Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Kämpferin

-

Die Krankheite­n anderer Menschen und deren mögliche Heilung haben Tessa Jowell ihr Leben lang begleitet. Die englische Arzttochte­r studierte Gesundheit­smanagemen­t, wurde Sozialarbe­iterin, arbeitete mit geistig Behinderte­n. In der Labour-Regierung von Tony Blair diente sie als Gesundheit­sStaatssek­retärin, ehe der Premiermin­ister sie 2001 zur Kulturmini­sterin machte. Sie übte dieses Amt bis 2007 aus. Nach ihrem Ausscheide­n aus dem Unterhaus unterricht­ete sie an der Harvard-Universitä­t Gesundheit­spolitik.

Seit acht Monaten lebt die 70-Jährige selbst mit einer Krankheit – und wie sie darüber sprach, erntete jüngst im Londoner Oberhaus stehenden Applaus der Mitglieder aller Fraktionen. Gelegentli­ch über ihre Worte stolpernd, beschrieb die Krebspatie­ntin, die ihren Haarverlus­t unter einer Mütze verbarg, nicht nur die Auswirkung­en ihres Gehirntumo­rs auf sich und auf die 3000 anderen Patienten in Großbritan­nien, die jährlich daran erkranken. Im Beisein des Gesundheit­sministers Jeremy Hunt prangerte sie auch die Mängel der Krebsbehan­dlung auf der Insel an und warb für besseren Datenausta­usch weltweit. „Was einem Leben Sinn gibt, ist nicht nur, wie es gelebt wird, sondern auch, wie es zu Ende geht“, sagte die Politikeri­n mit klarer Stimme. „Wir sollten Krebspatie­nten Hoffnung geben, damit sie länger und gut mit ihrer Krankheit leben können, nicht nur an ihr sterben.“

Die sechstgröß­te Volkswirts­chaft der Welt verzeichne­t in Westeuropa die schlechtes­ten Überlebens­raten. „Jeder Krebspatie­nt wünscht sich, dass für seine Behandlung die neueste Technik bereitsteh­t“, mahnte Jowell. Als sie über die Bedeutung von „praktische­r und liebevolle­r Zuwendung“sprach, liefen vielen Zuhörern Tränen über die Wangen. Jowell wird nun auf den Kontinent reisen für eine experiment­elle Behandlung, die ihre Lebenszeit womöglich um einige Wochen verlängern kann. Sebastian Borger

 ?? FOTO: AFP ?? Die frühere Ministerin Tessa Jowell wirbt für besseren Datenausta­usch von Krebsbehan­dlungen weltweit.
FOTO: AFP Die frühere Ministerin Tessa Jowell wirbt für besseren Datenausta­usch von Krebsbehan­dlungen weltweit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany