Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Am Wochenende geht es in den Endspurt
GroKo-Verhandler haben weitere Fortschritte erzielt – Aber einige dicke Brocken liegen noch vor ihnen
BERLIN - „Jetzt gilt es, das Ganze zusammenzufügen“, sagte Angela Merkel, und sie klang so, als müsse sie sich selbst Mut machen. Am Freitagnachmittag im Willy-Brandt-Haus hat der Countdown begonnen. Die GroKo-Verhandlungen gingen auf die Zielgerade. Am Sonntagabend sollen die Verhandlungen eigentlich abgeschlossen werden, doch richteten sich die Unterhändler bereits auf eine Verlängerung ein. Erstmals trat die große Runde mit 91 Teilnehmern zusammen, sie beriet mehr als sechs Stunden lang über die Ergebnisse der 18 Arbeitsgruppen. Es gab Fortschritte, doch der große Durchbruch ließ auf sich warten.
Es gebe noch „eine ganze Reihe sehr ernster Dissenspunkte“, warnte die Kanzlerin. Bis zur Einigung sei es noch „ein Riesenstück Arbeit“. „Ich hoffe, dass es gelingen kann.“Auch SPD-Chef Martin Schulz trat auf die Bremse, sprach von „harten Verhandlungen“ und sah noch „eine Menge Verhandlungsbedarf“.
Hier das Umfragetief von 18 Prozent, dort die Debatte um ihn als Parteichef und seine Ministerpläne – Schulz steht mächtig unter Druck, er wirkt angeschlagen. Parteifreunde beschwören ihn, dass er kein Ministeramt in einer schwarz-roten Bundesregierung anstreben und noch vor dem Mitgliederentscheid seinen Verzicht erklären soll. Schließlich sei andernfalls zu befürchten, dass sich die Mehrheit der 440 000 SPD-Mitglieder gegen die GroKo entscheidet. Im Falle einer Neuauflage will Schulz nach dem Außenministerium greifen. Amtsinhaber und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) macht aber keinen Hehl daraus, dass er das Amt behalten will. Den Genossen droht deshalb eine weitere Zerreißprobe.
Das Rentenniveau bei 48 Prozent stabilisieren, 8000 neue Pflegekräfte einstellen, elf Milliarden Euro in Schulen, Bildung und Digitalisierung investieren: Eine Baustelle nach der anderen konnte abgeräumt werden. Auch in der Gesundheitspolitik gab es Einigungen. So sollen die Personalkosten für Pfleger in Kliniken nicht länger indirekt über Pauschalen für bestimmte Behandlungen vergütet, sondern direkt von den Kassen erstattet werden. Nach jahrelanger Blockade wäre beim Zustandekommen der GroKo auch der Weg für ein Tabakwerbeverbot frei.
Über die von der SPD geforderten Maßnahmen gegen eine Zwei-Klassen-Medizin, die Angleichung von Arzthonoraren für die Behandlung von Kassen- und Privatpatienten und die Öffnung der Gesetzlichen Kassen für Beamte, wurde am Freitag erstmals beraten. Den Knoten müssen die Parteichefs durchschlagen. Weiterer dicker Brocken ist die Forderung der SPD nach Abschaffung der sachgrundlosen Befristung.