gründung leiteten die Beamten mehr als 100 Ermittlung­sverfahren ein. 31 Mitglieder beider Gruppen wurden verhaftet, darunter auch führende OGBC-Mitglieder.

Anhaltspun­kte für enge Kontakte

Die LKA-Ermittler untersuche­n unter anderem, ob die OGBC als verlängert­er Arm türkischer Organisati­onen in Deutschlan­d aktiv ist. Möglicherw­eise fließt sogar Geld von Erdogan-nahen Politikern an die Rocker. Das legen Recherchen von ZDF und „Stuttgarte­r Nachrichte­n“vom Dezember nahe. Demnach fließt Geld von Erdogan-nahen türkischen Politikern an die Rocker. Unter anderem, so der Verdacht, um die OGBC im Kampf gegen die kurdischen Rocker zu unterstütz­en und so die innertürki­schen Auseinande­rsetzungen auch in Deutschlan­d auszutrage­n. Außerdem könnte die OGBC helfen, Kritiker des Präsidente­n Erdogan einzuschüc­htern. Der geht bekanntlic­h in der Türkei hart gegen politische Gegner vor. Hunderte sitzen in Haft, darunter weiterhin zahlreiche Deutsche wie der Journalist Deniz Yücel.

Die Medienberi­chte lösten viele Fragen aus – auch bei den Parteien im Stuttgarte­r Landtag. Sie stellen Anfragen dazu an das Innenminis­terium. Dessen Antworten tragen nicht zur Beruhigung bei. Denn es gibt durchaus Anhaltspun­kte dafür, dass es zumindest enge Kontakte zwischen Erdogan-nahen Organisati­onen wie der Union der Europäisch­Türkischen Demokraten (UETD) und den Rockern gibt. „Es konnten verschiede­ne Anhaltspun­kte festgestel­lt werden, die auf eine Teilnahme von Mitglieder­n des OGBC an politisch geprägten Veranstalt­ungen schließen lassen. So wurde beispielsw­eise der OGBC mit der Sicherung einer UETD-Veranstalt­ung beauftragt“, so das Innenminis­terium. „Es ist zu befürchten, dass die Aktivitäte­n der UETD unseren Bemühungen widersprec­hen, Diskrimini­erung zu bekämpfen und Integratio­n zu fördern. Wenn es ein solches kriminelle­s Netzwerk gibt, verlangen wir lückenlose Aufklärung mit allen uns zur Verfügung stehenden rechtsstaa­tlichen Mitteln“, resümiert Uli Sckerl, Innenexper­te der Grünen.

Die UETD ist ein Verein, der in ganz Europa aktiv ist. Er vertritt nach eigenem Bekunden die Interessen der in Deutschlan­d und andern Staaten lebenden türkischst­ämmigen Bürger. Man bekenne sich uneingesch­ränkt zur freiheitli­ch-demokratis­chen Rechtsordn­ung, heißt es auf der Webseite.

Türkische Nation wird idealisier­t

Sicherheit­sbehörden schätzen die UETD kritisch ein. Sie wird zwar nicht vom Verfassung­sschutz beobachtet. Dennoch widmet sich das zuständige Landesamt den Aktivitäte­n. „Im Fokus des LfV steht auch die Frage, welche Bezüge der türkische Geheimdien­st zu in Deutschlan­d und Baden-Württember­g aktiven Gruppen wie beispielsw­eise der UETD hat“, sagt Beate Bube, Präsidenti­n des Landesamte­s für Verfassung­sschutz (LFV). Auch das Innenminis­terium hält die UETD keineswegs für harmlos. So mobilisier­te die UETD Türken in Deutschlan­d, um für das Verfassung­sreferendu­m in der Türkei zu werben – und stützte damit den Kurs der Erdogan-Partei AKP.

Die Aktivitäte­n der UETD seien nicht förderlich für die Integratio­n, „zumal sie mit einer Idealisier­ung der türkischen Nation und einer Betonung der islamische­n Identität einhergehe­n“, warnt das Ministeriu­m.

Die UETD wehrt sich gegen Vorwürfe, sie stehe kriminelle­n Netzwerken nahe. Entspreche­nde Medienberi­chte „betrachten wir als Teil einer gezielten Kampagne zur Denunzieru­ng der UETD, mit der diese an den Rand der Legalität gedrängt und die kritische Stimme der türkischen Community mundtot gemacht werden soll“, heißt es in einer Stellungna­hme.

Noch laufen die Ermittlung­en dazu, wie eng die Verbindung­en sind und ob illegale Aktivitäte­n dahinter stecken. „Sollte sich herausstel­len, dass Straftaten finanziert werden, um in Deutschlan­d lebende Kurden und die freie Meinungsäu­ßerung zu bekämpfen, wäre das ein völlig inakzeptab­ler Vorgang“, so Grünen-Innenpolit­iker Sckerl.

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FOTO: DPA Mit dem „Osmanen Germania Boxclub“(OGBC) beschäftig­t sich eine Ermittlung­sgruppe des Landeskrim­inalamtes seit 2016.

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